Das Verfahren zur geplanten Erweiterung des Gewerbegebietes Hühndorfer Höhe in Wilsdruff war rechtmäßig. Die Stadt hat weder gegen kommunal- noch gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften verstoßen. Zu diesem Ergebnis kommt das Landratsamt Pirna. Es hatte den Vorgang genauer unter die Lupe genommen. Anlass war eine Aufsichtsbeschwerde des Natur- und Landschaftspflegevereins Wilde Sau. Thomas Rothe, zweiter Vorsitzender des Vereins, hatte in einem Schreiben vom 16. Mai auf vermeintliche Mängel und Fehler im Verfahren hingewiesen. Vereinsvorsitzender Michael Rothe hatte diese zuvor mündlich in der Stadtratssitzung vorgetragen.
Nun weist das Landratsamt die Vorwürfe zurück, was aber Thomas Rothe vom Verein kritisiert. Das Ergebnis der Prüfung sei "auch in Ansätzen" nicht überzeugend. Er vermisst die gebotene Tiefe, das notwendige Problembewusstsein und jegliche Bezugnahme auf Rechtsprechung und Literatur. Die Kritikpunkte seien "nicht sorgfältig geprüft" worden. Sächsische.de fasst die einzelnen Vorwürfe, das jeweilige Fazit des Landratsamtes und die Reaktion des Vereins zusammen.
Warum fehlte im Amtsblatt ein wichtiger Hinweis?
Am 14. Dezember 2023 hatte die Stadtverwaltung im Amtsblatt darauf hingewiesen, dass ein Baurechtsverfahren eingeleitet worden sei und die Pläne vom 22. Dezember 2023 bis 31. Januar 2024 im Rathaus eingesehen werden könnten. Der Verein kritisiert, dass in der Bekanntmachung aber nicht darauf hingewiesen wurde, dass Bürgerinnen und Bürger Stellungnahmen abgeben können. Dies sei "ein erheblicher Mangel", so Rothe.
Das Landratsamt sieht das anders. Demnach hat die Verwaltung nicht nur im Amtsblatt, sondern - wie vorgeschrieben - auch im Schaukasten am Rathaus über das Verfahren informiert. Dort sei auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass jedermann "während der Auslegungsfrist" Stellungnahmen abgeben könne, heißt es in dem von Landrat Michael Geisler (CDU) unterzeichneten Antwortschreiben. Die Bekanntmachung im Amtsblatt sei ein "zusätzliches" Angebot. Dass der Hinweis dort fehle, sei "unglücklich, stellt jedoch keinen beachtlichen Fehler dar", so Geisler.
Rothe teilt diese Auffassung nicht: In Wilsdruff sei es "gängige Verwaltungspraxis", dass in den Bekanntmachungen im Amtsblatt darauf hingewiesen werde, dass die Bürger Stellungnahmen abgeben können. Er verweist auf andere Verfahren. Seiner Meinung nach ist das "online einsehbare Amtsblatt" das "entscheidende Medium der Wilsdruffer und nicht der Schaukasten". Die 90er-Jahre seien längst vorbei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Bekanntmachung im Amtsblatt inhaltlich weniger umfangreich sei als die Bekanntmachung im Schaukasten.
Wurden Bürger abschreckt, sich zu positionieren?
Im Verein ist man sich sicher, dass sich einige Bürger nicht getraut haben, Stellungnahmen abzugeben, weil sie befürchten, dass ihre persönlichen Daten veröffentlicht werden. Dies sei bei einem Bebauungsplanverfahren in Kleinopitz geschehen. Trotz Kritik habe es dort etwa ein Jahr gedauert, bis die Daten auf der Homepage gelöscht worden seien. Dies könnte Bürger davon abgehalten haben, sich zum zeitlich unmittelbar nachfolgenden Bauleitplanverfahren zu äußern, so Rothe.
Dazu stellt das Landratsamt fest: Die Beschwerde "über die Veröffentlichung personenbezogener Daten" beziehe sich auf das Verfahren in Kleinopitz und könne "nicht pauschal" auf das Bauleitplanverfahren zur Hühndorfer Höhe übertragen werden.
Rothe zeigt sich enttäuscht: Die Brisanz sei im Rahmen der Prüfung "offenbar nicht ansatzweise erfasst" worden. Die "Bewohner des Landkreises" seien "vom Landratsamt einfach im Stich gelassen worden", erklärt er.
Hätte das Industriegebiet erwähnt werden müssen?
Der Verein kritisiert, dass der Bebauungsplan als "Gewerbegebiet Hühndorfer Straße" bezeichnet wird. Das sei "irreführend". Tatsächlich soll auf einer Fläche von 43.177 Quadratmetern ein Industriegebiet entstehen. Diese Bezeichnung wäre bei den Wilsdruffern "auf größeren Widerstand" gestoßen. Denn damit gingen "bekanntermaßen größere Beeinträchtigungen betreffend Emissionen, Verkehr, Änderung des Landschaftsbildes" einher, so Rothe.
Das Landratsamt stellt dazu fest: Wenn eine Verwaltung über Bauleitpläne informiere, dann müsse dies so geschehen, "dass der interessierte Bürger einen Anstoß erhält, sich über die angedachte Planung informieren zu wollen und wenn notwendig, Einwendungen vorzubringen". Aus Sicht des Landratsamtes hat die Stadtverwaltung mit der schlagwortartigen Bezeichnung des Plangebietes sowie dessen "räumlicher Einordnung" die sogenannte Anstoßpflicht erfüllt.
Erweiterungsfläche auf der Hühndorfer Höhe
- Das Gebiet hat eine Größe von 136.000 Quadratmetern und erstreckt sich rechts und links der Straße Hühndorfer Höhe (K9034).
- Davon sollen 7.400 Quadratmeter als Gewerbegebiet, 43.200 Quadratmeter als Industriegebiet, 17.300 Quadratmeter als Grünfläche und 15.000 Quadratmeter als Ausgleichsfläche genutzt werden.
- Auf einem Teil der Fläche soll ein Gedenkort für die 2021 gesprengte Riesenantenne errichtet werden.
- Im bereits einstimmig beschlossenen Flächennutzungsplan ist die geplante Nutzung bereits vorgemerkt. Quelle: Stadt Wilsdruff
Rothe ist davon nicht überzeugt: "Ein Areal als Gewerbegebiet zu bezeichnen, obwohl dieses maßgeblich ein Industriegebiet darstellt, hat mit der Erfüllung der Anstoßfunktion nichts zu tun, sondern vermittelt dem Bürger lediglich einen falschen Eindruck der klar zur Irreführung geeignet ist."
War das Planungsziel nicht erkennbar gewesen?
Die Pläne enthielten zunächst widersprüchliche Angaben zur Flächennutzung. Für die Öffentlichkeit sei das "konkrete Planungsziel der Stadt Wilsdruff" nicht hinreichend erkennbar, so der Verein. Dazu das Landratsamt: "Die widersprüchliche und fehlerhafte Flächenausweisung" habe man selbst in der Stellungnahme vom 31. Januar bemängelt. Die Stadtverwaltung und das Planungsbüro hätten darauf reagiert und die Zuordnung korrigiert. Dies sei beim Abwägungsbeschluss am 16. Mai berücksichtigt worden.
Wie geht es auf der Hühndorfer Höhe weiter?
Der Stadtrat hat den Bebauungsplan im Juni mit 14 Ja-Stimmen beschlossen. Sechs Räte stimmten dagegen. Nach Angaben des Landratsamtes wurde der Bebauungsplan bereits am 30. Mai rechtskräftig. Bürgermeister Ralf Rother (CDU) erklärte, dass man mit einem Unternehmen aus der Mikroelektronikbranche in Verhandlungen stehe. Den Namen des Unternehmens nannte er nicht. Rothe hofft indes, den B-Plan noch stoppen zu können. Er bat das Landratsamt um eine "erneute sorgfältige Prüfung".
Ob das Landratsamt diesem Wunsch nachkommt, konnte Pressesprecherin Manjana Fromm am Montag noch nicht sagen. Thomas Rothe brachte in seinem Schreiben ein Normenkontrollverfahren gegen den B-Plan ins Spiel. Dieses können Bürger und juristische Personen bei eigener Betroffenheit einleiten. Das muss innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung des Bebauungsplans geschehen. Zuständig ist das Oberverwaltungsgericht Bautzen. Ein Antrag auf Normenkontrolle würde sich dabei gegen die konkrete Satzung und damit gegen die zuständige Kommune richten.