SZ + Leben und Stil
Merken

Antikörper schützen nicht vor Borreliose

In Sachsen wurden vergangenes Jahr 34.000 Borreliose- und 31 FSME-Fälle festgestellt. Die Gefahr von Infektionen steigt. Sie können sogar tödlich sein.

Von Stephanie Wesely
 5 Min.
Teilen
Folgen
Die Zecke muss schnell raus, damit sie keine Borreliose übertragen kann.
Die Zecke muss schnell raus, damit sie keine Borreliose übertragen kann. © 123rf

In diesem Text lesen Sie:

  • Warum Borreliose in Sachsen so häufig ist
  • Welche Aussagekraft Blutuntersuchungen haben
  • Ob es bald eine Impfung gegen Borreliose gibt
  • Wie man eine Zecke richtig entfernt

Fast ganz Sachsen ist Zecken-Risikogebiet. Da sich jetzt viele Menschen gerne im Freien aufhalten, steigt die Angst vor einer Infektion mit Borreliose oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Vorbeugung ist möglich, Heilung nicht immer.

Wie hoch ist das Risiko, an FSME oder Borreliose zu erkranken?

Borreliose tritt ungefähr hundertmal häufiger auf als FSME. „Etwa 0,5 bis drei Prozent der Zecken sind mit FSME-Viren infiziert, jedoch 20 bis 40 Prozent mit Borreliose-Bakterien“, sagt Ute Mackenstedt, Parasitologin an der Universität Hohenheim. Während eine FSME-infizierte Zecke die Viren sofort und mit jedem Stich überträgt, könne man sich vor einer Borreliose schützen, indem man die Zecke rechtzeitig entfernt. Ein Infektionsrisiko besteht der Parasitologin zufolge erst, wenn sich die Zecke länger als zwölf Stunden festsaugt. „Die Borrelien befinden sich im Verdauungstrakt der Zecke und werden erst nach dieser Zeit in die Wunde abgegeben“, sagt sie. Kassenärzte diagnostizierten im letzten Jahr deutschlandweit etwa 360.000 Borreliosefälle, in Sachsen 34.000. FSME wurde 2021 deutschlandweit 390-mal gemeldet, ein Jahr zuvor 712-mal, in Sachsen gab es 23 beziehungsweise 31 FSME-Fälle.

Warum sind in Sachsen die Borrelioseinfektionen so hoch?

Die Zecken breiten sich immer weiter nach Norden aus. Damit steigt die Gefahr einer Infektion durch Zeckenstiche. Für Friederike Neumann, Infektiologin aus Leipzig, hat das viele Gründe. Einer ist der Klimawandel, da Zecken bereits ab sieben Grad aktiv werden. „Es wird aber auch häufiger eine Borreliose-Diagnostik durchgeführt“, sagt sie. Hinzu komme die Meldepflicht.

Wie werden Borreliose und FSME im Labor nachgewiesen?

„Nachgewiesen werden nicht die Erreger, sondern die Antikörper“, sagt Dr. Christian Scholz, Geschäftsführer des Laborzentrums Diagnosticum in Dresden. Es gehört zum Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin. Bis sich aber Antikörper bilden, könne es drei bis sechs Wochen dauern. Sofort nach dem Stich eine Blutuntersuchung zu veranlassen, sei demnach nicht sinnvoll. Bei FSME-Verdacht werden Blutserum und Liquor (Nervenwasser) untersucht, bei Borreliose nur Blutserum. Bei Borreliose ist eine Blutuntersuchung nicht verpflichtend, wenn sich eine Wanderröte, also ein sich ausdehnender Ring um die Einstichstelle, bildet. Das ist Nachweis genug, so die Leipziger Infektiologin.

Wie sicher sind die Laborbefunde bei Borreliose?

Christian Scholz zufolge wird zunächst ein hochsensitiver Test – Elisa genannt – durchgeführt. Damit ließen sich spezifische und ähnliche Antikörper erkennen. „Der Elisa-Test ist so eingestellt, dass wir kaum eine Borrelieninfektion übersehen können“, so der Labormediziner. Sei dieser Test positiv, folge der Westernblot, der eine höhere Spezifität hat, also ausschließlich Borrelien-Antikörper erkennt. Mit dieser Abfolge der Untersuchungen ist eine hohe Sicherheit gewährleistet. Die Tests sind zudem Kassenleistungen, wenn sie ärztlich verordnet wurden.

Lässt sich im Blut erkennen, ob die Infektion frisch oder alt ist?

Das Problem bei der Antikörperbestimmung ist, dass sie über Monate oder Jahre im Körper nachweisbar sind, wenn einmal eine Infektion stattgefunden hat. „Deshalb wird zwischen sogenannten IgM- und IgG-Antikörpern unterschieden“, so Dr. Scholz. Ein hoher IgM-Wert, der den IgG um ein Vielfaches übersteigt, sei für Labormediziner ein Indiz für eine frische Infektion, ein hoher IgG und kaum noch nachweisbare IgM-Antikörper sprechen eher für eine länger zurückliegende Ansteckung. Doch häufig gibt es gleichzeitig Antikörper aus einer früheren und einer aktuellen Infektion. Das mache die Diagnostik schwierig.

Sind bei Spätborreliosen die IgG-Antikörperwerte hoch?

Patienten mit schweren neurologischen Symptomen oder Gelenkschmerzen klammern sich oft an solche Laborbefunde, um eine Ursache für ihre Beschwerden zu finden. Doch Christian Scholz zufolge könnten erhöhte IgG-Werte nichts darüber aussagen, ob die aktuellen Symptome mit der Borreliose zusammenhängen. „Die IgG-Werte sinken mit der Zeit. Trotzdem kann eine Spätborreliose vorhanden sein.“

Sind Menschen mit Borreliose-Antikörpern dann immun?

Antikörper sagen etwas darüber aus, dass sich der Körper gegen eine Erkrankung wehrt, jedoch nicht, dass man einen Schutz vor Borreliose hat, so der Labormediziner. „Borrelien sind trickreiche Erreger, die sich der Immunreaktion entziehen können. Ein großer Teil der Patienten schafft es, alle Borrelien zu bekämpfen, aber bei Weitem nicht alle.“

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Borreliose und FSME?

Borreliose wird nach positivem Laborbefund oder einer sogenannten Wanderröte um die Einstichstelle drei Wochen lang mit Antibiotika behandelt. Erfolgt dies rechtzeitig, ist die Chance groß, dass keine Folgen zurückbleiben, denn Antibiotika wirkten am sichersten, wenn sich die Borrelien in der Teilungs- und Vermehrungsphase befinden. Eine nicht erkannte Infektion kann aber nach Jahren chronische Beschwerden bereiten. Bei Neuro- oder Spätborreliosen kann das Nervensystem geschädigt sein. Auch schwere Gelenk- und Hautentzündungen sind möglich. Antibiotika können aber auch dann noch erfolgreich sein. Für FSME gibt es laut Robert Koch-Institut (RKI) keine ursächliche Behandlung. In schweren Fällen kommt es zu Gehirnhautentzündungen, Anfallsleiden, Lähmungen oder wiederkehrenden Schmerzzuständen. Ein Prozent der FSME-Erkrankungen verläuft tödlich.

Ist nach der Behandlung eine Kontrolluntersuchung nötig?

„Labormedizinisch ist nicht nachweisbar, ob die Antibiotikabehandlung erfolgreich war, da die Antikörper eine Zeit lang im Blut verbleiben“, sagt Christian Scholz.

Helfen antibiotische Salben bei Zeckenstichen?

Vor Jahren wurden große Hoffnungen in solche Salben gesetzt. Der Erfolg einer antibiotischen Lokalbehandlung der Einstichstelle ist der Infektiologin zufolge aber nicht hinreichend durch Studien belegt. Die rasche und sachkundige Entfernung der Zecke sei am wichtigsten.

Gibt es bereits eine Borreliose-Impfung?

Friederike Neumann: „In der Humanmedizin gibt es keinen verfügbaren Impfstoff. Es laufen aber Studien dazu.“ Vor FSME kann man sich aber durch Impfungen schützen.

Wie wird eine Zecke richtig entfernt?

Mit einer spitzen Pinzette, einer Zeckenzange oder Zeckenkarte. Ohne die Zecke zu quetschen, wird sie knapp über der Haut gefasst und nach oben herausgezogen, erklärt der Informationsdienst zecken.de. Ein eventuell in der Wunde verbleibender Rest sei nicht der Zeckenkopf, sondern Teil des Stechapparates. Dieser wird meist von selbst abgestoßen und stellt kein erhöhtes Gesundheitsrisiko dar. Zum Abschluss wird der Einstich mit Alkohol desinfiziert.