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Fundament und Schornstein verschwinden

Die Zittauer Stadtwerke gestalten das Gelände des ehemaligen Gaswerks neu. Gas wird dort seit 81 Jahren nicht mehr produziert.

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© Mario Heinke

Von Mario Heinke

Zittau. Die Mauer in der Weststraße wirkt wie die Befestigung einer historischen Wehranlage. Zugewachsen und umrankt verbirgt sich kein Märchenschloss, sondern das Fundament eines ehemaligen Gasbehälters hinter den Dornen. Seit Jahrzehnten liegt das kreisrunde Bauwerk im Dornröschenschlaf. Die ersten Gasbehälter wurden 1908 auf der im Jahre 1857 errichteten Gasanstalt erbaut. Weil Zittau jedoch bereits seit 1937 sein Stadtgas aus Hirschfelde bezog, wurden die ungenutzten Gasbehälter 1976 zurückgebaut. Das Innere des etwa 20 Meter im Durchmesser großen Fundaments ist einfach mit Bauschutt zugeschüttet worden. Wie ein Eiterpickel ragt das „Bauwerk“ aus dem Boden, unnütz und voller Schadstoffe.

Ebenso die runde Mauer an der Weststraße. Sie diente einst als Fundament eines Gasbehälters, als im ehemaligen Gaswerk noch Stadtgas hergestellt wurde.
Ebenso die runde Mauer an der Weststraße. Sie diente einst als Fundament eines Gasbehälters, als im ehemaligen Gaswerk noch Stadtgas hergestellt wurde. © Mario Heinke

Das Grundstück der ehemaligen Städtischen Gasanstalt gehört im südlichen Bereich den Zittauer Stadtwerken, den nördliche Teil nutzt die Süd-Oberlausitzer Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsgesellschaft mbH (Sowag). Die Sowag ließ 2014 die alten Gastürme sanieren, sie bekamen neuen Außenputz und neue Fenster. Der Wasserversorger nutzt die ehemaligen Gasometer als Lager und Garagen, die Türme stehen unter Denkmalschutz.

Die Stadtwerke haben Teile des Grundstücks, Gebäude und Garagen an mehrere Unternehmen vermietet und wollen nun beginnen, die Fläche neu zu gestalten. Ein Baustoffhandel, ein Gerüstbauunternehmen und kleine Firmen sind auf dem Areal ansässig. Noch suchen einige freie Flächen nach Gewerbemietern.

Nach dem Abriss des Gasbehälter-Fundamentes soll auch der Schornstein des ehemaligen Ofenhauses Stein für Stein zurückgebaut werden. Seit Jahren ungenutzt, beginnt er sich langsam zu krümmen. Eine Sprengung kommt wegen der umliegenden Bebauung aber nicht infrage, erklärt Stadtwerke-Geschäftsführer Matthias Hänsch. Ein Gesamtkonzept für die Gewerbeimmobilie gebe es zwar noch nicht, aber nach dem erfolgten Rückbau sollen erst einmal Parkflächen für die Gewerbemieter angelegt werden. Die für den Rückbau erforderlichen Umweltgutachten liegen vor, das Areal ist mit Altlasten belastet, sagt Planungsingenieur Jens Zöllner von den Stadtwerken, der sich um das Rückbauvorhaben kümmert. Im März soll die Ausschreibung der Bauarbeiten erfolgen. In den folgenden Monaten soll das Fundament ausgebaggert und abgerissen werden, so der Plan. Die Stadtwerke finanzieren den Rückbau aus eigener Tasche.

Wie wichtig eine eigene Gasversorgung für die wachsende Stadt Zittau war, erkannten die Stadtväter bereits 1857 und beschlossen den Bau einer Gasanstalt. Einen Bauplatz fanden sie in der Zittauer Westvorstadt zwischen Äußerer Weber- und Weststraße. Zuerst entstanden ein Ofenhaus und Gasversorgungsleitungen. 1858 ging die Städtische Gasanstalt in Betrieb. 256 Gaslaternen erleuchteten damals die Stadt. 173 Abnehmer nutzten Stadtgas. Eine erste Erweiterung der Ofenanlage gab es 1873. Außerdem entstand der erste Gasbehälter, dem bald drei weitere folgten. In dieser Zeit erhielt auch der Fahrweg zwischen der Äußeren Weber- und Weststraße den Namen Gasstraße. 1899 gab es die nächste Erweiterung und 1900 den Bau einer neuen Gasanstalt, die im Herbst 1900 ihren Betrieb aufnahm. Ins Zentrum wurden weitere Rohre verlegt, auch Pethau, Kleinschönau, Eckartsberg und Olbersdorf erhielten den Gasanschluss. 1914 wurde ein Vertikal-Ofenhaus mit einem hohen Turm gebaut und 1920 eine Wassergasanlage, die bis 1932 genutzt wurde. Oybin mit dem Hain kam 1924 ans Netz. 1933 verzeichnete das Gaswerk 11510 Kunden. 1937 wurde die Produktion durch Kohlevergasung in Zittau beendet. Seit Inbetriebnahme des 1904 erbauten Städtischen Elektrizitätswerks wurden Straßenlaternen und Schaufenster zunehmend elektrisch beleuchtet.