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Früh-Aufsteherin rettet Leben

Weil die Löbauerin Sandy Gräfe überpünktlich zur Arbeit geht, entdeckt sie den Neujahrsbrand. Jetzt braucht sie ein neues Fahrrad.

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© Rafael Sampedro

Von Markus van Appeldorn

Dienstpläne können Leben retten. Das hat sich im Fall der Löbauerin Sandy Gräfe erwiesen. Weil die 32-Jährige am Neujahrsmorgen schon in aller Herrgottsfrüh zur Arbeit musste, verhinderte sie einen katastrophalen Ausgang des Feuers im Keller eines Mietshauses in der Lindenstraße in Löbau-Süd. Nur weil Sandy Gräfe den Brand relativ kurz nach dessen Ausbruch bemerkte, konnte die Feuerwehr alle Menschen beinahe unverletzt evakuieren.

Sandy Gräfe wohnt seit gut zehn Jahren mit ihrer Familie in dem Mehrfamilienhaus an der Lindenstraße in Löbau-Süd. Am Neujahrsmorgen entdeckte sie den Kellerbrand schon kurz nach seinem Ausbruch. Als alle Hausbewohner in Sicherheit waren, ging sie wie jed
Sandy Gräfe wohnt seit gut zehn Jahren mit ihrer Familie in dem Mehrfamilienhaus an der Lindenstraße in Löbau-Süd. Am Neujahrsmorgen entdeckte sie den Kellerbrand schon kurz nach seinem Ausbruch. Als alle Hausbewohner in Sicherheit waren, ging sie wie jed © Markus van Appeldorn

Für ihr rasches Handeln ehrte Oberbürgermeister Dietmar Buchholz (parteilos) Sandy Gräfe nun auch offiziell. „Wenn sie nicht gewesen wäre, wären die drei Menschen, die mit einer leichten Rauchvergiftung aus dem Haus kamen, wahrscheinlich tot“, sagte Buchholz am vergangenen Donnerstag im Stadtrat. Am Vormittag hatte er Sandy Gräfe gemeinsam mit einem Vertreter der Polizei im Rathaus empfangen.

Die SZ Löbau traf sich mit der jungen Heldin am Ort des Geschehens. Sie kann das ganze Aufhebens um ihre Person gar nicht verstehen: „Ich habe doch nur das gemacht, was jeder machen würde. Dafür erwarte ich keine Ehrung.“ Als die Polizei sie telefonisch um den Termin im Rathaus bat, dachte sie auch zuerst, sie müsse noch mal eine Aussage zum Brandmorgen machen.

Vor der Tür des Mietshauses Lindenstraße 6 erinnert heute bereits nichts mehr an die Brandnacht vor wenigen Wochen. Aber Sandy Gräfe erinnert sich noch sehr gut. „Ich bin um fünf Uhr aufgestanden. Eigentlich war es Zufall, dass ich am Neujahrsmorgen zum Dienst eingeteilt war“, sagt sie. Von der Silvesterfeier mit ihrer Familie war sie noch ein bisschen unausgeschlafen. Sie arbeitet als Servicekraft des Behindertenheims der Arbeiterwohlfahrt in der Richard-Müller-Straße in Löbau-Nord. Um sechs Uhr ist Schichtbeginn. „Ich bin aber meistens früher da“, sagt Sandy Gräfe. Und genau diese Angewohnheit ist an diesem Morgen ein Segen für sie, ihre Familie und alle anderen Hausbewohner.

„Um 5.15 Uhr bin ich dann aus der Wohnung und wollte wie üblich mein Fahrrad aus dem Keller holen“, erzählt sie. Doch schon als sie die Tür ihrer Erdgeschosswohnung öffnet, zieht Rauch durchs Treppenhaus. Sie denkt noch nicht mal sofort an einen Brand, sieht auch kein Feuer und weiß nicht, wo der Rauch herkommt. Den Plan, ihr Fahrrad aus dem Keller zu holen, gibt sie jedenfalls sofort auf. „Ich bin zur Haustür raus und habe sofort die 112 auf dem Handy gewählt“, erzählt sie. „Ich habe am Telefon gesagt: „Hier bei uns im Treppenhaus ist alles voller Qualm, könnten Sie mal bitte kommen?“

Sandy Gräfe sorgt sich natürlich um ihren Mann Holger und den zehnjährigen Sohn Lio die noch in der Wohnung sind. „Aber das Telefon hätte der eh nicht gehört“, sagt sie. Ihr selbst war der Weg zurück ins Haus bereits durch den Rauch versperrt. Sie hoffte, dass die Wohnungstür dicht genug abschließt. „Die Feuerwehr war schon nach ein paar Minuten da“, sagt Sandy Gräfe. Pflichtbewusst ruft sie auf ihrer Arbeitsstelle an und teilt mit, dass sie etwas später kommen werde, weil‘s gerade brennt. Am Anfang bekommt sie auch gar nicht mit, dass ihre Familie und alle anderen Hausbewohner auf der anderen Seite des Hauses von der Feuerwehr mit der Drehleiter evakuiert worden sind. Darauf macht sie erst ein Feuerwehrmann aufmerksam. Sie ist froh, dass sie ihren Mann und ihren Sohn unversehrt in die Arme schließen kann.

Später erfährt sie, warum der Brand im Keller wahrscheinlich ausgebrochen war. Nach dem derzeitigen Stand der polizeilichen Ermittlungen hatte ein Hausbewohner Müll von Silvesterböllern vor der Tür zusammengekehrt und in seinem Keller in einem Kunststoffbehälter entsorgt. Doch in dem Böller-Abfall loderte noch eine gefährliche Glut.

„Wir danken Gott für Ihren Dienstplan“, sagt ihr eine Nachbarin. Und als Sandy Gräfe alle Menschen in Sicherheit weiß, will sie den auch einhalten. „Ich bin an dem Morgen einfach zu Fuß zur Arbeit. Um sieben Uhr habe ich angefangen“, sagt sie. Ein neues Fahrrad braucht sie auch. Das alte fiel dem Kellerbrand zum Opfer.