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Blutvergiftung ist dritthäufigste Todesursache

Weil die Symptome einer Grippe ähneln, wird die Sepsis oft nicht gleich erkannt. Auch viele Corona-Patienten erkrankten daran. Jetzt warnen Mediziner vor einem neuen Erreger.

Von Sylvia Miskowiec
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Bakterien, die in Wunden eindringen, können eine Sepsis hervorrufen.
Bakterien, die in Wunden eindringen, können eine Sepsis hervorrufen. © dpa-tmn

Jährlich erkranken mindestens 230.000 Menschen in Deutschland an einer Blutvergiftung, rund 85.000 sterben pro Jahr daran: Die Sepsis ist damit nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs die dritthäufigste Todesursache im Land, warnte die Sepsis-Stiftung anlässlich des Welt-Sepsis-Tages am vergangenen Mittwoch.

In Sachsen wurden der Landesuntersuchungsanstalt in der ersten Hälfte dieses Jahres über 50 Todesfälle aufgrund einer Sepsis gemeldet. So klein diese Zahl erscheinen mag, so groß dürfte die Dunkelziffer sein. „Man muss leider von einer deutlichen Unterschätzung ausgehen,“ sagt Hannelore Strobel, Sprecherin der AOK Plus. „Viele Sepsisfälle werden von den Ärzten in Abrechnungen nicht immer als solche angegeben.“ Das Tückische an einer Blutvergiftung ist, dass sie sich aus jeder Infektion heraus entwickeln kann.

Atemwegserkrankungen häufig Einfallstor für Sepsis-Erreger

Am häufigsten geschieht dies laut Daten der Sepsis-Stiftung während Erkrankungen der Lunge und der Atemwege, gefolgt von Infektionen der Harnwege und Entzündungen im Bauchraum. Die landläufig oft mit einer Blutvergiftung in Verbindung gebrachten Verletzungen oder Tierbisse spielen dagegen mit einer Häufigkeit von neun Prozent nur eine untergeordnete Rolle. „Eine Sepsis entsteht, wenn die körpereigenen Abwehrkräfte nicht mehr in der Lage sind, die Ausbreitung einer lokalen Infektion zu verhindern und die Erreger in den Blutkreislauf eindringen“, sagt Ruth Hecker. Sie ist Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e.V. und Mitinitiatorin der Kampagne „Deutschland erkennt Sepsis“. „Dies kann ein Versagen aller Organe nach sich ziehen – was oft tödlich endet.“ So sterben von den mit einer Blutvergiftung im Krankenhaus behandelten Patienten rund 42 Prozent.

Doch obwohl eine Sepsis immer ein akuter Notfall ist, wird sie nicht immer als solcher erkannt. „Die Symptome ähneln oft denen einer Grippe,“ sagt Konrad Reinhart, Intensivmediziner und Vorsitzender der Sepsis-Stiftung. Patienten klagen über Fieber, Schüttelfrost, Husten, Atembeschwerden und ein sehr starkes Krankheitsgefühl. „Auch eine Unterkühlung des Körpers kann auftreten“, so Reinhart. „Anzeichen sind schwere und schnelle Atemzüge mehr als 20-mal pro Minute oder wenn der Blutdruck abfällt.“ Wirken Erkrankte plötzlich verwirrt oder apathisch, sei es höchste Zeit für den Notruf.

Nicht unbedingt ein Zeichen für eine Blutvergiftung sei dagegen der berühmte rote Strich. „Er zeigt eine Entzündung der Lymphbahnen an, die zwar rasch behandelt werden sollte, aber nicht unbedingt zu einer Sepsis führt“, informiert die Stiftung, die im Internet eine Checkliste mit Risikofaktoren und Verdachtszeichen einer Sepsis bereitstellt.

Wer eine Sepsis überlebt, leidet oft unter Spätfolgen, sagt Ruth Hecker. Das können Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, chronische Müdigkeit und Schmerzen oder andere Beschwerden der Muskeln und oder des Nervensystems sein.

Erreger lauern überall

Bei den Erregern einer Sepsis handelt es sich meist um Bakterien wie Pneumokokken und Staphylokokken oder Darmbakterien wie E.coli. Auch Pilze und Viren können Auslöser sein. „Viele gestorbene Covid-19-Patienten hatten eine Sepsis entwickelt“, sagt der Generalsekretär der Deutschen Sepsis-Gesellschaft, Frank Brunkhorst. Hier sei das Organversagen von der Lunge ausgegangen.

Kritisch wird es, wenn die Behandlung nicht anschlägt, weil die Erreger resistent gegen die eingesetzten Medikamente sind. Sorgen bereitet diesbezüglich ein neuartiger Pilz, der sich offenbar aufgrund der Klimaerwärmung perfekt an den menschlichen Körper angepasst hat. Gelangt Candida auris über Schmierinfektionen in den Körper von vorerkrankten oder immungeschwächten Menschen und befällt die Organe, kann das zu einer Sepsis führen. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist ein Befall mit Candida auris für bis zu 53 Prozent der Patienten das Todesurteil. Vor allem in den USA hat die WHO die Lage als besorgniserregend eingestuft.

Aber auch in Deutschland ist der Pilz Candida auris angekommen. Seit 2015 traten nach Informationen des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie in Würzburg bereits etwa 40 Fälle auf, die Hälfte davon in den vergangenen beiden Jahren. Die Behandlung ist sehr herausfordernd, denn Candida auris ist gegenüber gängigen Medikamenten resistent.