Wie teuer wird der Campingurlaub?

Günstiger wird die Anreise zum Urlaubsziel wohl nie wieder. "Neun-Euro-Ticket", sagt Selina Walter und lächelt vielsagend. Allerdings habe die Zugfahrt aus der fränkischen Heimat in die Sächsische Schweiz fast einen ganzen Tag gedauert. Die letzten Meter von der Bushaltestelle in Mittelndorf zum Campingplatz Kleine Bergoase sind die Studentin und ihr Freund Paul Pottler gelaufen. "Superschön" sei der Platz, sagt der 23-Jährige. "Die Leute sind sehr freundlich, man grüßt sich und kommt leicht ins Gespräch."
Auch die Landschaft sei ein Traum: Schrammsteine in Sichtweite, der Wanderweg ins Kirnitzschtal ist nur 15 Minuten entfernt. Den Stellplatz für ihr Zelt gibt es für vergleichsweise kleines Geld: 5,50 Euro sind es pro Nacht, dazu kommen 10,70 Euro pro Nase und die Kosten fürs Essen. Dafür rechnet das Paar mit 60 Euro für fünf Tage. Viel mehr wäre im Budget nicht drin gewesen, sagt Pottler. "Das ist das, was wir uns leisten können."
Geld beeinflusst derzeit viele Urlaubspläne. Standen die Sommermonate der vergangenen zwei Jahre ganz im Zeichen der Corona-Pandemie, könnten sie 2022 zusätzlich von der Inflation überschattet werden. Momentan sei die Auslastung gut, sagt Bergoasen-Chef André Balogh. "Allerdings haben wir nur einen kleinen Platz." Bei der Konkurrenz mit größeren Kapazitäten könne es über die gesamte Saison hinweg auch anders aussehen. Als hinderlich für eine größere Nachfrage sieht der 48-Jährige neben Corona vor allem die hohen Kraftstoffpreise. "Bei jeder Fahrt zur Tankstelle verlieren die Leute die Lust auf einen Ausflug."
Was die Preise auf den 3.000 Campingplätzen zwischen Flensburg und Garmisch angeht, lässt sich bislang ein moderater Anstieg konstatieren. Laut einer im Frühjahr veröffentlichten ADAC-Analyse liegen die Übernachtungskosten in der Hauptsaison rund drei Prozent über Vorjahresniveau. Der Anstieg sei niedriger ausgefallen als erwartet, sagt Thomas Reimann vom Campingportal Pincamp. Auch der Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD) erwartet hierzulande keinen rasanten Anstieg. "Die Preise sind im Camping wenig dynamisch, da die Betriebe in der Regel die Preise im Vorjahr festlegen", erklärt Verbandsgeschäftsführer Christian Günther. Allerdings sind Energie- und Lohnkosten zuletzt deutlich stärker gestiegen als die Inflationsrate. So bringe die Erhöhung des Mindestlohns von 9,60 auf zwölf Euro einen enormen Kostenschub für die gesamte Campingbranche mit sich, heißt es aus den BVCD-Landesverbänden.
Campingplatz-Übernachtung kostet im Schnitt 38,33 Euro
Die steigenden Strom- und Gaspreise dürften manche Anbieter außerplanmäßig an ihre Gäste weitergeben, vermutet Thomas Reimann. Wie sehr diese Maßnahme die Urlaubsbudgets zusätzlich belasten wird, lasse sich aber nicht voraussagen. "Nach allem, was wir hören, wird es wohl glimpflich abgehen."
Im Schnitt kostet die Logis auf einem Platz in Deutschland 38,33 Euro pro Nacht. In diesem Preis sind laut Reimann die Stellfläche fürs Fahrzeug – inklusive zwei Erwachsenen und ein zehnjähriges Kind –, Strom- und Wassergebühren, Ver- und Entsorgung sowie touristische Abgaben enthalten. Sind die Berge oder das Meer nicht weit, kann die Tagespauschale auch deutlich höher ausfallen. Teuerstes Pflaster ist demnach Mecklenburg-Vorpommern mit 42,60 Euro, gefolgt von Schleswig-Holstein mit 40,70 Euro und Bayern mit 40,20 Euro pro Nacht. Die sächsischen Campingplätze liegen mit 37,60 Euro knapp unter dem Bundesdurchschnitt. Als ausgebucht gemeldet sei bislang keine Region, sagt BVCD-Geschäftsführer Günther.

Ohne Vorplanung zu einem Roadtrip durchs Land aufzubrechen, könnte dennoch damit enden, am Tagesziel abgewiesen zu werden: Auf gut Glück loszufahren sei diesen Sommer keine gute Idee, warnt Thomas Reimann. "Wer spontan sein will, braucht Mut. Und muss trotzdem einkalkulieren, notfalls eine Nacht auf dem Autobahnrastplatz zu verbringen."
Dass die Nachfrage in Deutschland insgesamt leicht unter dem Niveau der beiden Vorjahre liegen könnte, hat mit der Lust vieler Camper aufs europäische Ausland zu tun. Lag das Urlaubsziel 2020 und 2021 notgedrungen in der Heimat, habe sich der Trend für dieses Jahr gedreht, sagt Reimann. Momentan stehe Kroatien an erster Stelle, gefolgt von Italien und Frankreich.
Wohnmobil-Verleiher haben nicht mehr viel anzubieten
Wer im Sommer mit dem Wohnmobil nach Spanien oder Großbritannien reist, bekommt die Teuerung am stärksten zu spüren. In beiden Ländern sind die Preise laut ADAC um durchschnittlich acht Prozent gestiegen, Kroatien landet mit sieben Prozent knapp dahinter. Am wenigsten wirkt sich die Inflation in Schweden aus. Hier meldeten die Platzbetreiber ein Plus von einem Prozent.
Für Campingfreunde, die sich ihre rollenden Domizile mieten müssen, gibt es aber noch ein anderes Problem: Die Verleiher haben nicht mehr viel anzubieten. So endet beispielsweise eine Onlineabfrage über die ADAC-Webseite für die Dresdner Mietstation von Schaffer-Mobil für den Zeitraum vom 18. Juli bis 1. August mit folgender Auskunft: "Leider gibt es momentan im Umkreis von 90 Kilometern offenbar keine verfügbaren Fahrzeuge mehr. Bitte wählen Sie daher eine andere Suchregion und/oder einen anderen Termin."
Laut Geschäftsführer Sören Schaffer ist die aus 60 Fahrzeugen und 15 Wohnwagen bestehende Leihflotte während der Sommerferien in Sachsen zu 90 Prozent ausgebucht. "Es gibt nur noch vereinzelte Lücken." Sofern sie sie finden, könnten terminlich flexible Urlauber auf Preisnachlässe von bis zu 15 Prozent hoffen, sagt er. Nach Ferienende und im Herbst seien dann wieder in fast allen Fahrzeugklassen freie Zeiträume zu finden. Ein Wohnmobil für zwei Wochen – etwa vom 27. August bis zum 10. September – würde dann ab rund 1.800 Euro zu bekommen sein.
Mancher Mitbewerber hat sich derweil aus dem Verleihgeschäft verabschiedet – zumindest bis auf Weiteres. "Aufgrund der äußerst angespannten Liefersituation vermieten wir dieses Jahr keine Fahrzeuge", sagt Sara Böhm von der Caravan Böhm GmbH im erzgebirgischen Thum. Caravan Meinert aus Moritzburg geht den gleichen Schritt, allerdings erst im nächsten Jahr.
"Die stockenden Lieferketten machen der Branche weiter sehr zu schaffen. Händler und Kunden müssen aktuell länger auf ihre Fahrzeuge warten, da es den Herstellern an Material und Bauteilen fehlt", warnte Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des Caravaning-Industrie-Verbandes (CIVD), bereits im April.
Profitieren könnten Plattformen wie Indiecamper, Yescapa, Campanda oder PaulCamper. Deren Geschäftsmodell besteht darin, Interessenten und private Vermieter zusammenzubringen. Allerdings zeigen stichprobenartige Abfragen, dass man auch hier keine Schnäppchen erwarten sollte. So kostet beispielsweise ein im Chemnitzer Stadtteil Altendorf stationierter VW-Campingbus des Typs T4 stolze 1.890 Euro, wenn man ihn in der Hochsaison für drei Wochen über PaulCamper mieten möchte. Der Haken an dem Deal: Das Gefährt ist 2003 erstmals zugelassen worden und hat bereits mehr als 300.000 Kilometer auf dem Tacho.

ADAC sieht Trend zum Microcamping
Wobei die Deutschen nicht mehr zwingend zwei oder drei Wochen Sommercamping machen wollen. ADAC-Experte Thomas Reimann sieht stattdessen einen Trend zum Microcamping, also dezentralem Campen auf privaten Grundstücken. Je nach Anbieter sind diese Quartiere nur für wenige Übernachtungen, manchmal auch nur für eine Nacht gedacht und entweder preiswert oder sogar kostenlos. Einer der Vermittler von Gratis-Domizilen ist 1nitetent, ein Start-up aus Sachsen, das mittlerweile rund 850 Zeltstellplätze in Europa listet. In sehr beliebten Regionen sei die Frequenz 2021 so hoch gewesen, dass einige Gastgeber ihr Gratis-Domizil wieder abgemeldet hätten, sagt Betreiber Patrick Pirl.
Auch klassische Campingplatzbetreiber berichten von der Tendenz, dass viele Kurzaufenthalte gebucht werden. Kurz bedeute für ihn ein bis drei Nächte, sagt André Balogh von der Kleinen Bergoase in der Sächsischen Schweiz. Für die ebenfalls von ihm vermieteten Appartements in einem Bauernhaus und einer umgebauten Scheune bedeute das einen erhöhten Reinigungsaufwand. Kurzzeitgästen berechnet Balogh deshalb einen Einmalzuschlag von 30 bis 35 Euro – je nach Größe der Wohnung. Zeltgästen bleiben solche Extrakosten erspart, schließlich hinterlassen sie bestenfalls ein paar Quadratmeter platt gedrückte Grashalme.
Glaubt man Touristikern wie Christian Günther, ist eine Renaissance dieser simpelsten Form des Campings im Gange. "In vielen Haushalten ist ja das nötige Equipment dafür vorhanden." Das stimmt: Statistisch gesehen gab es 2021 in Deutschland rund 9,65 Millionen Personen im Alter von über 14 Jahren, die Ausrüstung fürs Zelten, zum Campen oder für Outdoor-Aktivitäten im Haushalt besaßen.
Auch für Paul Pottler und seine Freundin wird es nicht das letzte Mal Camping gewesen sein. "Vielleicht zelten wir künftig jedes Jahr", sagt er. Ideen für lohnende Ziele haben die beiden genug. "Zum Beispiel das Allgäu. Oder eine Region, in der wir Kanutouren unternehmen und an unseren Tageszielen campen können."