Heftiger Protest von Sachsens Apothekerschaft schlug Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei seinem Besuch diese Woche in Chemnitz entgegen. Grund ist die geplante Apotheken-Reform. Verschiedene Pläne sollen verhindern, dass weitere Standorte aufgeben. Göran Donner, Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer, sieht das skeptisch: „Uns wird ein Gesetz übergeholfen, das das Drama noch verschlimmert.“
Herr Donner, Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat ein neues Apotheken-Gesetz auf den Weg gebracht. Wird es das Apothekensterben aufhalten?
Nein, im Gegenteil. Die Versorgung wird für viele Menschen schlechter werden. Jede Apotheke, die wegfällt, hinterlässt ein Loch, vor allem in der Notfallversorgung auf dem Lande. Wir alle werden uns beim Besorgen unserer Medikamente umgewöhnen müssen. Gerade, wer mit E-Rezept und Smartphone nicht so gut zurechtkommt, wird sich ins Auto oder den Bus setzen und längere Wege in Kauf nehmen müssen.
Nach Ansicht von Karl Lauterbach betreiben die Apotheker Panikmache, weil sie höhere Honorare möchten.
Ich weiß nicht, wie man bei einem Verlust von über 3.000 Apotheken in Deutschland, davon allein 500 im Jahr 2023, von Panikmache sprechen kann. In Sachsen haben in den vergangenen Jahren etwa 100 aufgegeben. Entweder geht Herr Lauterbach davon aus, dass wir hierzulande mit deutlich weniger Betriebsstätten hinkommen. Oder aber er ignoriert, dass wir ein ernsthaftes Problem haben. Bei vielen ist die wirtschaftliche Not inzwischen sehr sehr groß.
Nimmt die Zahl der Apotheken nicht auch ab, weil es zu wenige und zu viele ältere Apotheker gibt?
Den Anteil schätze ich sogar sehr hoch ein. Wir haben in Sachsen durchaus gut gehende Apotheken. Wir stellen aber auch fest, dass bei vielen Jüngeren der Wille nachlässt, sich selbstständig zu machen. Und das liegt nicht nur an unattraktiveren Standorten. Sie sehen schon im Studium, mit welchen Problemen wir kämpfen, was die Motivation natürlich drückt.
Um welche Honorare geht es vor allem, damit sich die Situation verbessert?
Damit gefährdete Betriebe wieder etwas Luft bekommen, muss das Packungshonorar erhöht werden. Eine Apotheke bekommt für jedes abgegebene verschreibungspflichtige Arzneimittel 8,35 Euro sowie einen Festzuschlag von drei Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis. Durch einen Abschlag von zwei Euro pro Arzneimittel reduziert sich das Honorar bei der Abrechnung über die Kassen aber wieder. Seit zwölf Jahren hat sich daran nichts geändert! Die Ausgaben dagegen sind durch die Inflation und Energiekosten extrem gestiegen. Es gab mal etwas mehr für Botendienste oder die Abgabe von Betäubungsmitteln. Das ist aber oft nicht mal kostendeckend.
Was wäre denn angemessen?
Mindestens zehn Euro. Wir ermitteln gerade in unserer Dachorganisation, der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, wer wo welches Geld verdient, um zielgenau helfen zu können. Diejenigen in Not brauchen jetzt aber schnell Hilfe.
Sieht das geplante Gesetz denn irgendeine Erhöhung des Honorars vor?
Faktisch nicht. Herr Lauterbach geht davon aus, dass genug Honorar da und nur falsch verteilt ist. Das ist aber ein Trugschluss. Es gibt natürlich einige wenige Apotheken, die in der Nähe von spezialisierten Arztpraxen sind, sehr teure Sachen abgeben und damit den Durchschnitt nach oben treiben. Nun glaubt Herr Lauterbach, wenn er dort ein bisschen was wegnimmt und woanders drauflegt, stärkt er die kleineren Apotheken. Das stimmt aber nicht. Es ist eine reine Umverteilung.
Wie schwer machen Online-Apotheken Ihnen das Leben?
Zunehmend schwerer. Gerade im Bereich der freiverkäuflichen Produkte, wo wir ein bisschen Geld verdienen könnten, sorgen sie für einen unglaublichen Preisdruck. Da haben sie uns aufgrund besserer Einkaufskonditionen und gegebenenfalls niedrigerer Mehrwertsteuersätze auf Arzneimittel in angrenzenden EU-Ländern erhebliche Anteile abgenommen. Bei verschreibungspflichtigen Arzneien war ihr Anteil bislang verschwindend gering. Aber auch das verschiebt sich durch das E-Rezept allmählich. Weil man nicht mehr das Papierrezept hinschicken muss, ist der Zugang einfacher. Wenn wir hier auch noch entscheidende Anteile verlieren, wird es noch ernster. Da bringen auch zehn Euro Honorar nichts.
Pläne von Minister Lauterbach sehen auch vor, dass es demnächst die Apotheke weitgehend ohne Apotheker geben wird. Wie schätzen Sie das ein?
Da fehlen mir wirklich die Worte. Die Idee ist ja, dass in Filialapotheken pharmazeutisch-technische Assistenten (PTA) die Arzneimittelversorgung übernehmen und der Apotheker in einer anderen Filiale per Video für eine Beratung zugeschaltet werden kann. Was soll das bringen? Wir wollen doch Apotheken in der Fläche stärken, aus meiner Sicht verschlechtert sich dadurch aber die Versorgung der Menschen dort. Allein schon, weil PTA bestimmte Arzneien nicht abgeben dürfen, ohne dass ein Apotheker vor Ort ist. Zudem muss man erst mal eine PTA finden, die so etwas macht.
Vielleich wird der Beruf dadurch aber auch interessanter?
PTA, die das wirklich wollen, lassen sich an einer Hand abzählen. Ich habe in meiner Apotheke ein außerordentlich gutes Team. Aber es gibt keine, die sagt, dass sie sich allein in eine Filiale stellen würde. Es gibt ja auch keinerlei Ideen, welche Anforderungen diese PTA erfüllen müssen. Es wurde einfach ins Gesetz geschrieben.
Haben Sie Hoffnung, das geplante Gesetz noch ändern zu können?
Ich bin skeptisch, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Es muss uns gelingen, die Bundesländer so stark zu machen, dass sie Einfluss auf die Fraktionen ausüben können. Wir in Sachsen pflegen zumindest einen sehr guten Kontakt zu Ministerin Petra Köpping. Dagegen war Herr Lauterbach noch nie auf einem Deutschen Apothekertag. Wir spüren von ihm keinerlei Wertschätzung.