Von Maik Brückner
Frauendorf. Diese Radtour wird der 36-jährige Freitaler so schnell nicht vergessen. Denn sie endet auf der Kreuzung in Niederfrauendorf – ungeplant. Hier stieß er mit dem Auto eines 91-jährigen Dresdners zusammen. Das war am 13. September 2015. Am Montag wurde dieser Unfall nun am Dippser Amtsgericht verhandelt. Dort erzählte der Rentner, der sich wegen Körperverletzung zu verantworten hatte, wie es aus seiner Sicht zum Unfall gekommen war. Er sei mit seinem Hyundai aus Richtung Reinhardtsgrimma auf die Kreuzung zugefahren, um geradeaus zum Garten seiner Tochter in Niederfrauendorf zu gelangen. Den Weg kenne er bestens, er sei ihn schon mehr als 50-mal gefahren. Er wusste, dass er an der Glashütter Straße die Vorfahrt zu beachten habe. Deshalb hielt er auch an. Da von links ein Fahrzeug in seine Richtung – also nach Reinhardtsgrimma – abbiegen wollte, aber nicht konnte, weil die Straße so eng ist, fuhr er ein Stück auf die Glashütter Straße. Dort wollte er nach rechts und links blicken. Der 91-Jährige sah aber nicht, dass ein Fahrradfahrer von Glashütte aus auf die Kreuzung zurollte. Der Radfahrer, der als Zeuge geladen war und später auch aussagte, ging wiederum davon aus, dass der 91-Jährige die Kreuzung überqueren und diese schnell verlassen würde. Tat er aber nicht. Der Rentner blieb stehen. Das Resultat: Der Radfahrer fuhr auf das linke Heckteil des Autos, stürzte und verletzte sich.
Dieser Unfall ist kein Einzelfall. Immer wieder kracht es an der Kreuzung in Niederfrauendorf. Aus Sicht des Landratsamtes ist die Kreuzung zwar noch kein Unfallschwerpunkt. Allerdings könnte er einer werden. Denn nach der aktuellsten Jahresstatistik kam es hier 2015 zu „Unfallhäufungen“, sagt Martina Fehrmann, die beim Landratsamt die Abteilung Straßenbau und Verkehr leitet. Allein vier größere Unfälle sind der SZ bekannt. Grund für die Häufungen sei die Form der Kreuzung, erklärt Frau Fehrmann. Diese sei ein „geometrisch ungünstiger Knoten“ mit „ungenügenden Sichtbedingungen und Fahrbahnbreiten“. Denn zwischen vier Häusern treffen sich hier zwei Staatsstraßen – und das auf einer relativ kleinen Fläche. Abbiegespuren gibt es hier nicht. Um die Unfallgefahr zu minimieren, wurden in der Vergangenheit bereits Verkehrsspiegel angebracht.
Wer aus Dipps kommt, muss zudem ein Tempolimit einhalten. Von hier aus darf man nur mit 30 Kilometern pro Stunde auf die Kreuzung rollen. Frauendorfs Ortsvorsteher Klaus Köhler (Wählervereinigung) hat sich auch schon Gedanken zur Verkehrssituation gemacht. „Am einfachsten wäre es, man würde alle Häuser an der Kreuzung einreißen“, sagt er und räumt gleich ein, dass das nicht ernst gemeint sei. Eine zündende Idee, wie die Gefahr minimiert werden könnte, habe er auch nicht, sagt der Ortschef. „Der Grund für viele Unfälle ist jeweils menschliches Versagen.“ Die Leute sind entweder zu schnell unterwegs oder sie beachten die Vorfahrt nicht. Letzteres wird bei den Unfällen, die die Polizei öffentlich macht, auch immer wieder genannt.
Die Unfälle an der Niederfrauendorfer Kreuzung
In den nächsten Wochen regelt eine Ampel die Vorfahrt. So wollte es das Landesamt für Straßenbau und Verkehr, das im Nachbarort Reinhardtsgrimma einen Teil der Ortsdurchfahrt erneuert. Im Dorf ist man nicht glücklich mit der Situation, weil sich zu bestimmten Zeiten der Verkehr auf der Glashütter Straße staut. Köhler bestätigt das, und er bezweifelt, dass damit die Unfallgefahr an der Kreuzung gebannt ist. Denn durch die Ampel sei eine neue Gefahr entstanden, erklärt er. Viele Fußgänger drängeln sich nun durch die an der Ampel stehenden Autos zu den Bushaltestellen. „Es ist ein Wunder, dass hier noch nichts passiert ist“, sagt Köhler.
Glück im Unglück hatte indes auch der 91-jährige Unfallverursacher. Richter und Staatsanwalt kamen im Laufe der Verhandlung zu dem Schluss, dass dem Fahrradunfall wohl eine Kette von unglücklichen Entscheidungen der beteiligten Fahrer vorausging. Zudem stellte sich während der Verhandlung noch heraus, dass sich der Fahrradfahrer nur Prellungen und Schürfwunden zuzog. Der Schlüsselbeinbruch, der in der Ermittlungsakte auftauchte, ist bereits 13 Jahre alt. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage von 450 Euro. Der 91-Jährige, der in der Verhandlung Fehler einräumte, akzeptierte das und zeigte sich erleichtert. Wäre er nicht gegen den zunächst erlassenen Strafbefehl vorgegangen, hätte er das Doppelte zahlen müssen.