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Gasthof der Riesenschnitzel

Seit 37 Jahren sind Birgitt und Bernd Paul die Gastwirte des „Merkur“. Der ist zu Himmelfahrt eine Pilgerstätte.

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Gastwirt und Koch Bernd Paul liebt die Musik und die Mongolei. Von seiner letzten Reise in das asiatische Land hat er sich eine mongolische Pferdekopfgeige mitgebracht. Fotos (3): André Braun
Gastwirt und Koch Bernd Paul liebt die Musik und die Mongolei. Von seiner letzten Reise in das asiatische Land hat er sich eine mongolische Pferdekopfgeige mitgebracht. Fotos (3): André Braun © André Braun

Von Dagmar Doms-Berger

Wanderern im Burgenland kann es durchaus passieren, dass ihre Durststrecke länger ausfällt als erwartet, weil das eine oder andere Landgasthaus seine Türen schließen musste. Wanderer im Zschopautal, die von Limmritz her kommend Richtung Hartha laufen, haben Glück. Auf der Strecke liegt in 278 Metern Höhe die Gaststätte und Pension „Merkur“ unweit des Bahnhofes Steina.

Alljährlich am Himmelfahrtstag verwandelt sich der „Merkur“ in einen Pilgerort. Wanderer, Radfahrer und motorisierte Ausflügler steuern den „Merkur" an. Am Männertag spielt die Small Town Big Band Döbeln und dann ist auch Gastwirt Bernd Paul in seinem Element. 

Die Musiker hat er schon seit etlichen Jahren für den Feiertag gebucht. Bei Swing geht ihm das Herz auf. Er bedauert es immer ein wenig, dass er nicht mitfeiern kann. „Ich muss ja fürs Essen sorgen, ich stehe in der Küche“, sagt er lachend. „Wenn ich das Küchenfenster öffne, höre ich aber ein paar Töne.“

Der Gastwirt spielt selbst Schlagzeug, früher auch für die Gäste, heute für sich selbst – aber ganz selten. „Ich mag die Musik und die Band“, sagt er. Bis zu 400 Gäste treffen sich am Himmelfahrtstag am „Merkur“. Da bleibt dem Koch keine Minute zum Durchatmen. Da brummt das Geschäft.

Seit 37 Jahren bewirtschaften Bernd und Birgitt Paul den Gasthof „Merkur“. „Es gibt Leute, die haben bei uns ihre Jugendweihe, Hochzeit und Silberhochzeit gefeiert, so der Gastwirt. „Also muss es ihnen ja gefallen und vor allem geschmeckt haben, sonst wären sie nicht immer wieder gekommen.“ 

Kurz nach der Wende allerdings wurde es dem sympathischen Gastwirt himmelangst. „Die Gäste wollten anders essen: Italienisch und Griechisch, aber keine Hausmannskost“, erinnert er sich. Das hat sich inzwischen geändert. Viele sind wiedergekommen und wissen die gutbürgerliche und sächsische Küche zu schätzen. „Immer wieder lecker“, meinen viele Gäste. Besonders beliebt ist das riesige gefüllte Schnitzel.

Monate vorher ausgebucht

An den Wochentagen geht es in den letzten Jahren eher ruhig zu im „Merkur“. Das Hauptgeschäft machen die Gastwirte mit Familien-, Vereins- und Rentnerfeiern. Bei Familienfeiern nutzen die Gäste auch gern die Pensionszimmer als Übernachtung. „Für die Weihnachtsfeiertage waren wir Monate vorher ausgebucht“, sagt Bernd Paul. 

Die großen Feierlichkeiten haben sie inzwischen auf 50 Personen begrenzt. „Manche Gäste können dies nicht verstehen. Aber meine Frau und ich erledigen alles allein und langsam macht sich eben das Alter bemerkbar, es geht nicht mehr so wie mit 30.“ Bernd und Birgitt Paul sind 71 und 66 Jahre. 

Solange es geht, will das Ehepaar weitermachen. Ursprünglich sollte ihr Sohn den Gasthof einmal übernehmen. Aus Krankheitsgründen wird dies jedoch nicht möglich sein. Montag und Dienstag seien offiziell als Ruhetage ausgeschrieben, geschlossene Gesellschaften könnten aber auch an diesen Tagen kommen. Und zu tun gebe es ja immer in so einem großen Haus, sagt Birgitt Paul. Auch, wenn keine Gäste da sind.

Die Gaststätte und Pension „Merkur“ liegt direkt neben dem Bahnhof Steina. Foto: André Braun
Die Gaststätte und Pension „Merkur“ liegt direkt neben dem Bahnhof Steina. Foto: André Braun
Im Gastraum sind zahllose Krüge, aber auch Holzskulpturen und Landschaftsmalereien zu finden. Foto: André Braun
Im Gastraum sind zahllose Krüge, aber auch Holzskulpturen und Landschaftsmalereien zu finden. Foto: André Braun
Der „Merkur“ ist auch für Wanderer ein beliebter Ort zur Einkehr. Foto: Dietmar Thomas
Der „Merkur“ ist auch für Wanderer ein beliebter Ort zur Einkehr. Foto: Dietmar Thomas

Der Gastraum erzählt Geschichte. Die Regale geben einen Überblick über fast vier Jahrzehnte Sammelleidenschaft und Dekorationsideen des Wirtsehepaares. Hier hat Birgitt Paul Kaffeekannen und zahllose Krüge gesammelt. Hier stehen Holzskulpturen, hängen regionale Landschaftsmalereien des Gersdorfer Malers Hans-Jürgen Reibetanz nicht weit entfernt von den Fotos der Hochzeitspaare, die ihre Hochzeit im Merkur gefeiert haben.

„Das sind längst nicht alle“, sagt Bernd Paul. „Es waren viel, viel mehr.“ Sämtliche Accessoires fügen sich zu einem bunten und originellen Gesamtbild. Eine Deko erscheint auf den ersten Blick fremd: ein exotisches Wandbild mit einem Mongolenkopf. Die Mongolei ist neben der Kochkunst und der Musik eine weitere Leidenschaft von Bernd Paul.

Ihn faszinieren die Landschaft und die freundlichen Menschen. Nach der Ausbildung 1966 verbrachte Bernd Paul neun Monate in dem asiatischen Land. Er begleitete eine Geologen-Expedition als Koch. Ein Bier kann er heute noch auf mongolisch bestellen. Auch die Grundzahlen kennt er aus dem Effeff. Seit dem damaligen Besuch hat ihn das Land nicht mehr losgelassen.

Dem Vogtland den Rücken gekehrt

Noch heute hat er Kontakt zu Freunden. Erst im August vergangenen Jahres war er mit seiner Frau dort. Das neueste Mitbringsel ist eine mongolische Pferdekopfgeige. Die Morin Chuur wie sie auf Mongolisch heißt, ähnelt eher einer Bassgambe und wird auch zwischen den Knien gehalten. 

Markant ist der hölzerne Pferdekopf am oberen Halsende. Und als Koch war für ihn auch die Küche dieses Landes interessant. Die mongolische Lammhaxe hat er auch selbst einmal nachgekocht, aufwendig in der Zubereitung, aber ein Genuss für den Gaumen.

1981 hatten sich Bernd und Birgitt Paul entschlossen, ihre Heimatregion Vogtland zu verlassen und ins mittelsächsische Burgenland zu ziehen. Ein Bekannter hatte ihnen den „Merkur“ bei Hartha empfohlen. „Das Haus stand zwölf Jahre leer, bevor wir es übernommen haben“, so Bernd Paul. Aber die junge Familie, dazu gehörten auch die beiden Söhne, damals ein und sechs Jahre alt, war enthusiastisch.

„Ich wollte als Koch immer selbstständig sein und arbeiten.“ Das Ehepaar pachtete die Gaststätte vom VEB Papierfabrik Limmritz-Steina und bewirtschaftete sie als Kommissionsgastwirte, was bedeutete, dass ihre Gaststätte Staatseigentum blieb und sie auf eigene Rechnung zu vorgeschriebenen Preisen wirtschafteten. Jede vierte DDR-Gaststätte wurde auf dieser halbprivaten Basis geführt. 1994 kauften sie das gesamte Haus von der Papierfabrik Limmritz-Steina AG.