Von Ulrich Heyden,SZ-Korrespondent in Moskau
Auf dem Platz vor dem Parlament und dem Rustaveli-Boulevard in Georgiens Hauptstadt Tiflis ging es am Freitag hoch her. Etwa 100000 Menschen hatten sich zu einer Protestkundgebung gegen Staatspräsident Michail Saakaschwili versammelt. Sie riefen „Georgien, Georgien“, und „Mischa - geh!“
Am Abend empfing Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse eine Delegation der Opposition. Diese forderte ultimativ, die Parlamentswahlen nicht – wie von Saakaschwili geplant – vom Frühjahr auf den Herbst zu verschieben. Außerdem forderten sie den Rücktritt des Präsidenten. Dieser hielt sich unterdessen im Osten des Landes auf. Saakaschwili ließ das Ultimatum der Opposition kommentarlos verstreichen. Die Redner vor dem Parlamentsgebäude drohten mit unbefristeten Aktionen des zivilen Ungehorsams. Als Zeichen ihrer friedlichen Absichten trugen die Menschen weiße Armbinden. Die Polizei schritt nicht ein.
Die Ereignisse in Tiflis erinnerten an die Rosenrevolution, die am 2. November 2003 begonnen und zum Rücktritt von Präsident Eduard Schewardnadse geführt hatte. Man warf ihm Wahlfälschungen und Vetternwirtschaft vor. Das Lager der Rosenrevolutionäre ist inzwischen zerfallen. Ex-Verteidigungsminister Irakli Okruaschwili hatte eine Oppositionspartei gegründet und schwere Vorwürfe gegen Saakaschwili erhoben. Dieser soll Auftragsmorde gegen politische Gegner angeordnet haben.
Kritiker muss Land verlassen
Wenig später wurde Okruaschwili wegen einer angeblichen Korruptionsaffäre verhaftet, aber gegen eine Kaution von umgerechnet 4,5 Millionen Euro wieder freigelassen. In der Nacht auf Freitag wurde der Ex-Verteidigungsminister, der nach Angaben seiner Anwältin an der Kundgebung der Opposition teilnehmen wollte, unter mysteriösen Umständen gezwungen, das Land zu verlassen. Er soll sich nun in München aufhalten, angeblich zur medizinischen Behandlung.