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Der Böhmische Rosenapfel kehrt nach Sachsen zurück

Viele Menschen haben keine Lust mehr auf das immer gleiche Schauobst. Nun soll es eine alte regionale Apfelsorte wieder geben – für den Garten.

Von Katrin Saft
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Märchenhaft rot, säuerlich-süß im Geschmack: Böhmische Rosenäpfel.
Märchenhaft rot, säuerlich-süß im Geschmack: Böhmische Rosenäpfel. © Hans Joachim Barnier

In Neusorge kennt jeder jeden. Doch die meisten Sachsen dürften noch nie von dem Ortsteil im oberlausitzer Rothenburg gehört haben. Jetzt kommt das ehemalige Straßendorf an der polnischen Grenze zu unverhoffter Berühmtheit. Denn in Neusorge stand ein uralter Apfelbaum, der tiefrote Früchte trug – Böhmische Rosenäpfel. „Es war der einzige Baum dieser regionalen Sorte, den wir in Sachsen kennen“, sagt Grit Striese. Sie ist Sprecherin der sächsischen Pomologen, einem Verein von Obstkundlern, die sich um den Erhalt vom Aussterben bedrohter Sorten einsetzen.

Seltene Liebhabersorte

Nun ist der Böhmische Rosenapfelbaum von Neusorge tot und gefällt. Doch die säuerlich-süßen Äpfel sollen bald wieder vielerorts in Sachsen zu genießen sein. Möglich ist das, weil Vereinsmitglied Klaus Schwartz vor einigen Jahren Reiser von dem absterbenden Baum erhalten und in seiner Baumschule vermehrt hat. Am Sonnabend wollen die Pomologen den Böhmischen Rosenapfel zur neuen Sächsischen Obstsorte des Jahres krönen. Ihr Ziel: die Sorte damit wieder bekannt zu machen und zum Nachpflanzen zu animieren.

In Neusorge in der Oberlausitz steht ein neu gepflanzter Böhmischer Rosenapfel-Baum.
In Neusorge in der Oberlausitz steht ein neu gepflanzter Böhmischer Rosenapfel-Baum. © Grit Striese

Vorausgegangen ist eine lange Recherche. „Der Böhmische Rosenapfel wuchs bereits vor 1800 in Böhmen“, sagt Pomologe Ralf Frenzel. „In Sachsen wurde die Sorte ab 1819 von der Königlichen Baumschule im Großen Garten in Dresden verbreitet, später, um 1870, auch von einer Baumschule in Muskau.“ Trotzdem habe sie im 19. und 20. Jahrhundert keine Bedeutung im Anbau erlangt, sondern sei eine seltene Liebhabersorte geblieben. „Das mag daran liegen, dass sie zeitig austreibt und damit als relativ frostempfindlich gilt“, sagt Grit Striese. Die Äpfel seien dadurch aber schon Ende August genussreif und etwa einen Monat haltbar.

Mehr Vielfalt im Geschmack

Vor allem in den Elbauen mit ihrem gemäßigten Klima sehen die Pomologen geeignete Standorte, um den Böhmischen Rosenapfel wieder anzupflanzen. Die 300 Reiser von Klaus Schwarz sind nun in neun verschiedenen Baumschulen in Sachsen erhältlich. „Alte Obstsorten wie diese gehören ebenso zu unseren Kulturgütern wie historische Bauwerke, Lieder und Bräuche“, sagt Grit Striese. Zwar gibt es Tausende Apfelsorten. Doch in den Läden finden sich bestenfalls fünf bis zehn. Sie wurden so gezüchtet, dass sie perfekt aussehen, sich gut transportieren und lagern lassen, beim Aufschneiden nicht braun werden und möglichst süß schmecken. „Indem wir alte Obstsorten wieder nutzen, erhalten wir eine Vielfalt in Farbe, Formen und vor allem im Geschmack“, so Striese.

Der Böhmische Rosenapfel gilt – abgesehen vom Frost – als relativ robust und stellt keine überhöhten Ansprüche an Boden und Wasserversorgung. „Der Baum bildet breitkugelige Kronen und muss nach dem Erziehungsschnitt nur gelegentlich ausgelichtet werden“, so Ralf Frenzel.

Hoffnung auf Hinweise

Bereits seit 2016 wählen Sachsens Pomologen eine Obstsorte des Jahres. Dass es bislang mit Ausnahme einer Birnen- alles Apfelsorten sind, hat mehrere Gründe. „Bei den Äpfeln gibt es noch besser gesicherte Sortenbeschreibungen“, sagt Striese. Die Birnenvielfalt habe schon vor 200 Jahren ihren Höhepunkt erreicht und mit dem Rübenzucker an Bedeutung verloren. Denn früher wurden Birnen zum Süßen genutzt. Nach so langer Zeit sei eine zweifelsfreie Sortenbestimmung nicht ganz einfach.

Die nächste Herausforderung besteht dann darin, ausreichend gesundes Nachzuchtmaterial zu gewinnen. Die Idee, auf diese Weise alte Sorten zu retten, geht laut Striese auf. „Allein vom Safranapfel, der Sorte des Jahres 2017, wurden etwa 1.000 Jungbäumchen verkauft. Im Nachgang melden sich bei uns oft Menschen, die auch noch gefährdete Sorten im Garten haben, nur ihren Namen gar nicht mehr kennen“, sagt sie. Insofern hoffe man, vielleicht auch noch weitere Bäume mit Böhmischen Rosenäpfeln in Sachsen zu finden.

Viele junge Interessenten

Besonders freut die Pomologen, dass zunehmend junge Menschen die alten Obstsorten wiederentdecken. „Viele haben keine Lust mehr auf das Schauobst aus der Kühlung, das immer gleich schmeckt und oft gespritzt ist“, so Striese. „Sie kommen zu uns, weil sie ein Grundstück gekauft, gepachtet oder geerbt haben und lernen wollen, wie man natürlich damit umgeht.“

Inzwischen zählt die Landesgruppe der Pomologen fast 100 Mitglieder – vor allem aus Dresden, der Lausitz und dem Vogtland. Wenn am 20. August in Königstein bei einem offiziellen Akt ein Böhmischer Rosenapfel neu gepflanzt wird, ist das für sie Lohn für engagierte ehrenamtliche Arbeit. Auch in Neusorge haben sie den Altbaum schon durch ein junges Bäumchen ersetzt. Es wird hoffentlich bald die fast verloren gegangenen roten Äpfel tragen.