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So wird Ihr Garten zum Lieblingsort für Vögel

Biologin Elke Schwarzer gärtnert tiernah – und erklärt, welcher Vogel auf welche Pflanze steht – und was selbst auf dem Balkon geht.

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Ein Blättchen Melisse lässt das Nest duften, weiß die Blaumeise.
Ein Blättchen Melisse lässt das Nest duften, weiß die Blaumeise. © Art Wittingen/Shutterstock.com (Blaumeise), Peter

Seit die Sonnenstrahlen wieder an Kraft gewinnen, singen die Meisenmännchen, als ginge es ums Leben. Rotschwänzchen, Drossel, Zilpzalp tun es ihnen gleich. Das Getschilpe, Gezwitscher und Geschnarre wärmt das Herz, wie die Sonne die Haut. Es ist Frühling. Das Leben blüht auf.

Im Garten von Elke Schwarzer gibt es das ganze Jahr über Vogelgesang. Die Biologin weiß genau, womit sie den Tieren das Leben erleichtern kann – und welche Pflanzen ihnen Leckereien bieten. „Meise mag Melisse“ heißt ihr neues Buch.

Frau Schwarzer, warum mag die Meise denn Melisse? Wozu braucht sie sie?

Darüber hat man lange gerätselt. Gepflückt werden die Blätter nur von den Weibchen. Daher haben Forscher die Theorie, dass Kräuter, wie Melisse, Salbei und andere Aromapflanzen, der Nesthygiene dienen. Sie strömen auch im Nest liegend ätherische Öle aus. Viele Parasiten, wie Flöhe und Milben, werden dadurch abgeschreckt und verwirrt. Ich habe das Sammeln selber auch schon gesehen. Da zuppelte die Blaumeise an der Goldgarbe und am Salbei herum.

Gibt es weitere Vögel, die Pflanzen nicht nur zum Fressen oder den Nestbau nutzen?

Ja, beim Star ist auch eine Verhaltensweise beobachtet und erforscht worden. Das Männchen pflückt Blumen für das Weibchen – aber nur, wenn sie auch hinguckt. Er sagt damit: Schau mal, ich hab dir Blumen gepflückt und bin ein ganz toller Kerl. Das ist reines Imponier- und Balzverhalten, das nichts mit Nesthygiene zu tun hat.

Auf welche Blumen stehen die Stardamen denn?

Ich habe im Park beobachtet, dass der Star Gänseblümchen pflückt. Berichtet worden ist aber auch von Wiesenkerbel, Wilder Möhre und Gundermann. Da gehen viele Kräuter.

Früher gab es häufig Blaumeisen, aber ein Virus hat viele dahingerafft. Was kann man ihnen Gutes tun – abgesehen vom üppigen Kräuterbeet?

Die Meisen freuen sich über geeignete Nistkästen. Sie brauchen einen Lochdurchmesser von 26 bis 28 Millimetern. Alle Kästen mit größeren Löchern wird sich die Kohlmeise unter den Nagel reißen. Die zarte Blaumeise kommt dagegen nicht zum Zuge. Über Vogelfutter freut sie sich auch. Blaumeisen sind sehr neugierig und finden alles sofort. Im Sommer kann man versuchen, Mehlwürmer zu füttern. Die gibt es lebendig. Die Deutsche Wildvogelhilfe empfiehlt sogar, die Würmer selber aufzuziehen. Dann weiß man, womit sie gefüttert wurden.

Da muss die Liebe zur Blaumeise schon sehr groß sein.

Das ist nicht jedermanns Sache. Aber Sonnenblumenkerne gehen immer, denn die Altvögel haben viel Stress mit der Versorgung der Jungen. Es ist gut, wenn sie für sich selber nicht auch noch die Insekten heranschaffen müssen.

Es ist umstritten, Vögel zu füttern, wenn sie sich selber versorgen könnten.

Sicher, aber die Ganzjahresfütterung ist wichtig, weil die Vögel kaum noch Insekten finden. Die letzten Brachflächen verschwinden. Alles wird immer enger zugebaut, Kleingärten werden Baugebieten geopfert. Viele verschottern ihre Vorgärten, weil sie keine Lust mehr auf Gartenarbeit haben. Dadurch geraten die Vögel immer mehr in Bedrängnis. Selbst die häufigsten Vögel könnten wir in der Stadt nicht halten, wenn wir ihnen nicht helfen. Auch in der freien Landschaft verschwinden immer mehr Hecken, und es werden Pestizide eingesetzt. Das sind verheerende Entwicklungen für die Artenvielfalt.

Das ist vielen bewusst, und sie wollen dagegen etwas tun. Welche Maßnahmen sind im eigenen Garten effektiv?

Es ist wichtig, keine Pestizide zu nutzen, wenig gefüllte Blütenpflanzen anzupflanzen und Blattläuse zu tolerieren. Das sind die ersten Dinge, die man tun kann. Egal, an welcher Pflanze sie sind, Blattläuse sind für Nützlinge und für Vögel ein gutes Fressen. Bei Pflanzen ist es wichtig, dass man einige heimische Sträucher pflanzt, an denen die Vögel Raupen finden und sich Schmetterlinge daran entwickeln.

Welche empfehlen Sie?

Zum Beispiel Stachelbeere oder Johannisbeere. Die mag der C-Falter. Auch Haselsträucher, Liguster, Weiden, Wildrosen sind geeignet. Und Obstbäume. Daran gibt es Frostspanner, das finden Vögel prima.

Warum sind ungefüllte Blüten besser?

Weil in gefüllten oft Pollen und Nektar fehlen. Die Pflanzen machen eine große Show und locken die Insekten an. Die puhlen sich durch die Blüten, finden aber nichts – und verschwenden Kraft und Zeit. Man darf sich natürlich auch gern eine gefüllte Rose gönnen, wenn man sie möchte und sonst genug insektenfreundliche Pflanzen im Garten hat.

Welche Blumen lohnen sich für Insekten besonders?

Die Bestäuber mögen vor allem Glockenblumen. Darauf haben sich viele interessante Wildbienenarten spezialisiert. Gut sind Korbblütler, wie Schafgarbe, Färberkamille oder Sonnenbraut, und im Frühjahr ohnehin alles, was blüht, besonders aber Lungenkraut, Goldlack und die Frühlingsplatterbse. Spezielle Pflanzen locken bestimmte Wildbienen an. Das Herzgespann oder der Woll-Ziest zum Beispiel die Wollbiene. Woll-Ziest ist eine kuschelweiche Pflanze, ein Lippenblütler mit kleinen rosa Blüten. Die sitzen an einem wollig behaarten Stängel mit grau behaarten Blättchen. Die Wollbiene findet darauf Wolle als Nistmaterial und besucht die Blüten auch gern. Im Sommer sind alle anderen Platterbsenarten sehr gut, die Wicke zum Beispiel ist ganz prima für die Platterbsenmörtelbiene und die Holzbiene.

Elke Schwarzer ist Diplom-Biologin und Buchautorin. Sie arbeitet als Softwareentwicklerin. Über die Erlebnisse in ihrem Reihenhausgarten bloggt sie regelmäßig auf www.guenstiggaertnern.blogspot.de Schwarzer lebt in Gelsenkirchen und ist 48 Jahre alt.
Elke Schwarzer ist Diplom-Biologin und Buchautorin. Sie arbeitet als Softwareentwicklerin. Über die Erlebnisse in ihrem Reihenhausgarten bloggt sie regelmäßig auf www.guenstiggaertnern.blogspot.de Schwarzer lebt in Gelsenkirchen und ist 48 Jahre alt. © Benjamin Prins

Sie haben ein Reihenhaus mit kleinem Garten. Worauf haben Sie geachtet, als sie den angelegt haben?

Ich bin ein Fan von Wildrosen. Da haben die Wildbienen schöne, ungefüllte Blüten und die Vögel danach Hagebutten. Ich habe auch viele heimische Stauden gesetzt, aber auch Russel-Brandkraut und den Rauling gepflanzt, die gut für Hummeln beziehungsweise Pelzbienen sind. Und dazu viele klassische Bauerngartenstauden.

Das klingt so, als wäre Ihr Ziel gewesen, dass möglichst viel Leben stattfindet.

Ja, ich bin da egoistisch und beobachte die Insekten und Vögel gern. Deshalb versuche ich, sie gut zu versorgen, auch mit Nistmöglichkeiten. Ich habe viele Insektenhotelvarianten, ein Tonbienenhotel, hohle Bambusstängel gebündelt. Im Rasen dürfen die Sandbienen graben. Viele kommen schon mit schütteren Rasenflächen klar. Die bilden sich, wenn man nicht zu viel Mineraldünger verwendet und den Rasen ein bisschen lückig wachsen lässt. Mineraldünger sollte man am besten gar nicht benutzen. Er geht schnell in das Grundwasser und tötet nützliche Bodenorganismen.

Welche Vogelarten fühlen sich in Ihrem Garten denn wohl?

Spatzen, Rotkehlchen, Heckenbraunelle, Zaunkönig, Kohl- und Blaumeise sehe ich oft. Manchmal kommen die Stieglitze. Im Winter waren viele Erlenzeisige da, selten kam der Kernbeißer. Gimpel, Grünling, Eichelhäher, Buntspecht, Ringeltauben, Elstern, Buchfinken lassen sich hier auch häufiger beobachten. Manchmal die Sumpfmeise und der Kleiber, aber die kommen nicht jeden Tag.

Da ist ja was los bei Ihnen! In den Städten haben viele Balkonbesitzer Futterhäuschen aufgehängt. Könnten auch sie Vögel mit Pflanzen anlocken?

Ja, da gibt es viele Einjährige, die man im Balkonkasten probieren kann. Die Stieglitze zum Beispiel mögen Korbblütler, aus denen sie die Samen herauspicken können: Sonnenblumen, Astern, Zinnien, Kornblumen und Cosmeen. Der Gimpel holt sich Vergissmeinnichtsamen und Winterportulak. Die Grünlinge mögen Borretsch und den Wegerichblättrigen Natternkopf im Balkonkasten. Bei zweijährigen Pflanzen lohnt sich der Gewöhnliche Natternkopf, die Wilde Karde oder Disteln. Da gibt es ganz schicke, zum Beispiel die zweijährige Nickende Distel. Spatzen fressen sich auch gern durch die Töpfe, wenn darin Tagetes, Lavendel oder Blauraute Samen ausbilden.

Das Gespräch führte: Susanne Plecher

Elke Schwarzer: „Meise mag Melisse. Mit den richtigen Pflanzen Lebensräume schaffen für Insekten, Vögel & Co.“ Ulmer-Verlag, 127 Seiten, 16,95 Euro.

www.guenstiggaertnern.blogspot.de