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„Garten-Nomaden sind ein Problem“

Bürokratie und Prozesse: Torsten Sittmann vom Verband der Gartenfreunde Riesa über Ärgernisse und Lichtblicke.

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© Lutz Weidler

Von Stefan Lehmann

Herr Sittmann, der Frühling rückt näher, und so langsam zieht auch in die Kleingärten wieder mehr Leben ein. Was wird aus Ihrer Sicht für die Vereine in diesem Jahr wichtig?

Torsten Sittmann ist Vorsitzender des Verbands der Gartenfreunde Riesa, zu dem auch die Sparte Am Heideberg gehört. Im Verband sind auch Vereine aus dem Umland organisiert. Sie profitieren etwa von Fachvorträgen und Hilfe bei Rechtsstreitigkeiten.
Torsten Sittmann ist Vorsitzender des Verbands der Gartenfreunde Riesa, zu dem auch die Sparte Am Heideberg gehört. Im Verband sind auch Vereine aus dem Umland organisiert. Sie profitieren etwa von Fachvorträgen und Hilfe bei Rechtsstreitigkeiten. © Lutz Weidler

Die Verantwortung der Vorstände und der bürokratische Aufwand werden immer größer. Es ist mittlerweile fast unmöglich, einen Verein ehrenamtlich zu leiten. Gleichzeitig sind viele Kleingärtner unzufrieden und schimpfen auf die Vorstände, weil sie Regeln durchsetzen, auf die zur Wendezeit nicht geachtet wurde. Das bleibt nicht ohne Folgen: Es gibt derzeit auch einen Verein, in dem sich kein neuer Vorstand gefunden hat und in dem ich nun als Liquidator eingesetzt bin.

Welchen?

Dazu will ich jetzt noch nichts sagen, es sind vonseiten des Gerichts noch einige Dinge zu klären. Was ich sagen kann: Es handelt sich um einen Verein aus dem ländlichen Raum, nicht aus Riesa.

Wie viel Zeitaufwand steckt denn dahinter?

Mit 260 bis 300 Stunden im Jahr können Sie rechnen, abhängig von der Größe des Vorstands und des Vereins.

Und womit müssen sich denn Ihre Kollegen so herumschlagen?

Gerade haben wir etwa mit der neuen Datenschutzrichtlinie der EU zu tun. Außerdem haben wir viele, viele Rechtsstreitigkeiten, pro Jahr sind es etwa 560. Ich bin also etwa zweimal pro Woche im Gericht.

Um welche Fälle geht es bei diesen Gerichtsverhandlungen?

Meist um Pächter, die nicht gezahlt haben oder verschwunden sind. Ein zunehmendes Problem sind auch Gartennomaden. Das sind Kleingärtner, die von heute auf morgen ihre Parzelle verlassen und nicht mehr zahlen. Meist sind die Gärten auch in enorm schlechtem Zustand. Und die Vereine stehen vor der Schwierigkeit, das wieder in Ordnung zu bringen.

Warum?

Sie müssen den Rechtsweg einhalten. Juristisch gesehen sind die Aufbauten und Anpflanzungen noch Eigentum des Pächters. Es kann passieren, dass die Vereine bis zu zwei Jahre warten müssen, bis sie den Garten wieder in den Urzustand versetzen und verpachten können. So etwas regt mich genauso auf wie die Vorstände und Mitglieder in den Vereinen.

Können sich die Vereine denn nicht dagegen schützen?

Es gibt Kontrollmechanismen, die mittlerweile greifen. Wir haben vor drei Jahren eine Pächterdatenbank eingeführt. Mit deren Hilfe können wir herausfinden, ob es mit einem Pächter schon einmal Probleme gab. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es aber nie.

Das klingt alles eher pessimistisch. Gibt es denn auch Entwicklungen, die Sie zuversichtlich machen?

Ja! Viele Vereine fangen wieder an, mehr Verein zu sein. Es gibt zum Beispiel wieder mehr Vereinsfeste, etwa in Weida, wo drei Vereine demnächst 40 Jahre alt werden. Diese Vereinskultur war mal abgeebbt, nun wird es wieder mehr. Außerdem bringen sich einige Vereinsmitglieder sehr intensiv beim Verband mit ein, indem sie zum Beispiel den Schulgarten für den Hort Regenbogen betreuen, in Gremien mitarbeiten oder Fachvorträge halten.

Im kommenden Jahr findet der Tag der Sachsen statt. Inwiefern bringen sich die Kleingartenvereine dabei ein?

Wir haben vor, eine Kleingärtnermeile gemeinsam mit den Kleingärtnern und dem Landesverband zu gestalten. Geplant sind eine Informationsmeile, eine Probierstrecke, Fachberatungen und eine Bastelecke für die Kinder. Und den Umzug wollen wir ebenfalls mitgestalten. Dafür suchen wir auch noch Kleingärtner, die diese Projekte mit begleiten wollen. Wir können das als Verband nicht allein machen.

Der Kleingartenverein Am Reiter hat mittlerweile einen neuen Vorstand. Wie ist da eigentlich der Kontakt?

Kontakt ist zu viel gesagt. Aber wir versuchen, uns zu finden. Wir möchten auf alle Fälle zu einer der nächsten Konferenzen auch Vertreter vom Reiter einladen. Zumindest einen Austausch sollte es geben, um Probleme wie den Leerstand und Gartennomaden in den Griff zu bekommen. Und vielleicht lässt sich ja auch der Tag der Sachsen gemeinsam gestalten. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn der Vorsitzende vom Reiter auf den Verband zukommt.

Das Gespräch führte Stefan Lehmann.