Update Leben und Stil
Merken

"Versandkosten Wucher!!" - BGH erlaubt harsche Kundenkritik auf Ebay

Wie weit Kunden-Kritik im Internet gehen kann, hat jetzt das oberste Bundesgericht entschieden.

 3 Min.
Teilen
Folgen
Wer nach einem Geschäft über die Internetplattform Ebay verärgert ist, kann seine Kritik - rechtlich abgesichert - auch mit harschen Worten und überzogen formulieren.
Wer nach einem Geschäft über die Internetplattform Ebay verärgert ist, kann seine Kritik - rechtlich abgesichert - auch mit harschen Worten und überzogen formulieren. © dpa

Karlsruhe. 19,26 Euro kosteten die vier Gelenkbolzenschellen bei der Firma Schlauchland auf Ebay, 4,90 Euro davon waren für den Versand. Nach dem Geschäft auf der Internetplattform hinterließ der Käufer eine Bewertung: „Ware gut, Versandkosten Wucher!!“

Ob er das durfte, darüber hat am Mittwoch der Bundesgerichtshofs (BGH) befunden. Ergebnis: Wer nach einem Geschäft über Ebay verärgert ist, kann seine Kritik auch mit harschen Worten und überzogen formulieren. Diese darf nach dem Urteil nur keine Schmähkritik sein, also nicht rein der Herabwürdigung des Verkäufers dienen. Werturteile seien durch die Meinungsfreiheit im Grundgesetz geschützt, entschied der achte Zivilsenat. „Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung.“ (Aktenzeichen VIII ZR 319/20)

AGB dürften nicht die Meinungsfreiheit einschränken

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Ebay heißt es: „Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten.“ Beide Seiten hatten den AGB zugestimmt.

Der Wortlaut der AGB sei nicht eindeutig, sagte die Vorsitzende Richterin Rhona Fetzer. Mehrere Interpretationen seien möglich. Was sachlich sein soll, sei nicht weiter definiert. Fetzer räumte ein, der Begriff Schmähkritik sei nicht eindeutig. Hier komme es etwa darauf an, ob jemand „jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll“.

BGH-Anwalt Thomas Kofler als Vertreter des Kunden hatte argumentiert, AGB dürften nicht die Meinungsfreiheit einschränken. Wie hoch die Versandkosten sind, könne jeder potenzielle Käufer einfach nachprüfen. Die Vertreterin der Gegenseite, Brunhilde Ackermann, zielte auf die Wortwahl ab: „Wucher“ sei schon ein scharfes Geschütz. Da gebe es keinen Bezug zur Sache. Der Kunde habe die Versandkosten gekannt und das Geschäft dennoch abgeschlossen. Die Schlauchland GmbH hielt die Bewertung für unzulässig und wollte, dass der „Wucher“-Kommentar entfernt wird. Das Amtsgericht in Weiden in der Oberpfalz hatte das abgelehnt. Die Bewertung sei in einen Zusammenhang mit den Versandkosten gestellt.

Oft drohen Kunden mit absichtlich negativen Kommentaren

Das Landgericht in Weiden wiederum entschied im Berufungsverfahren, es handele sich um eine überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug, weil für einen objektiven Leser nicht erkennbar sei, warum die Versandkosten „Wucher“ sein sollen. Gegen das Urteil ging der Käufer in Revision. BGH-Richterin Fetzer betonte, anders als vom Landgericht angenommen müssten Kunden ihre Kritik nicht begründen.

Aus Sicht der Verkäufer-Firma handelt es sich um eine Art Präzedenzfall. Solche Bewertungen stellten ein erhebliches Ärgernis für nahezu den gesamten Online-Handel dar. Viele Kunden vertrauten auf die Bewertung vormaliger Käufer. Ungerechtfertigte negative Bewertungen seien demzufolge erheblich geschäftsschädigend. Der finanzielle Schaden sei nicht abzuschätzen. Es sei keine Seltenheit, dass Kunden mit absichtlich negativen Kommentaren drohten, um etwa Preisnachlässe oder eine Rückgabe durchzusetzen. (dpa/rnw)