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Gastronomen nach Neustart enttäuscht

Das Gastgewerbe in Sachsen darf seit 15. Mai wieder Gäste empfangen. Nun zeigt sich aber, dass die eigentliche Bewährungsprobe noch bevorsteht.

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Gaststätten und Hotels in Sachsen haben seit 15. Mai wieder geöffnet. Doch ein Ansturm der Gäste blieb bisher aus.
Gaststätten und Hotels in Sachsen haben seit 15. Mai wieder geöffnet. Doch ein Ansturm der Gäste blieb bisher aus. © Sebastian Willnow/dpa

Pirna/Dresden. Immer wieder aufrappeln: Die Familie von Regina Riedel aus Pirna ist im Umgang mit Krisen eigentlich erfahren. 2002 und 2013 stand ihr Romantik Hotel Deutsches Haus im Hochwasser der Elbe. Zwei Mal mussten die Riedels von vorn beginnen, hatten nach der Flut sogar einen Notfallplan erarbeitet - aber nicht für eine Pandemie wie Corona. Als der Staat den Shutdown anordnete, wurde eine ganze Branche kalt erwischt - zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn die Wintermonate gelten für das Gastgewerbe im Flachland als schwierige Zeit. Dann sind Gäste rar und Reserven rasch aufgebraucht.

Am 16. März verließ der letzte Gast das Romantik Hotel in Pirna, die neun Mitarbeiter gingen in Kurzarbeit. Inhaberin Regina Riedel und Tochter Katja hatten alle Hände voll zu tun: Stornierungen bearbeiten, Umbuchungen vornehmen, Banken konsultieren, mit Lieferanten sprechen. Jetzt sitzen beide an einem kleinen Tisch im Erdgeschoss des Hotels und blicken auf zwei Monate Leerstand zurück. In gut zwei Meter Höhe zeigt eine Marke den Hochwasserstand von 2002. Der Innenhof des Gebäudeensembles, das bis auf die Renaissance zurückgeht, ist nahezu verwaist. Hotel und Restaurant haben geöffnet, aber noch immer fehlen Gäste.

Buchungen laufen nur zögerlich an

Den Riedels stehen schwere Zeiten bevor. Buchungen laufen nur zögerlich an. Bis Ende Juli wurden alle Hochzeiten abgesagt. Katja Riedel kann Brautleute verstehen, wenn sie sich in Zeiten von Kontaktbeschränkungen keine Schlitterpartie antun wollen. Die junge Frau hat ihre für Anfang Juli geplante eigene Hochzeit gleichfalls verschoben.

Das Tagungsgeschäft liegt am Boden. "Dieses Geld ist weg, das können wir nicht wieder aufholen", sagt sie. Etwa 150.000 Euro Verlust stehen zu Buche, der Zuschuss des Bundes von 15.000 Euro wirkt da wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Neue Kredite will man nicht aufnehmen, erst müssten alte abgezahlt werden.

"Das wird auf jeden Fall eine Durststrecke", meint Regina Riedel. Himmelfahrt habe einen Vorgeschmack geliefert: "Sonst waren wir an diesem Tag immer überbucht, mussten die Tür zuhalten, damit uns die Leute nicht überrennen." Dieses Mal war es anders: "Da war in Pirna Totentanz, nichts los, der Markt leer." Jeden Gast, der für dieses Jahr buchte, habe man extra noch einmal angerufen. Und trotzdem hätten viele abgesagt. In der Branche nennt man das hierzulande "Oma-Sterben": Gäste wollen kostenfrei stornieren und geben als Grund den plötzlichen Tod der Großmutter an.

Zu anderen Zeiten könnte man über solche Tricks vielleicht lachen, aber den Riedels ist nicht danach zumute. "Das ist wie ein Kampf gegen Windmühlen", beschreibt Katja Riedel die Gefühlslage: "Man krempelt die Ärmel hoch, will loslegen, und dann gibt es immer wieder Rückschläge. Das frustriert."

Manuel Enders, Küchenchef, und Mareen Funke, Restaurantleiterin, portionieren im Restaurant des Parkhotel Bad Schandau die Speisen.
Manuel Enders, Küchenchef, und Mareen Funke, Restaurantleiterin, portionieren im Restaurant des Parkhotel Bad Schandau die Speisen. © Sebastian Kahnert/dpa

Zu Pfingsten wird nun ein weiteres "Oma-Sterben" erwartet. Weil das Wetter nicht ganz so schön werden soll, gebe es bestimmt noch Absagen. Auch die Gäste aus dem Ausland - vor allem aus Tschechien, Österreich und der Schweiz - würden fehlen. Pirna ist das Tor zur Sächsischen Schweiz und bei Touristen beliebt.

Das Schlimmste sei die Ungewissheit, sagt Katja Riedel: "Wir haben offen - und nichts passiert." Deshalb hätten manche Betriebe im Gastgewerbe bis jetzt auch noch nicht geöffnet. Denn nun werde man bei ausbleibenden Gästen von den Kosten aufgefressen: "Die Rezeption muss den ganzen Tag besetzt bleiben, der Koch in der Küche stehen, auch wenn niemand kommt. Wir werden ausgetrocknet." Sie kann sich nicht vorstellen, dass bei einer möglichen zweiten Infektionswelle noch einmal alles heruntergefahren wird.

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Regina Riedel ist fest davon überzeugt, dass die Pandemie zu einer nachhaltigen Umstrukturierung der Branche führt. Es werde vermutlich nie mehr so viele Busreisen mit Hotelübernachtungen wie früher geben, vermutet die Inhaberin. Denn die Leute seien verunsichert und bei Gruppenreisen zurückhaltend. "Das Reisen wird individueller werden, was uns vielleicht in die Hände spielt. Denn die Romantik Hotels in Deutschland werden von Gästen gebucht, die in gediegener Atmosphäre ihre Ruhe genießen wollen." Das Jahr 2021 sei jedenfalls schon mal gut gebucht - vielfach durch Umbuchungen aus diesem Jahr.

Bis dahin muss Familie Riedels aber erst einmal durchhalten. Mutter und Tochter gehen davon aus, dass erst im Frühjahr 2021 das böse Erwachen kommt. Die Reserven gingen zur Neige. Und ob sie durch Programme der Politik noch einmal aufgefüllt werden, stehe in den Sternen. Bei vielen sei das Polster spätestens im März 2021 weg, dann würden sich die Geister scheiden, sagt Regina Riedel: "Wer den Winter überlebt, der hat es wahrscheinlich geschafft. Es werden aber viele auf der Strecke bleiben."

Dennoch will die Familie nicht aufgeben. "Nach den Hochwassern konnte man die Ärmel hoch krempeln und loslegen. Da waren die Erfolge schnell sichtbar. Jetzt ist das anders. Die Corona-Krise ist daher auch emotional eine schwierige Situation", sagt Katja Riedel.

Vertrauen der Gäste wieder erlangen

Axel Klein, Geschäftsführer der sächsischen Hotel- und Gaststättenverbandes, spricht von dramatischen Umsatzverlusten. Die Betriebe hätten de facto zu 100 Prozent Umsatzeinbußen erlitten - bei laufenden Kosten. Nun sei das Hochfahren wichtig. "Wir müssen sehen, dass ein Rettungsschirm der Bundesregierung kommt - andernfalls drohen bis zu 30 Prozent der Unternehmen pleite zu gehen."

Nach Kleins Worten geht es nun darum, das Vertrauen der Gäste wieder zu erlangen. Das Gastgewerbe habe im März auch im Interesse der Gesellschaft geschlossen und damit etwas für die Gemeinschaft getan. Ängste müsse nun keiner haben, überall gebe es Hygiene-Konzepte: "Die Leute sollen ein Essen im Restaurant wieder genießen. In Sachsen gibt es keine Mundschutzpflicht für den Gast: Schließlich ist ein Besuch im Restaurant kein Klinikbesuch." (dpa)