Reingefallen: Die Tricks der Mobilfunkanbieter

Crimmitschau. Bislang fühlte sich Tom K. ganz gut aufgehoben bei Mobilcom-Debitel. „Seit August 2020 habe ich bei denen einen Zwei-Jahres-Vertrag laufen“, sagt der 32-Jährige aus dem westsächsischen Crimmitschau. Der Deal sei fair gewesen: knapp 25 Euro monatlich für eine Flatrate mit zehn Gigabyte Datenvolumen und ein Samsung Galaxy S20 noch dazu. „Das war ein gutes Schnäppchen.“
Leider, so sagt K., gehe das Vertragsverhältnis mit „penetranten Anrufen“ von Callcenter-Mitarbeitern einher. Kontakte zu blockieren bringe nichts. „Die rufen dann direkt über eine andere Nummer an.“ Bei einem dieser Anrufe – es muss im Juni gewesen sein – macht der junge Mann einen taktischen Fehler. „Da war eine Dame dran, die mir eine Zusatzkarte andrehen wollte.“ Seinen Einwand, er brauche und wolle gar keine weitere Sim-Karte, lässt die Callcenter-Agentin nicht gelten. Ihr Vorschlag zur Güte: Mobilcom-Debitel werde ihm trotzdem ein Exemplar zuschicken; er müsse das Angebot ja nicht in Anspruch nehmen, automatische Mehrkosten entstünden keine. Im Bestreben, das nervige Telefonat endlich beenden zu können, willigt K. ein.
Wenige Tage später liegt ein Umschlag im Briefkasten. Darin steckten eine noch verpackte Triple-Sim und ein Begleitschreiben, das ihn verwundert und verärgert. Unter anderem wird Folgendes angekündigt: „Wenn Sie Ihre neue Sim-Karte nicht telefonisch aktivieren, schalten wir die Karte für Sie automatisch nach 20 Tagen frei. Die Abrechnung Ihres Zusatztarifs erfolgt einfach und bequem über Ihre monatliche Mobilfunkrechnung.“ Was fehlt, ist ein Hinweis auf die Kosten. Der Blick in die Widerrufsbelehrung steigert K.s Ärger noch. Zwar heißt es da, dass er den Vertrag binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen dürfe, das Porto für die Rücksendung soll er aber wohl berappen. Zitat: „Bei Rücksendungen mit einem Warenwert bis 40 Euro tragen Sie die unmittelbaren Kosten der Rücksendung.“

Adresse existiert nicht
Der erste Widerrufsversuch scheitert. Seine Mail an die über Google auffindbare E-Mail-Adresse [email protected] wird mit dem Hinweis auf Unzustellbarkeit quittiert. „Sie haben Ihre Anfrage an eine E-Mail-Adresse gerichtet, die nicht mehr existiert. Darum können wir Ihr Anliegen derzeit nicht bearbeiten. Eine Weiterleitung ist leider nicht möglich.“
Mobilcom-Debitel wähnt sich auf der sicheren Seite. „Unsererseits ist kein rechtswidriges Verhalten zu erkennen“, sagt Unternehmenssprecher Rüdiger Kubald. Der fragliche Vertrag sei rechtmäßig im Wege des Fernabsatzes zustande gekommen, auch in die Kontaktaufnahme zu Werbezwecken habe Tom K. seinerzeit eingewilligt. Gleiches gelte für die Aufzeichnung des Telefonats. Aus dem Mitschnitt gehe hervor, „dass Herr K. dem Versand der beworbenen Partnerkarte zustimmt. Eine andere beworbene Dienstleistung – Waipu TV – lehnte er ab, sodass diese entsprechend auch nicht gebucht worden ist.“ Im Übrigen, so Kubald weiter, sei weder schriftlich noch mündlich die Rede von der Rücksendung der Nano-Sim gewesen. „Vielmehr geht es bei der Regelung zu Rücksendungen im Rahmen eines Widerrufs um bestellte kostenintensive Hardware wie Handys oder Tablets.“
Tatsächlich habe eine Sim-Karte als solche keinen Wert, sagt Claudia Neumerkel von der Verbraucherzentrale Sachsen. Insofern könne niemand zur Retoure auf eigene Kosten verpflichtet werden. Alles bestens also bei Mobilcom-Debitel? Mitnichten, sagt die Juristin. Vielmehr falle der Mobilfunk-Discounter ihren Kollegen in der Marktbeobachtung immer wieder durch Abofallen, untergeschobene Verträge und Telefonterror nach Kündigungen auf.
Vertragsparteien widersprechen sich
Solche Methoden sind allerdings auch anderswo in der Telekommunikationsbranche üblich. Am häufigsten fällt dabei der Name Vodafone, ergab eine im Mai veröffentlichte Auswertung des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV). Im Mobilfunksektor sei Vodafone hierzulande zwar nur der drittgrößte Anbieter, dennoch gebe es dort im Vergleich zu den Wettbewerbern die meisten Beschwerden, so der VZBV. Die gleiche Tendenz zeigt sich beim Blick in das Beschwerdeportal Reclabox, auf dem Verbraucher ihre ungelösten Fälle einstellen und Unternehmen zur Klärung auffordern können.
Was die kritisierten Geschäftspraktiken betrifft, gilt der Grundsatz „Alles schon mal da gewesen“. Eine der Vorgängerfirmen von Mobilcom-Debitel etwa stand bereits 2008 in der Kritik für das unverlangte Versenden von Partnerkarten – vermeintlich als „Dankeschön für Ihre Treue“. Dabei hatten die Betroffenen gar nichts bei Mobilcom bestellt. Experten vermuteten damals, die Aktion sei initiiert worden, um die eigenen Kundenzahlen aufzuhübschen. Die Liste weiterer Kritikpunkte ist lang: Ärger mit der Drittanbietersperre, hohe Folgekosten nach einer Kartensperrung, intransparente Rechnungsstellung, ignorierte Kündigungen.
Im Fall von Tom K. widersprechen sich die Vertragsparteien selbst in Details. So erklärt Mobilcom-Debitel-Sprecher Kubald, der Kunde habe inzwischen der Einwilligung zur Kontaktaufnahme zwecks Werbung widersprochen. „Habe ich nicht“, erwidert K., „keine Ahnung, wo er das hernimmt. Werde ich aber machen, falls ich doch noch mal kontaktiert werden sollte.“ Nach Ablauf seiner Vertragszeit im August kommenden Jahres will er sich einen neuen Mobilfunk-Anbieter suchen. Seine wichtigste Lehre aus der Geschichte? „Man muss immer ein klares ,Nein’ formulieren, wenn solche Anrufe kommen.“
Auch die korrekte E-Mail-Adresse des Kundendienstes weiß er inzwischen. Sie lautet [email protected].
Drei Tipps, um Ärger zu vermeiden
- Tipp1 - Vertrag widerrufen: Wurde der Handyvertrag am Telefon oder online geschlossen, kann der Verbraucher den Handyvertrag widerrufen. Grundlage hierfür sind die Paragrafen 355 und 312c BGB (Letzterer betrifft sogenannte Fernabsatzverträge). Ein Musterschreiben für den Widerruf eines beliebigen Mobilfunkvertrags finden Sie hier.
- Tipp 2 - Drittanbietersperre einrichten: Diese kostenlose Sperre gewährleistet, dass die Option, bestimmte Dienste von Drittanbietern über die eigene Mobilfunkrechnung zu bezahlen, vom Netzbetreiber für die eigene Nummer abgeschaltet wird. Das funktioniert unter anderem übers Onlinekonto, telefonisch, per Kontaktformular oder Chat. Wichtig: Die Sperre schützt nicht vor laufenden Abonnements, die müssen extra beendet werden. Kontaktdaten der großen Provider finden Sie hier.
- Tipp 3 - Werbeeinwilligung widerrufen: Jeder, der Sie zu Werbezwecken anrufen will, muss zuvor Ihre ausdrückliche Einwilligung einholen. Diese Einwilligung können Sie jederzeit ohne Angaben von Gründen widerrufen. Achten Sie in Verträgen genau darauf, ob eine solche Einwilligung gefordert wird. Entfernen Sie ggf. das Häkchen oder streichen Sie die fragliche Passage im Vertrag. Sind Sie doch widerrechtlich kontaktiert worden, melden Sie den Fall hier der Bundesnetzagentur.