Das sind die Entschotterer der "Gärten des Grauens"

Gärten des Grauens. So hat der Naturschutzbund Nabu verschotterte Vorgärten genannt. Weil darin nichts wächst und weder Insekten noch Lurche oder kleine Säugetiere Futter finden.
Weil sich die Fläche im Sommer aufheizt und die Wärme auch in der Nacht an die Umgebung abstrahlt. Weil Verkehrslärm und Staub durch fehlende Blätter nicht gedämpft oder gefiltert werden.
Und weil Regen es schwer hat, durch das Vlies unter dem Kiesbett zu versickern. Man könnte sagen: Schottergärten sind künstlich tot gehaltenes, sinnlos versiegeltes Land.

Schottergärten sind weder günstig noch pflegeleicht
„Die Leute möchten das so haben, weil sie denken, sich damit Arbeit oder Kosten zu ersparen. Aber das ist ein Trugschluss.“ Johannes Freigang schüttelt den Kopf. „Totaler Quatsch“, pflichtet ihm Marc-Kevin Richter bei.
Schon die Anlage eines solchen Gartens sei oft wesentlich kostspieliger als gedacht. Allein der Kies kostet je nach Qualität, Körnung und Farbe mehrere Hundert Euro pro Tonne. Mit der Zeit setzten die Steine Moos an und müssten aufwendig gewaschen werden.
Außerdem sei es nervig, Blätter und Nadeln zwischen den oft spitzen Schottersteinen herauszufischen, und die Fläche später, wenn sich Erde und Humus angesammelt haben, unkrautfrei zu halten. „Pflegeleicht ist anders“, sagt Freigang. Schön und naturnah auch.
Freigang und Richter sind Auszubildende und lernen bei der Werner Eyßer Schöne Gärten e.K. im Dresdner Stadtteil Cossebaude – und beide sind Deutsche Meister der Landschaftsgärtner.
Im September haben sie sich während eines zweitägigen Wettbewerbes im Messezentrum Nürnberg gegen die besten Nachwuchsteams der anderen Bundesländer durchgesetzt.
Kein anderes Duo bekam es so gut hin, innerhalb von 15 Zeitstunden einen vier mal vier Meter großen Schottergarten in einen artenreichen Vorgarten mit Holzsitzplatz, Trockenmauer, Beeten und begrünter Pflasterfläche für Fahrräder zu verwandeln.
Vorgarten ist in zwei Tagen wieder grün
Doch, was muss man machen, damit aus einer Schotterwüste wieder ein kleiner Gartentraum wird? Wie groß ist der Aufwand?
„Im Vorgarten hält er sich überschaubar, wenn man gut mit der notwendigen Technik rankommt. Nach zwei Tagen mit zwei Mann ist der Garten grün“, sagt Werner Eyßer und schaut seine Azubis auffordernd an. „Ihr seid dran, ihr wisst es doch“, scheint der Blick zu sagen.
Johannes Freigang schiebt den linken Daumen vor: „Als Erstes muss die versiegelte Fläche geöffnet und Schotter oder Platten mit einem kleinen Bagger weggehoben werden“, sagt er. „Dann muss das Vlies raus, das meist als Unkrautschutz unter dem Schotter liegt“, der Zeigefinger schnippst vor.
„Danach wird der Boden aufgelockert“ – der Mittelfinger zieht nach. War die Fläche versiegelt, Ringfinger, kann es passieren, dass die Erde ausgehoben und gegen Mutterboden ausgetauscht werden muss.
In die gute Erde kommen Staudenpflanzen und Gehölze, ringsum Rindenmulch, der Boden und Grün vor Verdunstung schützt, Unkraut unterdrückt und beim langsamen Zersetzen Nährstoffe abgibt. Kleiner Finger. Auf einen Quadratmeter sollte man etwa 70 Euro für eine dichte Bepflanzung kalkulieren.

„Etwas Besseres als Mulchen kann man seinem Garten gar nicht tun“, sagt Landschaftsgärtnerin Carmen Eyßer. Ihr Mann und sie haben das Unternehmen 1990 gegründet und seither immer Lehrlinge ausgebildet.
Sorge vor einer schlechten Auftragslage wegen Krise und Rezession haben sie nicht. „Dass das Wohnumfeld grüner werden muss, dieser Trend bleibt bestehen. Das haben wir während der Pandemie ganz deutlich gesehen. Die Arbeitswelt fordert den Menschen so sehr, dass er sich im Grünen erholen muss“, sagt Werner Eyßer.
Gelegentlich seien Kunden dabei, die Schotterflächen in ihren Gärten anlegen lassen wollen – weil sie es schön finden, keine Zeit oder Kraft haben, die Flächen zu pflegen. Eyßers ist deutlich anzusehen, was sie von solchen Ideen halten. Viel ist es nicht. Dann zeigen sie Alternativen auf.
Natur bietet klare Formen und kühle Farben als Alternative
„Wir haben Kunden, vor allem Besitzer neuer Häuser, die sich wünschen, dass die Architektur im Garten fortgeführt wird“, sagt Susan Naumann vom Landesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau.
Klar sollten sie aussehen, sauber, exakt strukturiert. Überbordendes Grün würde die Bauhausarchitektur des Hauses stören. Aber auch für Freunde exakter Formen und metallener Farbtöne haben Gartenmärkte etwas zu bieten.
Der Nabu hat dafür eine Übersicht zusammengestellt: Staudenpflanzen wie Elfenbeindistel, Spanischer Salbei, Berglauch oder Woll-Ziest haben gerade Linien und kühle Farben und machen sich gut in trockenen, sonnigen Beeten. Gehölze wie Purpurweide und Besenginster ergänzen das Bild.
Der Nabu hat auch Tipps für alle, die ihren bestehenden Schottergarten naturnäher umgestalten möchten. Er rät zu Kiesgärten nach alpinem Vorbild, in denen die vorhandenen Materialien wiederverwendet werden können. Etwas Humus und feiner Sand hilft Pflanzen wie Adonisröschen, Polster-Dost, Phlox oder Mauerpfeffer beim Anwachsen.
„Was man anpflanzen kann, hängt sehr von Himmelsrichtung und Wasserverfügbarkeit ab“, sagt Marc-Kevin Richter. Bis zum Ende ihrer Ausbildung lernen die angehenden Garten- und Landschaftsbauer etwa 400 Pflanzen, deren Familien und Verwendung kennen.

Staudenbeete machen wenig Arbeit
Das Betriebsgelände zwischen B6 und der Elbe haben Carmen und Werner Eyßer erst vor einigen Jahren gekauft. Früher befand sich hier die Rosenbaumschule von Victor Teschendorff, der in Cossebaude um 1906 eine der größten Überwinterungshallen in Deutschland errichtet hatte.
Die Elbeflut 2002 drückte die Reste der Halle ein. Eyßers erhielten die Wände und legten dazwischen einen abwechslungsreichen Garten mit Rückzugsorten, Schwimmteich, Naturpool und Spielwiese an. „Bis an die Gebäude heran war die Erde mit Platten und Pflastersteinen versiegelt“, sagt Carmen Eyßer.
Und nun? Wiegen Rispenhortensien ihre blassrosa Blüten im Herbstwind, Japanischer Ahorn wirft die letzten roten Blätter. In Spiersträuchern zetern die Spatzen. Auch Seggen, Schlangengras und Heckenmyrthe als Ersatz zum Zünsler-geplagten Buchsbaum hat das Ehepaar in die neu angelegten Grünstreifen rings um die Gebäude gepflanzt.
Die welken Blütenstände lassen sie bis zum Frühjahr stehen. „Was meinen Sie, wie schön das aussieht, wenn sich der Raureif darauf setzt“, sagt Werner Eyßer. Im Mark der Stängel suchen Insekten Schutz vor der Kälte. Und auch die Pflanze selbst profitiert davon, wenn der Gärtner nicht alles pikfein aufräumt: Altes Laub schützt die Wurzel bei Frost.

Der Pflegeaufwand der ehemals versiegelten Fläche ist durch die Anlage der Staudenbeete sehr überschaubar. Zweimal im Jahr gehen Eyßers oder ihre Azubis mit der Hacke durch die Beete, im Frühling schneiden sie die Gräser und alten Blütenstände zurück. Bewässert wird nur, was neu gepflanzt wurde oder wenn lange Trockenphasen dem Boden zu stark zusetzen.
Leipzig will Schottergärten verbieten
Wie sehr sich eine versiegelte Fläche im Vergleich zu einer Bepflanzten aufheizt, spüren die Landschaftsgärtner auf dem eigenen Grundstück innerhalb weniger Meter. Gehen sie an Sommerabenden vom Garten über den gepflasterten Hof zum Haus, mache das einen Temperaturunterschied von drei bis vier Grad Celsius aus, so Eyßer.
In Städten kann sich das ganz schnell potenzieren. Nicht zuletzt deshalb will Leipzig jetzt rigoros gegen Schottergärten vorgehen und sie in einer neuen Begrünungssatzung künftig verbieten. Pro 150 Quadratmeter Garten sollen dort dann mindestens ein Laubbaum gepflanzt und neue Tiefgaragendächer begrünt werden.
In Vorgärten dürfen maximal zehn Prozent der Freiflächen mit Schotter oder Kies bedeckt sein. Leipzigs grüner Baubürgermeister Thomas Dienberg sagte, der Sommer habe wieder gezeigt, dass die Kühlung durch Parks in vielen Stadtteilen nicht ausreiche. Eigentümer und Investoren sollten nun ihren Teil zu „Kühlinseln in den Quartieren“ beitragen.
Sachsenweit gibt es dazu keine klare Regelung, aber auch in städtischen Gremien in Dresden und Chemnitz wird über das Thema diskutiert.
Trotz der ganzen Lernerei ist Landschaftsbau Freigangs „Traumberuf von Anfang an. Ich bin den ganzen Tag draußen und habe sehr vielfältige Aufgaben.“ Richter, der schon seit der ersten Klasse Landschaftsgärtner werden wollte, sagt: „Das Beste ist, dass man am Ende des Tages sieht, was man gemacht hat.“
Auf den Titel sind sie stolz. Wer wird schon Deutscher Meister? Aber darauf ruhen sie sich nicht aus. Im Juni 2023 werden sie ihre Ausbildung abschließen. Danach wollen sie zwei Jahre in ihrem Lehrbetrieb arbeiten. Und danach? „Hier unseren Meister machen“, sagen sie, die beiden besten Landschaftsbau-Azubis Deutschlands. (mit dpa)