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Nachbarschaftsstreit: Wer ist im Recht?

Schatten oder Äste von Nachbars Bäumen, Lärm, Komposthaufen, Drohnen und Gestank können die Lebensqualität mächtig beeinträchtigen. Ob und wie man sich wehren kann, erfuhren SZ-Leser beim Telefonforum.

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Ganz schön schattig: Andreas Scheffler aus Chemnitz hat wegen der hochgewachsenen Bäume des Nachbarn wenig Freude in seinem Garten.
Ganz schön schattig: Andreas Scheffler aus Chemnitz hat wegen der hochgewachsenen Bäume des Nachbarn wenig Freude in seinem Garten. © Andreas Seidel

Andreas Scheffler sitzt in seinem Garten. Doch die Sonne kann er dort kaum genießen. Denn die Bäume seines Nachbarn ragen so hoch in den Himmel, dass sie sein Grundstück nachmittags fast komplett verschatten.

„Auf höfliche Hinweise, die Bäume zurückzuschneiden, wurde nicht oder nur halbherzig reagiert“, sagt der Chemnitzer. Gerichte haben bislang entschieden, dass man Schatten als „natürliche Immission“ weitgehend dulden muss. Es sei denn, die Beeinträchtigung ist extrem. Das nachzuweisen dürfte jedoch schwierig sein, wie die Experten des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer beim SZ-Telefonforum erklärt haben. Und es gab zahlreiche weitere Leserfragen.

Auf dem Grundstück meines Nachbarn stehen ältere Nadelbäume. Die Äste hängen weit über den Zaun und in einem Meter Höhe über meinen Blumenbeeten. Kann ich sie abschneiden?

Im Bürgerlichen Gesetzbuch wird hier von einem sogenannten Überhang gesprochen. Den müssen Sie nicht dulden, wenn insbesondere die wirtschaftliche Nutzung Ihres Grundstücks beeinträchtigt wird. Das dürfte der Fall sein, wenn Sie einen Teil Ihrer Beete nicht mehr betreten können. Fordern Sie Ihren Nachbarn unter Setzung einer Frist schriftlich auf, den Überhang zu beseitigen. Tut er das nicht, können Sie zur Selbsthilfe greifen und die Zweige abschneiden. Geschnitten werden darf nur in der vegetationsfreien Zeit zwischen Oktober und Februar. Das ist auch bei der Fristsetzung zu beachten. Zudem müssen Sie prüfen, ob naturschutzrechtliche Regelungen einem Abschneiden entgegenstehen.

Die Koniferen-Hecke des Nachbarn ist etwa fünf Meter hoch. Sie steht aber nur einen Meter vom Zaun weg. Ist dies zulässig? Können wir ein Abschneiden auf eine geringere Höhe verlangen?

Nach Paragraf 9 Sächsisches Nachbarrechtsgesetz müssen Bäume, Sträucher und Hecken mindestens einen halben Meter Abstand von der Grundstücksgrenze haben. Steht eine Pflanze weniger als zwei Meter von der Grenze entfernt, darf sie nicht höher als zwei Meter werden. Sie könnten also vom Nachbarn den Rückschnitt auf zwei Meter fordern. Allerdings: Dieser Anspruch verjährt laut Paragraf 31 nach drei Jahren, wobei die Frist mit dem Jahr beginnt, das dem Überschreiten der zugelassenen Höhe folgt.

Die 20 Meter hohe Eiche meines Nachbarn ragt zur Hälfte in mein Grundstück. Bei mir landen herunterfallendes Laub und Äste. Er ist uneinsichtig, will nichts tun. Was habe ich für Rechte?

Wenn die Nutzung Ihres Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird, müssen Sie laut BGB den Überhang nicht dulden. Erheblicher Laubfall kann nach neuester Rechtsprechung als eine solche wesentliche Beeinträchtigung gewertet werden. Das gilt natürlich auch für Herabfallen von Ästen. Das zu verhindern, zählt grundsätzlich zu den Verkehrssicherungspflichten des Eigentümers. Im Zuge dessen sollte er ohnehin zweimal im Jahr eine Baumschau durchführen und erforderliche Pflegemaßnahmen veranlassen. Was den Überhang betrifft: Sie können den Nachbarn schriftlich auffordern, diesen innerhalb einer angemessenen Frist außerhalb der Vegetationsperiode zu beseitigen. Reagiert er nicht, können Sie die Äste selbst beseitigen, wenn dem keine naturschutzrechtlichen Regelungen entgegenstehen. Das ist bei der Eiche jedoch bestimmt der Fall. Es müsste also eine Ausnahmegenehmigung bei der Naturschutzbehörde beantragt werden.

Unser Nachbar vernachlässigt seinen Garten. Das ist kein schöner Anblick. Durch meinen Holzzaun wächst Efeu. Können wir den Mann dazu bringen, dass er den Garten besser pflegt?

Der Efeu darf selbstverständlich nicht Ihren Zaun beschädigen und auch nicht auf Ihr Grundstück hinüberwachsen. Fordern Sie den Nachbarn zum Rückschnitt auf. Ansonsten aber ist er in der Gestaltung seines Grundstückes frei. Und da gibt es eben unterschiedliche Vorstellungen. Eine lediglich optische Beeinträchtigung kann man in der Regel im Nachbarrecht nicht geltend machen. Es sei denn, es handelt sich zum Beispiel um eine gezielte Provokation – etwa das Aufstellen eines Frustzwerges an der Grenze oder einer Einfriedung, die baurechtlich nicht erlaubt ist.

Den Eigentümer unseres Nachbargrundstücks kennen wir nicht. Sträucher und Büsche wachsen in unseren Zaun und machen ihn kaputt. Wie kann ich den Nachbarn kontaktieren?

Wenden Sie sich an Ihr zuständiges Grundbuchamt. Besteht so wie bei Ihnen ein berechtigtes Interesse an den Eigentumsverhältnissen, muss das Amt Ihnen Auskunft geben. Wenn Sie die Adresse haben, fordern Sie den Nachbarn auf, den Überwuchs zu beseitigen und setzen Sie ihm dafür eine angemessene Frist. Diese sollte außerhalb der Vegetationsperiode vom 1. März bis 30. September liegen. Kündigen Sie ihm an, andernfalls selbst Hand anzulegen beziehungsweise eine Fachfirma zu beauftragen und ihm die Kosten in Rechnung zu stellen.

Mein Nachbar hantiert oft mit seinem lauten Rasentrimmer, meist nach der Arbeit. Auf meine Beschwerde hat er entgegnet, laut Gesetz dürfe er werktags bis 20 Uhr mit elektrischen Geräten im Garten arbeiten. Hat er recht?

Rasentrimmer oder -kantenschneider, die in der Regel über einen Elektroantrieb verfügen, dürfen tatsächlich bis 20 Uhr betrieben werden. Etwas anderes ist es bei einer Motorsense oder einem Freischneider, die für gewöhnlich einen Benzinmotor haben. Nach der Geräte- und Maschinenlärmverordnung gelten für solche Geräte und für Laubbläser und Laubsauger besondere Zeiten. Sie dürfen nur werktags von 9 bis 13 Uhr sowie von 15 bis 17 Uhr betrieben werden. Ein Rasenmäher wiederum darf an Werktagen von 7 bis 20 Uhr betrieben werden, wobei hier eine Mittagsruhe einzuhalten ist, wenn diese örtlich festgelegt ist.

Mein Nachbar hat in seinem Garten ein größeres Windspiel installiert, das uns mitunter mächtig nervt. Er zeigt für uns aber kein Verständnis. Können wir auf dem Klageweg etwas erreichen?

Die Chancen sind schwer abzuschätzen. In ähnlichen Fällen haben Gerichte geurteilt, dass allein die subjektive Wahrnehmung der Kläger als Begründung unzureichend ist. Vielmehr käme es darauf an, dass die gesetzlich festgelegten Lärmgrenzen überschritten werden, was bei einem Windspiel schwer nachzuweisen ist. Gerade in Fragen einer Lärmbelästigung ist jeder Einzelfall zu betrachten. Bei einer wesentlichen Beeinträchtigung und besonders bei Störung der Nachtruhe könnten Sie einen Abwehranspruch haben. Denkbar wäre ein Kompromiss, zum Beispiel über den Standort des Windspiels. Die Schiedsstelle der Gemeinde, in Sachsen Friedensrichter genannt, könnte dabei behilflich sein. Fakt ist: Gerade im nachbarschaftlichen Verhältnis hat sich jeder so zu verhalten, dass gegenseitig schädliche Einwirkungen vermieden werden, soweit dies möglich und zumutbar ist. Da sollte sich doch bei einem Windspiel eine Einigung erzielen lassen.

Mein Nachbar hat jetzt einen Kamin im Wohnzimmer. Brand- und Abgasgerüche dringen bis in mein Schlafzimmer. Wie kann ich mich dagegen wehren?

Offene Kamine dürfen gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz nur gelegentlich betrieben werden und das nur mit naturbelassenem Holz oder Holzbriketts. Gerichte haben es dahingehend präzisiert, dass der Betrieb bei Beeinträchtigungen des Nachbarn behördlich auf acht Tage pro Monat für fünf Stunden beschränkt werden könne. Allerdings werden heute meistens geschlossene Kaminöfen genutzt, für die es keine Beschränkungen gibt. Für alle Arten von Kaminen gilt: Sie müssen die zulässigen, seit 2021 herabgesetzten Grenzwerte für Staub und für Kohlenmonoxid einhalten. Sonst kann der Bezirksschornsteinfegermeister eingeschaltet werden, und Ihr Nachbar muss dann entweder einen Filter nachrüsten oder den Kamin stilllegen.

Ich ärgere mich über den Komposthaufen, den mein Nachbar an der Grundstücksgrenze angelegt hat. Er wird immer höher, und ich fürchte, dass er Ungeziefer anzieht. Gibt es Regelungen?