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Friedensfahrt nach Rumburk

Vor 100 Jahren fand ein Aufstand Kriegsmüder ein blutiges Ende. Daran erinnerten Bautzener jetzt mit einer besonderen Aktion.

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© Carmen Schumann

Von Carmen Schumann

Rumburk (Rumburg). Ein Mann auf den Knien mit einer Binde vor den Augen, gleich wird sie fallen, niedergestreckt womöglich sogar von eigenen Landsleuten. In Stein gehauen erinnert die Figur im Stadtpark von Rumburk (Rumburg) an ein Ereignis, das vor genau 100 Jahren in Rumburk nur wenige Kilometer hinter der deutsch-tschechischen Grenze seinen Ausgang nahm. Nachdem 1917 nach der Oktoberrevolution Lenin das Dekret über den Frieden proklamiert hatte, waren auch tschechische Kriegsgefangene durch die russischen Bolschewiki freigelassen worden.

Die tschechischen Soldaten brachte man unter anderem in eine Kaserne nach Rumburk. Im Frühjahr 1918 sollten sie jedoch wieder an die Front nach Italien geschickt werden. Doch die Kämpfer waren kriegsmüde und hatten das Empfinden, dass es sinnlos sei, jetzt noch weiter zu kämpfen und für Kaiser Franz Josef in den Krieg zu ziehen. Sie verweigerten sich und sammelten sich zu einem Marsch, der sie nach Prag und Wien führen sollte. Doch schon bei Ceská Lípa (Böhmisch Leipa) wurden sie von regimetreuen österreich-ungarischen Truppen gestellt. Zehn junge Soldaten wurden direkt vor Ort erschossen, andere erhielten Zuchthausstrafen oder wurden wieder an die Front geschickt.

Was vor 100 Jahren nur wenige Kilometer von der Lausitz entfernt geschah, ist hierzulande weitgehend vergessen. In Tschechien wird in diesem Jahr nicht nur das Ende des Ersten Weltkrieges gefeiert, sondern vor allem die damit verbundene Gründung der tschechoslowakischen Republik. Bereits am 16. Mai gedachten Bürger von Rumburk am Denkmal des unbeugsamen Soldaten im Stadtpark an den Aufstand der Kriegsmüden. An diesem Ereignis nahm auch Heiko Kosel, Landtagsabgeordneter der Linkspartei, der als Sorbe perfekt die tschechische Sprache spricht, teil. Um seine Landsleute auf das in Vergessenheit geratene Schicksal der aufständischen tschechischen Frontkämpfer aufmerksam zu machen, rief er jetzt zu einer Friedensfahrt nach Rumburk auf. Diese fand am vergangenen Sonnabend bei brütend heißem Sommerwetter statt. Immerhin sechs Anhänger der Linkspartei schwangen sich in den Fahrradsattel und bewältigten die Strecke per Muskelkraft. Andere bevorzugten hingegen das Auto.

Am Mittag versammelten sich insgesamt 30 Deutsche und Tschechen am Denkmal. Von tschechischer Seite kamen Stadträte der Linksfraktion aus Rumburk. Aus Deutschland reisten nicht nur Mitglieder der Linkspartei aus Bautzen an, sondern auch aus Cottbus, darunter Peter Schömmel. Er ist stellvertretender Hauptkoordinator des ständigen Europaforums der Regionen. Seine unmittelbare Chefin ist eine Tschechin, Maria Krejcova. Peter Schömmel mahnte, dass man alles dafür tun müsse, dass Europa nie wieder in einen Krieg verwickelt wird. „Wir strecken die Hand aus zur Zusammenarbeit mit allen Willigen“, sagte er. Der Europaforum-Koordinator erinnerte daran, dass auch Soldaten Staatsbürger sind und die Pflicht haben, sich für den Frieden einzusetzen. Mit ihrer Friedensfahrt wollten die Teilnehmer ein Zeichen setzen für das friedliche Zusammenleben der Völker und den Erhalt der Demokratie. Sie wenden sich gegen aktuelle Kriegshandlungen in der Welt und die zunehmende Militarisierung. „Jegliche Erinnerungen an Friedensbemühungen zu Kriegszeiten müssen in unserer Region auch grenzüberschreitend wachgehalten werden“, erklärte Linken-Landtagsabgeordneter Heiko Kosel, der nicht nur Rechtsanwalt, sondern auch Historiker ist.