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Dynamos Ultras gegen Geisterspiele

Deutschlands Fanszenen lehnen die Fortsetzung der Bundesliga ohne Zuschauer kategorisch ab. Für den Verband könnte das zum Problem werden.

Von Tino Meyer
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Die Tribünen leer, das Spielfeld im Rudolf-Harbig-Stadion aber nicht. Dynamo Dresden trainiert dort inzwischen wieder regelmäßig. Und im Mai soll dann auch die Saison fortgesetzt werden - ohne Fans.
Die Tribünen leer, das Spielfeld im Rudolf-Harbig-Stadion aber nicht. Dynamo Dresden trainiert dort inzwischen wieder regelmäßig. Und im Mai soll dann auch die Saison fortgesetzt werden - ohne Fans. © Jan Woitas/dpa

Dresden. Sie bürsten gegen den Strich, immer wieder. Doch diesmal kommt die rigorose Wortmeldung des bundesweiten Zusammenschlusses der deutschen Fußball-Fanszenen für die Funktionäre zur absoluten Unzeit. Mit scharfer Kritik haben sich die Fans gegen die Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der Bundesliga inmitten der Corona-Krise ausgesprochen.

Eine Fortsetzung mit Geisterspielen, also ohne Zuschauer, sei "nicht vertretbar - schon gar nicht unter dem Deckmantel der gesellschaftlichen Verantwortung", erklärt das Bündnis in einer Stellungnahme, der sich auch Dynamo Dresdens Ultras anschlossen und diese auf ihrer Internetseite veröffentlichten. 

Unter der Überschrift "Quarantäne für den Fußball - Geisterspiele sind keine Lösung" haben die Fanszenen ausführlich und mit deutlichen Worten ihre Position dargelegt. "Eine baldige Fortsetzung der Saison wäre blanker Hohn gegenüber dem Rest der Gesellschaft und insbesondere all denjenigen, die sich in der Corona-Krise wirklich gesellschaftsdienlich engagieren. Der Profifußball ist längst krank genug und gehört weiterhin in Quarantäne", heißt es. 

Die Saison soll spätestens Mitte Mai fortgesetzt werden

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) berät am 23. April erneut über mögliche Szenarien zur Wiederaufnahme der Saison. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat inzwischen bereits erklärt, dass er eine Fortsetzung ohne Zuschauer für denkbar hält. Da die öffentlichen Einschränkungen vorerst bis zum 3. Mai verlängert wurden, könnte der Spielbetrieb im besten Fall ab dem Wochenende 9./10. Mai fortgesetzt werden. Neun Spieltage sind in der ersten und zweiten Liga noch zu absolvieren, bis Ende Juni wäre das rein organisatorisch problemlos machbar.

Ungeklärt ist jedoch noch, wie der Fußball das bestehende Infektionsrisiko minimieren will. Die Liga, so Söder, arbeite diesbezüglich aber an einem sehr guten Hygienekonzept. Der CSU-Vorsitzende führt zudem noch einen weiteren Punkt an:  Dass die "Relevanz von Fußball möglicherweise nicht allein in der finanziellen Wirkung liegt, sondern auch in der psychologischen Wirkung". Der Fußball sei für "sehr viele Menschen" ein "Teil von Freude". Auch die DFL hatte zuletzt in diese Richtung argumentiert.

Ausgerechnet die Fans sprechen ihrer Sportart nun aber diese besondere Rolle ab. "Wir vertreten die klare Position, dass es keine Lex Bundesliga geben darf. Fußball hat in Deutschland eine herausgehobene Bedeutung, systemrelevant ist er jedoch ganz sicher nicht. Beschränkungen, die für vergleichbare Bereiche der Sport- und Unterhaltungsindustrie gelten, müssen auch im Fußball Anwendung finden", schreibt das Fan-Bündnis. 

Was dahintersteckt: Kritik an den Exzessen des Fußballs

Und weiter heißt es: "In einer Zeit, in der wir alle sehr massive Einschränkungen unserer Grundrechte im Sinne des Gemeinwohls hinnehmen, ist an einen Spielbetrieb der Bundesligen nicht zu denken. Wenn seit Wochen über einen Mangel an Kapazitäten bei CoVid-19-Tests berichtet wird, ist die Idee, Fußballspieler in einer extrem hohen Taktung auf das Virus zu untersuchen, schlicht absurd." Dass sämtliche Bedenken hintenangestellt würden, sei nicht nachvollziehbar.

Was außerdem hinter dem Protest steckt: Dass der Spielbetrieb aus Sicht der Vereine schon allein deshalb fortgesetzt werden muss, um die offenbar überlebensnotwendigen TV-Gelder zu erhalten - und Fans im Zuge dessen längst nebensächlich sind. "Das Gerede von zigtausenden Jobs halten wir schlicht in den meisten Fällen für einen Vorwand, weiterhin exorbitante Millioneneinkünfte für wenige extreme Profiteure zu sichern", erklärt das Bündnis. 

Seit Jahren würde man Reformen für eine gerechtere Verteilung der TV-Einnahmen fordern und die mangelnde Solidarität zwischen großen und kleinen Vereinen kritisieren. Stattdessen gebe es Finanzexzesse, mangelnde Rücklagenbildung und eine teils erpresserische Rolle von Spielerberatern. Die Corona-Krise biete nun aber auch eine Chance: "Spätestens jetzt ist es aller höchste Zeit, dass sich Fußballfunktionäre ernsthaft mit diesen Punkten auseinandersetzen."

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