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Grüne Städte: Möglichkeiten für mehr Natur

Immer stärker geraten unsere Großstädte unter Druck: Trotz steigender Einwohnerzahlen, beengtem Lebensraum und schlechtem Klima müssen sie irgendwie lebenswert bleiben.

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Nachhaltige Konzepte für mehr Stadtgrün sind deshalb gefragt. Verschiedene Initiativen und die Politik treiben den Wandel voran. Auch in Sachsen gibt es zunehmend smarte Lösungen.

Zwar ist in letzter Zeit öfter von einer gewissen „Landflucht“ die Rede. Diese Bewegung scheint aber noch nicht stark genug zu sein, als dass sie den Städten auf absehbare Zeit nennenswerte Erleichterungen bringen würde. So werden, einer umfangreichen Studie der Vereinten Nationen zufolge, bis 2050 über 66 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben, während es etwa 2015 erst gut die Hälfte war. In Europa und Deutschland ist demnach der Trend sogar noch extremer. Hier soll der Anteil der Stadtbewohner 2050 jeweils bei etwa 85 Prozent liegen. Schon jetzt befindet er sich bei rund 75 Prozent.

Klar ist, dass mit der anhaltenden Urbanisierung die Lebensumstände in den Städten zunehmend gereizter werden. Der Lebensraum wird durch dichtere Bebauung immer enger und die Luft schlechter. Zudem lassen gerade im Sommer die steigenden Temperaturen die Stadtbevölkerung mehr schwitzen. Die Stadtverwaltungen müssen also gegensteuern, um das Lebensumfeld der Menschen möglichst angenehm und gesund zu halten.

Dabei ist vor allem mehr Grün in den Städten und um sie herum gefragt. Mehr Natur in der Stadtumgebung erhöht die Lebensqualität aber nicht nur, indem sie die Luft reinigt oder Umwelteinflüsse wie Hitzewellen und Starkregen abmildert. Stadtgrün sorgt zudem für einen erhöhten Freizeitwert, da es Bewegung und Entspannung erleichtert, die Städte schon alleine optisch attraktiver macht und Lärm mindert. All das zahlt wiederum auf die Gesundheit der Menschen ein.

Vielfältige Möglichkeiten der Begrünung

Natürlich stellt sich der Lokalpolitik, aber auch Unternehmen, Verbänden und Bürgern bei der Stadtplanung die Frage, wo sie am besten ansetzen, um mehr Natur in die Stadt zu holen. Sowohl kurz- als auch langfristig bieten sich aber genug Möglichkeiten, wie zum Beispiel:

  • Grünstreifen an Straßen, Wegen und Schienenstrecken
  • Kleingärten und Parkflächen
  • Gebäudebegrünung auf Dächern und Fassaden
  • Neubauten oder Restrukturierungen von Wohn- oder Industriegebieten
  • Uferbereiche von Flüssen, Bächen und Seen
  • Freizeitanlagen wie Spiel- oder Sportplätze
  • Naturschutzgebiete, Brachflächen und Landwirtschaft

Naturflächen intelligent planen

Letztlich ist bei allen Grünprojekten nicht nur eine langfristige, sondern auch eine gut durchdachte, abgesicherte Planung zu beachten. Grundsätzlich müssen die Städte erst einmal klären, welches Budget sie überhaupt für nachhaltige Projekte künftig zur Verfügung haben. Ist die Finanzierungsfrage geregelt, sollte vor einem Projektbeginn eine fundierte Evaluation stattfinden.

Eine qualitative Befragung von Bürgern, Wirtschaft und Verbänden zum Nutzen eines Grünflächenprojekts ist dabei ebenso nötig wie eine quantitative Messung oder Erhebung zum Erreichen der erhofften Ziele. Ökologische und soziale Auswirkungen müssen bedacht und die konkreten Gestaltungsformen des Projekts angepasst werden.

Probleme bei der Ausgestaltung bedenken

Nicht automatisch wirkt sich jeder Begrünungsversuch der Stadt positiv aus. So kann es beispielsweise Konflikte in der Bevölkerung bezüglich der Nutzbarkeit einer Grünfläche geben:

  • Ist sie für die Öffentlichkeit frei zugänglich oder gehört sie zu einem Betriebsgelände und bleibt angeschlossenen Firmen vorbehalten?
  • Liegt sie gut erreichbar oder ist die Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel, Fahrradwege oder Straßen mangelhaft? Ist sie zu starker Beanspruchung ausgesetzt, weil es kaum andere Naturformen in der Nähe gibt, wodurch die Grünfläche abgenutzt wird?

All diese Fragen müssen geklärt werden, wirken sie sich doch unmittelbar auf die Akzeptanz bei den Bürgern aus.

Auch Spiel- oder Sportplätze können zur Begrünung genutzt werden.
Auch Spiel- oder Sportplätze können zur Begrünung genutzt werden. © stock.adobe.com VOJTa Herout #67191445

Zusätzlich können manche Grünflächen auch eine Art Gentrifizierung hervorrufen, wenn für ihre Anlage sozial schwächere Menschen umziehen müssen oder ihnen die Wohngegend durch die Aufwertung zu teuer wird. Auch die Sicherheit spielt eine Rolle: Ist die Grünfläche einer Gefahr von Vandalismus ausgesetzt? Sind ausreichend Absperrungen, Beschilderungen und Mülleimer vorhanden? Wie kann eine regelmäßige Pflege gewährleistet werden – nur durch öffentliche Dienste oder auch durch Bürgerbeteiligung?

Nicht zuletzt kann es bei der Ausgestaltung einer Grünfläche auch an Biodiversität mangeln: Werden von der Stadt überall dieselben Bäume und Pflanzen verwendet oder lassen sich unterschiedliche Arten verwenden, die zu den jeweiligen Bedingungen der konkreten Orte passen? Je unterschiedlicher die Begrünung ausfällt, umso höher ist auch die Vielfalt unter den Tieren, die diese als Lebensraum anzieht.

Bäume als wichtige Grundpfeiler nutzen

Laut einer Berechnung des Bundes deutscher Baumschulen fehlen in den Städten der Republik derzeit etwa eine halbe Million Bäume. Dabei sind gerade diese das wohl wichtigste Element einer gelungenen Stadtbegrünung. Schließlich filtern sie den Feinstaub aus der Luft, sorgen für ausreichend Sauerstoff und können die Temperatur in einer Stadt durchaus um ein paar Grad herunterkühlen. Allerdings ist ihre Anpflanzung durch zu viel Beton und versiegelte Straßen oftmals schwierig, da sie eine große Grube mit ausreichendem, durchwurzelbarem Raum zum Wachsen brauchen.

Außerdem muss bei der Standortwahl die Kronengröße des ausgewachsenen Baumes bedacht werden. Hat die Baumkrone zu große Ausmaße, wirft sie zu viel Schatten auf die Straßen und umliegenden Häuser und es wird zu dunkel für die Menschen dort. Umgekehrt kann es aber durch zu hohe Bauwerke zu dunkel für den Baum selbst werden, sodass er durch fehlendes Sonnenlicht nicht vernünftig wachsen und leben kann. Bei der Planung einer Bepflanzung mit Bäumen im urbanen Raum sind also bereits fachliche sowie gesetzliche Vorgaben zu berücksichtigen – von der Standort- über die Sortenwahl und der Organisation der späteren Pflege.

Wirtschaftliche Vorteile durch mehr Grün

Nicht nur den Menschen hilft es, Natur in die Stadt zu holen, sondern auch der Wirtschaft. Deshalb sollte sie, wie bereits erwähnt, in Entscheidungen zur Begrünung mit einbezogen werden. Auf Unternehmensseite gilt: Je lebenswerter eine Stadt für ihre Bewohner ist, desto attraktiver ist sie auch für Firmen bei der Standortauswahl. Immerhin wirkt es sich einerseits positiv auf die Motivation der Beschäftigten aus, wenn sie in einer schönen Stadt leben und arbeiten.

Andererseits zieht eine grüne Stadt ohnehin mehr Menschen an und es ergibt sich für Firmen ein größerer Pool an potenziellen neuen Mitarbeitern vor Ort. Überdies kann es das Ansehen eines Unternehmens steigern, wenn dieses sich bei seinem Standort bewusst für eine grüne Stadt entscheidet und damit indirekt der Ökologie einen gewissen Stellenwert einräumt.

Abseits der Vorteile für Unternehmen profitieren auch Haus- und Wohnungsbesitzer in grünen Städten von der Natur vor der Haustür. Ihre Grundstücke und Immobilien sind gefragter, weil ihre Stadt beliebter ist. Eine Wertsteigerung des Besitzes geht damit vielfach einher.

Zuletzt kann auch die Stadtverwaltung ökonomische Vorteile verbuchen, wenn sie auf mehr grüne Elemente setzt. So spülen die zusätzlichen Unternehmensansiedlungen über die Gewerbe- und Grundsteuern Geld in die Kassen der Kommunen. Außerdem entlasten Grünflächen etwa bei Starkregen die Kanalisationen, die sonst durch Überschwemmungen Schäden nehmen, welche kostenintensiv behoben werden müssten.

Bäume haben bei Grünprojekten in Städten die zentrale Bedeutung.
Bäume haben bei Grünprojekten in Städten die zentrale Bedeutung. © stock.adobe.com zhu difeng #79952188

Sachsen geht grün voran

Der Ausbau von Grünelementen in sächsischen Städten ist bereits in vollem Gange und in mehreren Kommunen gehen die Stadtverantwortlichen oder auch Bürger mit guten Beispielen voran. So hat es sich eine spezialisierte Bürgerinitiative in Bautzen zum Ziel gesetzt, die Straßenränder ihrer Stadt verstärkt zu begrünen. In Weißwasser initiieren die Stadtwerke jährlich eine Maßnahme zur Verschönerung des Stadtbildes. 2020 war das beispielsweise eine Schmetterlingswiese auf dem Gelände eines ehemaligen Klärwerkes. In Radebeul setzt der Oberbürgermeister auf einen Mix aus Arbeiten und Wohnen im Grünen. Und in Freital beinhaltet ein interdisziplinäres Konzept zur Stadtentwicklung bis 2030 ein Naturschutzprojekt zur Anpassung der städtischen Natur an den Klimawandel.

Stiftungen und EU unterstützen Städte

Auf ihrem Weg hin zu mehr Grünflächen sind die Städte nicht auf sich allein gestellt. Sie können sich Expertise, Beratung und finanzielle Förderung von Stiftungen und Politik zunutze machen. So gibt es Stiftungen wie „Die grüne Stadt“, die von mehreren Organisationen getragen wird und über Workshops oder Symposien Unterstützung beim Umsetzen grüner Projekte gibt und deren Verantwortliche in Europa vernetzt.

Die Initiative „Grün in die Stadt“ wird vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. getragen und hilft vor allem kommunalen Entscheidern, die passenden Förderprogramme für ihre Stadt zu finden. Auch das Bundesamt für Naturschutz stellt den Kommunen Handlungsempfehlungen und Leitfäden für grüne Stadtbauprojekte zur Verfügung.

Finanzielle Unterstützung können Kommunen derzeit vor allem von der Europäischen Union erhalten. Während das Bundesinnenministerium sein 2017 eingeführtes Förderprogramm „Zukunft Stadtgrün“ bereits 2019 wieder hat auslaufen lassen, gilt das „LIFE“-Projekt der EU weiterhin. Es befasst sich allgemein mit Umwelt-, Naturschutz- und Klimaprojekten in Europa. Über thematisch geordnete lokale Kontaktstellen können dabei auch Städte im Rahmen konkreter Unterprogramme Fördermittel bei bestimmten grünen Projekten vor Ort beantragen.

Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit dem externen Redakteur Val. Krie.