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Fußball trotz Frühschicht

Manche Chefs nehmen den Anstoß auf: späterer Anpfiff zur Arbeit, dafür Verlängerung.

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© Andrea Warnecke/dpa

Von Antonia Lange

Mit dem heutigen Spiel der deutschen Nationalelf gegen Portugal geht für viele Fußball-Fans die WM erst richtig los. Eines könnte ihren Jubel aber trüben: der Chef. Weil viele Spiele der WM in Brasilien hierzulande in die Abend- und Nachtstunden fallen, müssen Arbeitnehmer nämlich entweder um ihren Schlaf oder um ihr Fußball-Vergnügen bangen. Einige Unternehmen überlegen sich nach Aufrufen der Gewerkschaften nun etwas, um ihren Mitarbeitern entgegenzukommen. Nicht jeder Chef hat aber ein Herz für den Sport.

„Wir wissen natürlich um die Fußball-Leidenschaft unserer Beschäftigten“, sagt ein Sprecher des Technikkonzerns Bosch. „In der Regel ist es so, dass sich die einzelnen Standorte etwas einfallen lassen.“ Wer während der Spiele Spät- oder Nachtdienst habe, könne in Absprache etwa zwischendurch ausstempeln und die freien Fußball-Stunden nachholen. In den Betriebskantinen stünden Fernseher parat, vor denen sich Kollegen dann gemeinsam versammelten – nicht selten mit dem Chef.

Wegen der Zeitverschiebung werden viele WM-Spiele erst gegen 22.00 Uhr deutscher Zeit angepfiffen, einige gar erst Mitternacht. Das erste Deutschland-Spiel findet zwar um 18.00 Uhr statt und ist so relativ unproblematisch. Das zweite startet hingegen um 21 Uhr abends. Sollten Jogis Jungs es ins Halbfinale schaffen, wäre erst um 22.00 Uhr deutscher Zeit Anstoß. Hinzu kommt, dass viele Firmen internationale Mitarbeiter haben, die gerne die Spiele ihrer Heimatländer verfolgen würden.

Gewerkschaftsvertreter hatten deshalb spätere Frühschichten gefordert. „Wenn Spiele spät nachts stattfinden, dann guckt doch, dass ihr eure Arbeitnehmer am nächsten Tag einfach mal eine Stunde oder zwei Stunden später anfangen lasst“, hatte etwa Carsten Burckhardt, Vorstandsmitglied der IG Bau, gefordert.

„Trotz WM steht die Welt nicht still“

Spätere Frühschichten führt Bosch zwar nicht ein. „Oft gibt es aber die Möglichkeit, dass Mitarbeiter eine Schicht mit jemandem tauschen, der vielleicht weniger Fußballinteresse hat“, sagt der Sprecher.

Generell hatten sich Arbeitgeber offen für den Vorschlag gezeigt: „Viele mittelständische Unternehmer sind große Fußball-Fans“, sagte etwa Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft. „Deshalb sollte es gerade bei Klein- und Mittelbetrieben möglich sein, dass Unternehmer und Mitarbeiter flexible Arbeitszeiten vereinbaren.“

So sieht man das aber nicht überall: „Nur weil Fußball-WM ist, steht die Welt ja nicht still“, sagt ein Sprecher des Filterherstellers Mann + Hummel. „Wenn wir für jeden die Extrawurst braten, dann können wir uns aufs Bratwurstbraten konzentrieren, aber nicht darauf, für unsere Kunden Filter zu bauen.“ Wer aber wirklich für den Fußball brenne, könne natürlich in Absprache mit dem Chef seine Schicht tauschen.

Auch beim Autozulieferer Eberspächer brennt man nicht für die Idee. „Wir könnten natürlich sagen, wir hoffen auf ein frühes Ausscheiden der deutschen Mannschaft, aber das stimmt natürlich auch nicht“, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter Heinrich Baumann. Zumindest in den brasilianischen Werken ließen sich Mitarbeiter unbezahlte Pausen aber wohl nicht nehmen, fürchtet Baumann.

Flexibel zeigt sich der Autobauer Daimler: „In der Vergangenheit haben wir es unseren Mitarbeitern in der Regel ermöglicht, die Spiele zu sehen“, sagt eine Sprecherin. Fans hätten dann entweder die Spätschicht früher beenden oder später in die Frühschicht starten dürfen.

Fragt man die Mitarbeiter selbst, schrumpft die Schar der Fans beträchtlich, wie aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für das Magazin Reader’s Digest hervorgeht. Demnach gaben 65 Prozent der Befragten an, die Arbeit gehe eindeutig vor. Sie seien auch nicht bereit, für das TV-Vergnügen unbezahlten Urlaub zu nehmen. (dpa)