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Gefunden nach 500 Jahren

Ein Zittauer Junge bringt eine Figur zum Zittauer Museum. Sie ist eine Sensation, sagt der Direktor.

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© Matthias Weber

Von Elke Schmidt

Sein Vater sagte noch, lass es doch liegen, das brauchen wir nicht. Aber Calvin Päsler ist sofort angetan von dem Klumpen Erde. Im Juni 2016 erneuert sein Vater den Trinkwasseranschluss im Vorgarten und in der ausgehobenen Erde. Ihm fällt ein länglicher, weißer Brocken ins Auge. „Der sah irgendwie anders aus als normale Erde“, erinnert er sich. Der Junge legt ihn in einen Eimer mit Wasser und nach und nach kommt eine etwa 17 Zentimeter lange Figur zum Vorschein. Calvin behält das schöne Stück. Es bekommt einen Ehrenplatz in einer kleinen, mit Stroh ausgelegten Kiste. Er nimmt es öfter in die Hand und betrachtet es ausführlich.

Dass die Figur etwas Besonderes sein könnte, kommt weder dem Sohn noch dem Vater in den Sinn. Sie schätzen ihr Alter auf nicht einmal 100 Jahre und glauben, sie ist aus gewöhnlichem Porzellan. Erst Bekannte bringen sie auf die Idee, sie einmal einem Fachmann zu zeigen.

Also ist Calvin vor Kurzem ins Museum gegangen und hat dort großes Erstaunen ausgelöst. Museumsdirektor Peter Knüvener erkennt sofort: Das ist etwas ganz Besonderes. Die Figur ist eine Frau mit einem eleganten Gewand, aufwendig geflochtenem Zopf und es sieht aus, als ob sie auf dem Kopf eine Haube trägt. Sie hält etwas in ihren Händen. Hergestellt wurde sie um 1500. Das hat der Museumschef an der Art des Faltenwurfs des Rockes erkannt. So findet man das auch an Steinskulpturen oder Holzplastiken aus dieser Zeit. Dieses hohe Alter allein ist schon bemerkenswert.

Was oder wen sie genau darstellt und wofür sie einst verwendet wurde, lässt sich heute nicht mehr sagen. Sie könnte zum Beispiel eine Heiligenfigur oder auch ein Spielzeug gewesen sein, sagt der studierte Archäologe. In beiden Fällen waren es meist Gebrauchsgegenstände und gingen dementsprechend oft kaputt.

Werden heutzutage doch welche gefunden, sind die Figürchen meist schwer beschädigt, oft fehlt der Kopf, sagt auch Christoph Heiermann, Leiter des Referats für Öffentlichkeitsarbeit beim Landesamt für Archäologie Sachsen. Die jetzt in Zittau Abgegebene ist vergleichsweise gut erhalten. Die von Calvin gefundene Figur ist obendrein auch in einer anderen Hinsicht besonders. Im Zittauer Museum kann man das gut beobachten. Dort gibt es bereits mehrere solcher Stücke, die allerdings allesamt wesentlich kleiner sind.

Sehr alt, ziemlich gut erhalten und ungewöhnlich groß – dieser Dreiklang läßt Peter Knüvener von einer kleinen Sensation für Zittau sprechen. Und das, obwohl solche Pfeifentonfiguren zu ihrer Zeit Massenprodukte waren, die von sogenannten Bilderbäckern – das waren spezialisierte Töpfer – aus Pfeifenton mittels vorgefertigten Modeln serienmäßig hergestellt wurden und daher vergleichsweise häufig gefunden werden.

Trotzdem ist jeder einzelne Fund für sich wertvoll. Deshalb ist der Museumsdirektor auch sehr froh, dass Calvin Päsler so ehrlich war und die Figur ins Museum gebracht hat. Dafür habe er ein Lob verdient. Das ist auch von Gesetzes wegen so festgelegt. Funde wie diese sind grundsätzlich Eigentum des Freistaates Sachsen. Die Anzeigenpflicht besagt, dass jeder, der auf archäologische Funde stößt, diese melden muss. Ob der Finder eine Belohnung erhält und wie hoch diese sein könnte, muss im Einzelfall gemeinsam mit dem Innenministerium als oberster Denkmalschutzbehörde des Freistaats entschieden werden, teilt Christoph Heiermann mit. Die Figur werde inventarisiert und dem Archäologischen Archiv Sachsen hinzugefügt. Peter Knüvener will sich jedoch dafür einsetzen, dass sie als Leihgabe ins Zittauer Museum kommt.

Auch wenn Calvin sich sicher darüber freuen würde – eine mögliche Belohnung war für ihn nicht der Grund, seinen Fund abzugeben. Er freut sich einfach, dass er etwas so Wertvolles gefunden hat. André Päsler ist ebenfalls stolz auf seinen Sohn. „Wir freuen uns sehr, dass wir auf diese Weise etwas für die Stadt tun konnten“, sagt er. Calvin habe schon immer ein Faible für alte Dinge gehabt. Sie interessieren sich beide für Geschichte und Archäologie und sehen sich oft entsprechende Dokus und Reportagen an. Der Fund passt also zu seinem Sohn, findet der Vater. Als er sie gefunden hat, war er gerade mal zehn Jahre alt und wer interessiere sich in dem Alter schon für sowas. Calvin selbst ist ebenfalls stolz, dass er einen so bedeutenden Fund gemacht hat. Bisher hat er noch nicht daran gedacht, aber jetzt kann er sich vorstellen, später einmal einen Beruf in dieser Richtung zu ergreifen. Und auch wenn er es nicht darauf angelegt hat, über das Dankeschön vom Museum freut sich der Junge sehr: Toffifee ist seine Lieblingssüßigkeit.