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Friedrich-Ebert-Stiftung in Bedrängnis

Es sollte ein Zeichen der Versöhnung sein: Ein junger Russe spricht am Volkstrauertag im Reichstag in Berlin. Zuhause wird nicht nur er dafür angefeindet - der Zorn trifft sogar unbeteiligte Dritte.

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© dpa

Moskau/Kassel. Der Auftritt eines russischen Schülers am Volkstrauertag im Berliner Reichstagsgebäude schlägt in seiner Heimat hohe Wellen - und bereitet der völlig unbeteiligten Friedrich-Ebert-Stiftung Probleme in Moskau. Die Reden deutscher und russischer Schüler bei der jährlichen Gedenkstunde im Bundestag wurden vielmehr vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Kassel organisiert, wie dieser der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Die Bundesregierung wies am Mittwoch russische Kritik an der Stiftung zurück und äußerte sich besorgt über Anfeindungen gegen den Schüler.

Der 16-Jährige aus der sibirischen Stadt Nowy Urengoi hatte von einem deutschen Wehrmachtssoldaten berichtet, der nach der Schlacht um Stalingrad in sowjetischer Gefangenschaft gestorben war. Er sprach dabei von den „Gräbern unschuldig gefallener Menschen“. In der russischen Öffentlichkeit werden der Junge und seine Lehrerin deshalb seit Wochen angefeindet, weil dies angeblich die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg verharmlose. Andere Vorwürfe lauten, dass die deutsche Seite ihm diese Worte in den Mund gelegt habe.

Die deutschen Schüler, die am 19. November auftraten, kamen aus dem Friedrichsgymnasium in Kassel. Der ähnliche Name ist möglicherweise der Grund, warum in Russland die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung für den Auftritt verantwortlich gemacht wird.

Ein einflussreicher Abgeordneter in Moskau forderte die Generalstaatsanwaltschaft auf zu prüfen, ob die Stiftung nicht als unerwünschte Organisation eingestuft werden müsste. Das berichtete der Deutschlandfunk am Mittwoch. Der Leiter des Moskauer Büros, Mirko Hempel, stellte klar, die Stiftung sei in keiner Weise an dem Projekt beteiligt gewesen.

„Ganz generell möchte ich sagen, dass wir die teilweise maßlosen Vorwürfe gegenüber der Stiftung, die verschärfte Rhetorik in diesem Fall mit Sorge sehen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. Form und Ausmaß der Empörung in Russland habe überrascht. Veranstaltungen wie die Gedenkstunde sollten gerade dafür sorgen, dass die Verbrechen der Nazis nicht in Vergessenheit geraten.

Die Rede des Jungen aus Nowy Urengoi sei zwar gekürzt, aber nicht geändert worden, sagte Volksbund-Sprecherin Diane Tempel. „Wir haben nichts daran gemacht.“ Die Beschäftigung mit Kriegsbiografien sei ein bewährtes Mittel der Friedenspädagogik. „Damit werden die Toten aus der Anonymität geholt.“ In der Vorbereitung hätten sich deutsche Schüler mit russischen Toten, die russischen Schüler mit deutschen Toten beschäftigt. (dpa)