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Gemütliches Nest für Sorgenkinder

Ein neues Heim in Freital fängt Mädchen und Jungen aus schwierigen Verhältnissen auf.

Von Annett Heyse
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Sozialpädagogin Maria Dittrich setzt mit den Kindern im Spiel- und Aufenthaltsraum aus Steckbausteinen einen Turm zusammen. Bis zu sechs Vorschulkinder können im Freitaler „Nesthäkchen“ des Kinder- und Jugendhilfeverbundes aufgenommen werden.
Sozialpädagogin Maria Dittrich setzt mit den Kindern im Spiel- und Aufenthaltsraum aus Steckbausteinen einen Turm zusammen. Bis zu sechs Vorschulkinder können im Freitaler „Nesthäkchen“ des Kinder- und Jugendhilfeverbundes aufgenommen werden. © Foto: Andreas Weihs

Es gibt Nudeln mit Bolognese und Käse. Die Knirpse langen ordentlich zu, einer kratzt mit den Händen die Schüssel aus. Die Tischmanieren des Eineinhalbjährigen sind aber gerade das geringste Problem. Wer in Freitals neuem Kinderheim, dem „Nesthäkchen“ aufgenommen wird, hat trotz seines jungen Alters schon eine turbulente Biografie vorzuweisen.

Das Haus, vom Kinder- und Jugendhilfeverbund ganz neu eingerichtet und am Freitag offiziell eröffnet, ist ein Zuhause auf Zeit für Kinder, die vom Jugendamt aus überforderten Familien geholt werden. Es sind Elternhäuser, die mit der Pflege, Erziehung, Beschäftigung ihres Nachwuchses nicht zurechtkommen. „Oft handelt es sich um sehr junge Eltern, die die Bedürfnisse ihrer Kinder nicht erkennen oder erfüllen können“, erläutert Antje Förster, Referatsleiterin im Jugendamt des Landkreises. Die Kinder würden zu verwahrlosen drohen oder sind es schon. Förster betont aber, dass die Mädchen und Jungen aus dem „Nesthäkchen“ mit Einwilligung ihrer Mütter und Väter ins Heim kämen. Ziel sei es, den Kindern einen strukturierten und liebevollen Alltag zu verschaffen und die Eltern zu entlasten. Bestandteil des Konzeptes ist es auch, den Eltern zu vermitteln, wie sie den Alltag mit Kindern besser in den Griff bekommen. Dazu sollen im „Nesthäkchen“ Gespräche, Kurse und Therapien angeboten werden.

Das Haus wurde 1934 als Arztpraxis mit darüberliegenden Wohnungen errichtet. „Mein Onkel, der HNO-Arzt Augustin, arbeitete und lebte hier“, berichtet Dietmar Voigt. Später war in dem Gebäude eine Poliklinik untergebracht, nach der Wende praktizierte der HNO-Mediziner Steiner in der Dresdner Straße 155. Mit der Flut 2002 wurde die Praxis weggespült, die Voigts lebten zuletzt allein in dem Haus. Ihr Wunsch war es, dass es nach dem Verkauf als soziale Einrichtung weiter besteht. Nun sind sie ganz begeistert, was innerhalb nur eines halben Jahres Bauzeit alles entstanden ist.

Im Erdgeschoss sind Aufenthaltsraum, Küche und Garderobe untergebracht. In der ersten Etage befinden sich die Schlafzimmer. Zwei Kinder teilen sich jeweils einen Raum. In jedem stehen zwei Bettchen, dazu Kleiderschränke und Tisch – alles ganz neu und nicht aus dem Billigsortiment. Maximal können sechs Kinder im Vorschulalter aufgenommen werden. Neben den Schlafräumen befindet sich der Snoozle-Raum, wohin die Kleinen sich zum Kuscheln und Träumen zurückziehen können. Zwölf Sozialpädagogen kümmern sich im Schichtdienst um ihre Schützlinge.

„Wir wollen, dass die Kinder ganz viel Liebe und Geborgenheit erfahren, denn das hatten sie bisher nicht“, sagt Ralph Grundmann. Er ist der Vorsitzende des Kinder- und Jugendhilfeverbundes und sehr froh, das Haus nun eröffnen zu können. Sein Dank gilt deshalb ausdrücklich den vielen Handwerkern, die trotz übervoller Auftragsbücher Gas gegeben haben. Denn das Gebäude musste entkernt, Wände versetzt und ein zweites Treppenhaus angebaut werden. Einige Restarbeiten werden noch in den nächsten Tagen ausgeführt.

Dass das „Nesthäkchen“ schon in Betrieb gegangen ist, liegt an der Nachfrage. Bereits am 1. November, als noch die Handwerker im Gebäude waren, kamen die ersten zwei Kinder. Inzwischen sind es fünf. Denn leider gebe es genügend Fälle für das Team vom Nesthäkchen, sagt Ralph Grundmann: „Wir tun hier alles, um ein bisschen wettzumachen, was die eigenen Eltern versäumt haben.“