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So werden wir im Internet manipuliert

Druck, Zwang, Scham, Verschleierung: Verbraucherschützer warnen vor allerlei Tricks. Acht Beispiele – und Tipps, wie sich Anwender wappnen können.

Von Andreas Rentsch
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Beliebter Trick: Die Schaltfläche für das vom Seitenbettreiber gewünschte Verhalten ist groß und gut wahrnehmbar, die Alternative deutlich unauffälliger.
Beliebter Trick: Die Schaltfläche für das vom Seitenbettreiber gewünschte Verhalten ist groß und gut wahrnehmbar, die Alternative deutlich unauffälliger. ©  Repro: SZ/Bildstelle

Wir begegnen ihnen ständig im Netz, nehmen sie aber nur selten bewusst wahr: Dark Patterns. „Dunkle Muster“, so heißt der Fachbegriff ins Deutsche übersetzt, beschreibt optische und psychologische Tricks auf digitalen Benutzeroberflächen. „Anwender sollen zu einer Entscheidung provoziert werden, und zwar so, wie sie der App-Anbieter oder Website-Betreiber gern hätte“, erklärt Steffen Kirchner, Referent bei der Verbraucherzentrale Brandenburg. „Sie sollen beispielsweise etwas kaufen, was sie sonst vielleicht nicht gekauft hätten.“

Rechtlich bewegten sich die Unternehmen dabei häufig in einer rechtlichen Grauzone. Manche Tricks seien dagegen schon verboten worden. Unstrittig ist, dass diese Machenschaften gang und gäbe sind. Eine kürzlich veröffentlichte Stichprobenanalyse der EU-Kommission hat ergeben, dass 37 Prozent der geprüften Onlinehändler mindestens einen von drei gängigen Manipulationstricks verwendeten. Häufig handelte es sich dabei um Versuche, einen Kauf oder einen Abo-Abschluss herbeizuführen. Doch wie funktionieren diese Methoden im Detail, und wie begegnet man ihnen? Einige Beispiele.

Druck: Wenn Du jetzt nicht handelst, stehst Du am Ende vielleicht mit leeren Händen da.
Druck: Wenn Du jetzt nicht handelst, stehst Du am Ende vielleicht mit leeren Händen da. © Bildstelle

Methode 1: Druck

„35 Personen schauen sich gerade diesen Artikel an“: Derartige Pop-up-Fenster suggerieren, es müsse eine schnelle Kaufentscheidung gefällt werden. Schließlich ist nicht klar, wie viele Paar Turnschuhe oder Handyhüllen noch auf Lager sind. In der Realität seien die Bestände oft keineswegs knapp, sagt Kirchner. „Da laufen Algorithmen im Hintergrund, für die zuvor verhaltenspsychologisch getestet wurde, in welchen Konstellationen Nutzer auf den „Kaufen“-Button drücken.“ Verstärkt werde dieser Effekt noch durch Hinweise à la „Nur noch zwei Artikel verfügbar“.

Methode 2: Scham

„Möchtest Du unseren Newsletter bestellen und dafür Rabatte erhalten?“ „Hier will der Anbieter natürlich, dass ich mich für Ja entscheide“, sagt Steffen Kirchner. Also werde der Nein-Button mit einer beschämenden Zusatzbotschaft versehen. Etwa so: „Nein danke, ich möchte die Vorteile eines Rabatts nicht nutzen.“ Das Kalkül dahinter ist klar: Wer lässt sich schon Schnäppchen entgehen?

Die Scham-Methode: Wer will schon lieber den vollen Preis zahlen und sich eine Ersparnis entgehen lassen?
Die Scham-Methode: Wer will schon lieber den vollen Preis zahlen und sich eine Ersparnis entgehen lassen? ©  Repro: SZ/Bildstelle

Methode 3: Nörgelei

Bekanntester Protagonist dieser Methode ist der Versandriese Amazon, dessen Kundschaft regelmäßig aufgefordert wird, doch endlich die Vorteile der „Prime“-Mitgliedschaft zu nutzen. Hier spiele Oberflächendesign eine wichtige Rolle, erklärt der Verbraucherschützer. „Also wird der Button für das Abo farblich unterlegt, der für die Ablehnung ausgegraut.“ Letzteres bedeute eigentlich, dass diese Schaltfläche nicht funktioniert, dabei sei diese „Nein“-Entscheidung die richtige für viele.

Methode 4: Zwang

„Bei dieser Methode bieten die Unternehmen nur Optionen an, die in ihrem eigenen Interesse liegen“, sagt Steffen Kirchner. Ein gängiges Beispiel sei der Zwang zum Einloggen beim Besuch einer Shopping-Plattform. Die Idee dahinter: „So lässt sich eine Kaufhistorie über mehrere Besuche hinweg verfolgen.“ Derlei Datensammelei sei aber normalerweise nicht im Interesse der Kundschaft. „Wenn Sie sich also nicht registrieren möchten, gibt es nur den Weg: dass Sie diese Seite verlassen.“ Grundsätzlich sind Gastzugänge eine gute Option fürs Einkaufen im Netz.

Methode 5: Abofalle

Wer die fragliche Internetseite nur oberflächlich scannt, übersieht die entscheidende Info womöglich. „30 Tage kostenlos“ steht da in großen Buchstaben. Sehr klein und unauffällig darunter folgt der Hinweis auf ein Abonnement, das mit 9,99 Euro pro Monat zu Buche schlägt und erst nach zwei Jahren kündbar ist.

Methode 6: Hindernisse

Hier gehe es darum, Entscheidungen im eigenen Sinne mühsamer zu machen als jene zugunsten des Anbieters, erklärt Kirchner. Als Beispiel nennt er Vertragsabschlüsse im Internet. „Das ist in der Regel ziemlich einfach: Sie stimmen den Datenschutzbestimmungen zu, geben Ihre Adresse und Zahlungsangaben ein und schicken die Daten ab. Wenn Sie dagegen kündigen wollten, war das bislang wesentlich komplizierter und umständlicher.“

Kunden werden in diesem Fall durch einen Prozess mit deutlich mehr Schritten geführt und am Ende noch einmal gefragt, ob sie wirklich kündigen wollten. Auf diesen Missstand hat der Gesetzgeber aber inzwischen reagiert: Seit Juli 2022 müssen Anbieter einen leicht auffindbaren Kündigungsbutton auf ihrer Website platzieren, mit dem eine einfache Kündigung möglich ist. „Die Anforderungen legen fest, dass es sich hierbei um eine deutlich gestaltete Schaltfläche handeln muss“, erklärt der Bundesverband der Verbraucherzentralen.

Ebenfalls Pflicht sind eine weitere Bestätigungsseite, um notwendige Angaben zu machen, und eine eindeutig bezeichnete Bestätigungsschaltfläche, zum Beispiel mit der Aufschrift „Jetzt kündigen“.

Methode 7: Verschleierung

Eine weitere Methode von Abo-Anbietern besteht darin, unübliche Vergleichszeiträume zu definieren, um Kunden den Preisvergleich zu erschweren. Beispiel: Abo-Kosten werden auf einem Button mit „12 Euro / 4 Wochen“ und auf dem anderen mit „0,99 Euro pro Tag“ ausgewiesen. „Hier sieht man das teurere Angebot erst, wenn man den Vergleichszeitraum betrachtet“, sagt Kirchner.

Methode 8: Versteckte Werbung

Ein Phänomen auf Vergleichsportalen. „Hier wird dem Nutzer eine Liste mit Angeboten angezeigt, wobei das erste Angebot angeblich von einem Experten empfohlen wird“, sagt Kirchner. In winziger Schrift finde sich aber noch der Hinweis, dass es sich hierbei um eine Anzeige handelt.

Hindernisse: Untersuchungen zeigen, dass Internetnutzer das lästige Cookie-Thema möglichst schnell hinter sich bringen wollen. Was liegt also näher als der Klick auf den blauen Button?
Hindernisse: Untersuchungen zeigen, dass Internetnutzer das lästige Cookie-Thema möglichst schnell hinter sich bringen wollen. Was liegt also näher als der Klick auf den blauen Button? ©  Repro: SZ/Bildstelle

In der Praxis: Mal dies, mal das

Plattformbetreiber wollen, dass ihre Cookies – kleine Textdateien, die der Browser auf dem Endgerät des Nutzers ablegt und ihn damit identifizierbar macht – möglichst oft akzeptiert werden. Dafür ziehen sie viele Register. „Unsere Cookies dienen dem Weltfrieden“: Wer will da schon „Alle ablehnen“ anklicken? Doch nicht nur Scham wird getriggert. Beliebt sei auch der Aufbau von Hindernissen. Nutzer, die nicht einfach auf „Alle akzeptieren“ will, müssen unter Umständen den Menüpunkt „Weitere Informationen“ suchen, um die dort gesetzten Häkchen wegzuklicken.

Die Verbraucherzentrale Bayern hat jedoch ein cleveres Gegenmittel für die allgegenwärtige Cookie-Fragerei entwickelt: ein Browser-Plug-in namens „Nervenschoner“. Die für Firefox, Chrome und Edge erhältliche Erweiterung verhindert, dass Cookie-Banner überhaupt erst geladen werden.

Mit dem Online-Spiel „Wer zustimmt, verliert“ können Verbraucher testen, ob sie gegen alle Cookie-Maschen gewappnet sind.