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Friert die Elbe zu?

Die Wahrscheinlichkeit ist so groß wie seit fast 50 Jahren nicht mehr. Vor allem sorgen sich die Behörden aber ums Treibeis.

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Von Peter Anderson

Neun Schiffe hält das Eis gegenwärtig in den drei großen sächsischen Elbe-Häfen Dresden, Riesa und Torgau gefangen. Das teilte jetzt die Sprecherin der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe Mandy Seeliger mit. Im Hafen Torgau beträgt die Dicke des zusammengeschobenen Scholleneises mittlerweile rund zehn bis 15 Zentimeter. Sollte der Eisgang zunehmen, liegt im Alberthafen ein Eisbrecher bereit.

Dem Bundeswasserstraßenamt zufolge besteht angesichts des andauernden Frosts die seit Dienstag geltende Sperrung der gesamten Elbe für die Schifffahrt fort. Im Bereich der Südelbe bei Hamburg halten acht Eisbrecher den Fluss für den Hafenverkehr frei.

Das letzte Mal konnten die Sachsen 1963 im Bereich des oberen Flusslaufs über die Elbe spazieren. Später wirkten chemische Abwässer aus CSSR- und DDR-Betrieben wie Frostschutzmittel. 49 Jahre lang gab es keine geschlossene Eisdecke mehr auf dem Fluss. Die seit der Wende deutlich verbesserte Wasserqualität erhöht jetzt allerdings die Chancen für das seltene Naturspektakel.

Das Landesumweltamt hält eine Zufrieren der Elbe derzeit für wenig wahrscheinlich, ausgeschlossen sei es allerdings nicht, so Sprecherin Karin Bernhardt auf SZ-Nachfrage.

Neben über Wochen anhaltenden Minusgraden ist das Zufrieren von weiteren Faktoren wie der Wasserhöhe und der Fließgeschwindigkeit abhängig. Am Pegel Dresden stand die Elbe gestern bei 1,80 Meter und hielt damit einen mittleren Stand. Die relativ starke Strömung erschwerte das Zusammenwachsen der einzelnen Schollen zu einer geschlossenen Fläche.

Sachsens Landestalsperrenverwaltung (LTV) betrachtet diese Phase als besonders gefährlich. „Von einem vollständig zugefrorenen Fluss geht eine geringe Gefahr aus. Gefährlich ist die Zeit des Zufrierens – aber vor allem das Abtauen“, so Sprecherin Katrin Schöne. Durch die Eisschollen könne es zu einem sogenannten Eisstau kommen. Anfällig seien vor allem Engstellen wie Brücken oder Wehre. Diese müssten jetzt besonders beobachtet werden, um mögliche Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Aufbrechendes und angeschwemmtes Eis staue sich schnell auf, behindere den Abfluss und führe in der Folge zu Überschwemmungen.

An den Deichen kann durch Treibeis laut Talsperrenverwaltung die Grasnarbe der Böschung abgeschält werden. Dadurch sei die Standsicherheit des Deiches gefährdet. Höchste Gefahr drohe, wenn sich Eisschollen auf einen Deich schieben. Diesen Belastungen halte ein Deich nur kurze Zeit stand. Erste Anzeichen für eine Gefährdung eines Deiches seien Sickerstellen, aus denen trübes Wasser austritt. Das deute auf Erosion hin, die den Deich destabilisiere und im schlimmsten Fall brechen lasse, so die LTV.

Sachsens Umweltminister Frank Kupfer (CDU) ruft angesichts des anhaltenden Dauerfrostes und des Eises zu einer verstärkten Vorsorge auf. Die Landestalsperrenverwaltung kontrolliert eigenen Angaben zufolge bereits seit Beginn der Kälteperiode verstärkt an allen Talsperren, Wasserspeichern und Fließgewässern erster Ordnung und sorgt bei Bedarf für eisfreie Wehre und Stauanlagen.

Für alle Gewässer zweiter Ordnung und für die notwendige Gefahrenabwehr sind dagegen die Gemeinden mit ihren Wasserwehren verantwortlich. „Auch wenn in Sachsen zurzeit keine Hochwassergefahr besteht, ist es sehr wichtig, dass sich alle Beteiligten frühzeitig auf mögliche Extremsituationen einstellen“, sagt Umweltminister Kupfer und erinnert an das Eishochwasser 2006. Die Gemeinden sollten ihre Alarm- und Einsatzpläne auf Aktualität und ihre Wasserwehrausrüstung auf Funktionsfähigkeit überprüfen.