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Als Tharandt eine Bastion der Fotoindustrie war

Im Jahr 1900 startete die Produktion am Opitzer Weg in der Forststadt. Anfangs gab es 19 verschiedene Unternehmen in der Branche.

Von Heinz Fiedler
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Belegschaft von Georg Ebigts Fabrik für Kamera-Verschlüsse im Albert-Salon Tharandt. Eine Aufnahme aus den 20er-Jahren.
Belegschaft von Georg Ebigts Fabrik für Kamera-Verschlüsse im Albert-Salon Tharandt. Eine Aufnahme aus den 20er-Jahren. © privat

Nichts ist geblieben von der einstigen Fotoindustrie in unserer engeren Heimat. Dabei war sie jahrzehntelang eine Macht, mitbestimmend für das wirtschaftliche Potenzial im Tal der Weißeritz.

Beflügelt durch die Nähe Dresdens – seit 1839 auch eine Stadt des Kamerabaues – etablierten sich um 1900 die ersten Firmen im Plauenschen Grund. Während man in Deuben, Döhlen und Potschappel zunächst die Entwicklung verschlief, machten sich beherzte Unternehmer in Rabenau und noch mehr in Tharandt für den neuen Industriezweig stark.

Mit der Jahrhundertwende tritt die Rabenauer Firma Alfred Brückner u.a. mit Atelierkameras an die Öffentlichkeit. In der Forststadt gründet Ferdinand Merkel eine Firma zur Herstellung von fotografischen Apparaten. Die Produktionsstätte am Opitzer Weg gelangt bald zu Ansehen. Merkel, selbst ein tüchtiger Fachmann, lässt zunächst Plattenkameras fertigen, in den 30er-Jahren prägen Boxkameras bis hin zur zweiäugigen Spiegelreflexkamera die Produktion. Die „Reflecta“, Prototyp einer leistungsstarken zweiäugigen Spiegelreflexkamera, geht auf ein Modell des Tharandter Unternehmens aus dem Jahre 1931 zurück.

Bei Merkel in der Lehre - das war was

Als Lehrbetrieb genießt die Firma hohe Wertschätzung. Woldemar Beier, ab 1923 erfolgreicher Unternehmer in Freital, erhält am Opitzer Weg eine fundierte Ausbildung als Feinmechaniker. Als er sich 1913 von Merkel verabschiedet, hat er den Meisterbrief in der Tasche. Otto Werner, Begründer einer Verschlussfabrik, beschließt 1911 mit Bravour eine dreijährige Lehre.

Die allgemeine wirtschaftliche Flaute geht an dem Unternehmen nicht spurlos vorüber. Absatzschwierigkeiten führen 1928 zum Konkurs der Merkelschen Firma. Gemeinsam mit Friedrich Schmittchen sowie Fritz und Charlotte Richter ringt der Fabrikant um einen Neuanfang. Nur zögernd bessert sich die Auftragslage. Um 1935 beläuft sich die Belegschaft auf immerhin 140 Mitarbeiter, mit den Herren Leuteritz und Gahmig stehen erfahrene Meister zur Verfügung. Zehntausende von Apparaten werden jährlich ausgeliefert.

Während des Zweiten Weltkrieges in das Rüstungsprogramm mit eingespannt, wird der Betrieb 1945 total demontiert. 1946 dann ein Comeback mit der Reflecta I und II. 1947 enteignet, trägt die Firma zunächst die Beschreibung VEB Kamerafabrik Tharandt mit Hans Leuteritz als Direktor. Im März 1950 kommt es zu einer weiteren Umwandlung. Im Zuge der Konzentration wird der Tharandter Betrieb dem Welta-Kamerawerk Freital zugeordnet. Heute erinnern sich nur noch ältere Tharandter an das Merkelsche Unternehmen, dem in der Industriegeschichte der Forststadt ein spezielles Kapitel gebührt.

Blutjunger Chef und einstiger Merkel-Lehrling

1912 greift im Plauenschen Grund ein blutjunger Mann nach den Sternen. Otto Werner, gerade mal 19, schickt sich an, ein eigenes Unternehmen aus dem Boden zu stampfen.

Der gebürtige Leipziger wird zunächst belächelt, man nimmt den einstigen Merkel-Lehrling nicht für voll. Werner schert sich nicht um die Frotzeleien und die Meinungen anderer, er hat seine Vorstellungen, und er setzt sie Zug um Zug um. Am Anfang seiner Fabrikantenlaufbahn stehen fotografische Zentralverschlüsse. In den Räumen des späteren Gorki-Kinos Freital kurbelt er die Produktion an. Zu Beginn im kleinen Rahmen – er kennt seine Grenzen. Es dauert nicht lange und seine Erzeugnisse sind so gefragt, dass er sich vergrößern muss. Er zieht in den benachbarten Knielingschen Ofenbau. Firmenname: „Fabrik für photografische Verschlüsse Otto Werner“. Eine Zwischenstation, der sich 1923 die Übersiedlung in die Tharandter Klippermühle anschließt. Sieben Jahre später geht er in der Talmühlenstraße, in Gebäuden des ehemaligen Kalkbergwerkes, vor Anker.


Bruder Alfred steigt als Teilhaber mit ein, unablässig forcieren die Inhaber das Produktionsgeschehen. Im Verein mit seinem Sohn gelingt Otto Werner die Entwicklung neuer Verschlüsse. Nach Kriegsende rettet man sich zunächst mit Haushaltartikeln über die Runden, bis 1947 das Verschlussprogramm wieder anläuft.

Alles in allem gehen über drei Millionen Stück komplette Fotozentralverschlüsse in acht verschiedenen Ausführungen auf das Konto des Unternehmens. Zwischen 1961 und 1964 werden in der Talmühlenstraße über 20.000 programmgesteuerte Juniormat-Verschlüsse produziert. Abnehmer sind bekannte Kamerabauer in Dresden und Freital.

1972 vollendet sich Otto Werner arbeitsreiches Leben, zwei Jahre später verstirbt Bruder Alfred.

Fabrikation im Albert-Salon

1972 wird der Schwiegersohn des Gründers, Ernst Gunkel, seit 1945 als technischer Leiter eine Stütze des Betriebes, zum Direktor der inzwischen verstaatlichten Firma berufen. Zwei Jahre später kommt es zu Angliederung des VEB Fotoverschlüsse Tharandt an die Kamerafabrik Freital. In allen Abteilungen rekonstruiert und modernen Anforderungen angepasst, entstehen im Objekt 4 – so die offizielle Betriebsteilbezeichnung – u.a. Vorfertigungsteile für elektronische Verschlüsse. Seit der Wende ruht die Arbeit.

Dritter im Bunde: Mechanikermeister Georg Ebigt. Mit geringen Mitteln baut er um 1920 eine Fabrikation für fotografische Verschlüsse auf. Die einstige Liegehalle des Hotel/Restaurants „Albert-Salon“ wird zum Produktionssaal mit anschließendem Kontor. Bis zu 35 Mitarbeiter stellen u.a. Verschlüsse für Boxkameras und Lichtbildgeräte her. Als 1927 die Forstliche Hochschule das Grundstück des Albert-Salons aufkauft, quartiert sich der Betrieb im Holzlager einer Tischlerei, Heinrich-Cotta-Straße, ein. Das Schicksal der Firma nach 1931 ist unbekannt. Im Juli 1959 ereilt Georg Ebigt in Karlsruhe der Tod.

Eine nur kurze Lebensdauer war der 1931 gegründeten Kamerafabrik von Schmitz und Thienemann beschieden.