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Geld für den Führerschein soll Nachwuchs locken

Wacker, Raddatz, Kronospan: Bekannte Namen warben beim Ausbildungstag um Lehrlinge.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Manfred Müller

Großenhain. Süße Aussichten für die Zukunft verspricht die Südzucker AG an ihrem Ausstellungsstand im Kulturschloss. Eine Ausbildungsvergütung nach Tarif – im ersten Lehrjahr immerhin schon 855 Euro, 30 Tage Urlaub, Weihnachtsgeld, Sonderprämien bei guten Abschlüssen und vieles andere mehr. Das Unternehmen betreibt in Brottewitz bei Mühlberg eine Zuckerfabrik und bietet hier Lehrstellen für Elektroniker und Mechatroniker an. Wer sich eher zu Laborberufen oder zum Kaufmännischen hingezogen fühlt, findet ebenfalls Angebote. Die allerdings erfordern einen Ortswechsel, denn die Firma hat ihren Sitz in Mannheim und ist vor allem in den alten Bundesländern präsent.

Annika Körner wiegt zweifelnd den Kopf. Eigentlich möchte die Zehntklässlerin aus Thiendorf lieber in der Nähe ihres Wohnortes bleiben. „Warum auch nicht“, findet ihre Mutter Grit. „Wenn die Jungen weggehen, leben bald nur noch Rentner in der Region.“

Rund 50 Firmen und Institutionen warben am Sonnabend im Kulturschloss um Berufsnachwuchs, und die Beratungsstände waren fast durchgehend dicht umlagert. „Ich wollte vorhin einem Bekannten an einem Stand mal die Hand schütteln, aber ich kam einfach nicht an ihn heran“, freut sich Mitinitiator Sebastian Fischer. Der CDU-Landtagsabgeordnete hat versucht, in diesem Jahr auch Firmen aus dem Agrarbereich für seine Veranstaltung zu gewinnen. Mit Südzucker und Porst-Landtechnik ist zumindest ein Anfang gemacht. Dass der Großenhainer Ausbildungsmarkt so außerordentlich gut besucht war, lag sicher auch daran, dass er – wie schon 2016 – an einem Sonnabend stattfand.

Zuvor war die Veranstaltung unter der Woche einberufen worden, was dazu führte, dass vor allem Schulklassen kamen. In der Gruppe aber hielt sich das Interesse der einzelnen Schüler in Grenzen, und die Beratung funktionierte nicht so gut. Am Wochenende kamen die meisten der angehenden Azubis mit Eltern oder Geschwistern nach Großenhain, und die Berufsberater der Unternehmen genossen ungeteilte Aufmerksamkeit. Auch die Verknüpfung der Veranstaltung im Kulturschloss mit dem Tag der offenen Tür im Großenhainer Berufsschulzentrum funktionierte wieder hervorragend. Die praxisorientierte Beratung an der Industriestraße fand jede Menge Interessenten.

Im Kulturschloss waren auf zwei Stockwerken große Industriebetriebe, wie die Gröditzer Schmiedewerke, Kronospan oder Wacker-Chemie ebenso vertreten wie die Mittelstandsfirmen Stema-Anhänger, Boge-Kompressoren oder die Großbäckerei Raddatz. Richard Eisold (15) ist auf der Suche nach einer Ausbildung im Technikbereich. Weit weg vom Heimatort Schönfeld soll der Ausbildungsbetrieb möglichst nicht liegen. „Bei uns kann man beides haben“, erklärt Marko König vom Elektrozentrum Großenhain (EZG). „Die Ausbildung vor Ort und eine Arbeit, bei der man viel herumkommt.“

Durch das breitgefächerte Profil des Unternehmens sind viele EZG-Mitarbeiter deutschlandweit unterwegs. Bei rund 100 Mitarbeitern haben die Großenhainer sage und schreibe 19 Lehrlinge in der Ausbildung. Insgesamt kommen 80 bis 85 Prozent der Belegschaft aus dem eigenen Nachwuchs. Über Schülerpraktika und Ferienarbeit akquiriert das EZG stetig neue Bewerber, und der kompetente, fast familiäre Ausbildungsbetrieb sorgt dafür, dass die jungen Leute auch bleiben. Ausbilder Henry Krille ist selbst über ein Schülerpraktikum zum Elektrozentrum gekommen, hat hier seine Abschlüsse als Meister und Lehrausbilder gemacht und betreut nun den Berufsnachwuchs. Was es für Azubis Neues im Unternehmen gibt? „200 Euro mehr Ausbildungsvergütung“, sagt er.

Aufgrund des Nachwuchsmangels müssen auch die Firmen im Osten den jungen Leuten etwas mehr bieten als eine hochwertige Ausbildung. Beim EZG gibt es darüber hinaus einen recht außergewöhnlichen Bonus: Bei guten Leistungen im zweiten Lehrjahr finanziert die Firma ihrem Azubi den Führerschein. Über all das klären im Kulturschloss nicht nur die Ausbilder des Elektrozentrums auf, sondern die Lehrlinge selbst. „Man spürt vom ersten Tag an, dass hier ein gutes Arbeitsklima herrscht“, sagt Azubi Patrick Saalbach. „Wenn du in der Berufsschule etwas nicht verstanden hast, fragst du im Betrieb einfach noch mal nach – da guckt dich keiner schief an.“