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Gefahrenzone A 4

Der Dresdner Abschnitt der Autobahn gehört zu den am stärksten befahrenen im Osten. Die Unfallzahlen alarmieren.

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© Roland Halkasch

Von Christoph Springer

Wilsdruff. Dieser Unfall hat sich ins Gedächtnis eingebrannt: Es ist Nacht, der nächste Tag ist der 19. Juli 2014. Auf der A4 fährt ein polnischer Reisebus in Richtung Chemnitz. Kurz nach der Autobahnabfahrt am Elbepark kracht der Doppeldecker ins Heck eines Busses aus der Ukraine. Danach schleudert er über die Autobahn, durchbricht die Mittelleitplanke und stößt auf der Gegenfahrbahn mit einem Kleinbus zusammen. Alle neun Insassen des Kleinbusses sterben. Zum Schluss bricht der Reisebus durch die Außenleitplanke der Autobahn und stürzt eine Böschung hinab. Am Ende sind insgesamt elf Menschen tot, 64 werden verletzt.

Die Zahl der Autos auf der A4 steigt seit Jahren

Die Katastrophe passierte auf einem Abschnitt der A4, der besonders gefährlich ist. Auf dem 15 Kilometer langen Stück zwischen dem Dresdner Norden und dem Dreieck Dresden-West ist der Verkehr so dicht, dass der Freistaat beim Bund längst auf den vierspurigen Ausbau gedrängt hat. Zwischen 93 000 und 97 000 Autos registrierte eine Zählstelle des Landesamts für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) dort vor knapp zwei Jahren. Fast 20 Prozent davon waren Laster. Ein Jahr später waren es schon mehr als 100 000 Autos pro Tag.

Sprecherin Isabel Siebert ordnet diese Zahlen ein: „Damit ist die A4 im Bereich Dresden nach der A100 in der Berliner Innenstadt und dem Autobahndreieck Potsdam der am stärksten belastete Autobahnabschnitt in den neuen Bundesländern.“ Dennoch lehnte der Bund den Ausbau ab.

Die Autobahnpolizei hat alle Hände voll zu tun
Die Polizei muss auf diesem A4-Teilstück fast täglich Unfälle aufnehmen. 120 registrierten die Beamten in der Zeit vom 1. Dezember 2017 bis kurz vor Ostern. Kaum ein Tag verging ohne eine Karambolage. Jetzt hat die Unfallkommission des Lasuv die aktuellen Zahlen ausgewertet. Dieses Gremium, zu dem unter anderem Polizisten, Vertreter aus dem sächsischen Verkehrsministerium, dem Innenministerium und dem Lasuv selbst gehören, untersucht die Unfallzahlen der Polizei und leitet daraus ab, welche Autobahnabschnitte besonders gefährlich sind.

Dabei bewerten die Fachleute den Unfallhergang, wie schwer der Unfall war, wie viele Menschen dabei verletzt wurden oder sogar ums Leben kamen und welche äußeren Umstände wie etwa das Wetter eine Rolle gespielt haben.

Sechs Abschnitte sind besonders gefährlich
Das Ergebnis: Gefährlich sind vor allem die A4 zwischen der Anschlussstelle Hermsdorf und dem Dreieck Dresden-Nord. Dort gibt es gleich vier Unfallschwerpunkte. Weiter Richtung Westen kracht es besonders häufig zwischen Wilder Mann und Neustadt sowie am Brabschützer Berg. Westlich von Dresden beschäftigt die Fachleute unter anderem der Autobahnabschnitt zwischen dem Dreieck Nossen und Wilsdruff.

Heikle Spurwechsel am Dreieck Dresden-Nord
Und so ereignen sich laut den Unfallexperten die meisten Zusammenstöße am Dreieck Dresden-Nord: Lkw-Fahrer, die auf der A4 von Osten kommen, befinden sich kurz nach dem Dreieck Dresden-Nord auf der mittleren Spur und wollen auf die Lastspur rechts daneben wechseln. Dabei übersehen sie die dort fahrenden und meistens von der A13 kommenden Pkw. Je nachdem, wo die Pkw von dem Laster getroffen werden, schleudern sie entweder auf den Standstreifen oder sie drehen sich nach links und werden dabei über die drei Spuren der A 4 in die Mittelschutzplanke katapultiert. Häufig bleiben diese Autos dort auf dem linken Überholfahrstreifen stehen und verursachen dadurch Folgeunfälle. Solche Unfälle führen dann zu langen Staus.

Alle fünf Tage kracht es nahe dem Flughafen
Die aktuellen Zahlen der Dresdner Unfallschwerpunkte kann Siebert noch nicht nennen, ihr liegen aber Zahlen aus den Jahren 2015 und 2016 vor. Demnach krachte es am Dreieck Dresden-Nord vor drei Jahren 62-mal, vor zwei Jahren sogar 79-mal. Das bedeutet, dass sich dort im Schnitt mindestens alle fünf Tage ein Unfall ereignete. Meistens bleibt es bei Blechschäden, 2016 wurden dabei aber auch vier Menschen schwer und fünf leicht verletzt. Am Dreieck Dresden-Nord auf der A4 und an der Überfahrt von der A13 hat die Unfallkommission deshalb Ende Oktober 2017 Schilder aufstellen lassen, die auf diesen besonderen Unfalltyp hinweisen. Zwischen dem Dreieck Nossen und Wilsdruff wird die Höchstgeschwindigkeit demnächst auf 120 Stundenkilometer beschränkt, berichtet Isabel Siebert von der Tagung der Unfallkommission.

Geschwindigkeitsbegrenzung auf der A4 ist vorerst nur ein Test
Zwischen den Dreiecken Dresden-West und Dresden-Nord gilt seit Anfang März eine Beschränkung auf Tempo 100. Drei Jahre lang bleiben solche neuen Regelungen wenigstens bestehen. Führen sie zum Erfolg, also sinken die Unfallzahlen, werden diese Tests zu dauerhaft gültigen Änderungen. Bleibt es dabei, dass sich auf den betreffenden Abschnitten Unfälle häufen, müssen die Verantwortlichen der Unfallkommission neu nachdenken. Dann könnten weitere Einschränkungen folgen.

Der Freistaat will weiter den vierspurigen Ausbau

Unterdessen bemüht sich der Freistaat in diesem Jahr erneut um den vierspurigen Ausbau der A4 zwischen dem Dreieck Dresden-Nord und dem Dreieck Nossen. Dabei wollen die Verantwortlichen mit den neuesten Fahrzeugzahlen überzeugen: Im Schnitt mehr als 100 000 Autos pro Tag, Tendenz steigend.