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Corona macht süchtig

Durch die Unsicherheiten der aktuellen Pandemie greifen immer mehr Menschen zu Alkohol. Das wird dramatische Folgen haben, warnen Experten.

Von Jens Fritzsche
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Die Unsicherheit in der aktuellen Pandemielage und die soziale Isolation lassen Menschen zum Alkohol greifen. Die Suchtgefahr steigt.
Die Unsicherheit in der aktuellen Pandemielage und die soziale Isolation lassen Menschen zum Alkohol greifen. Die Suchtgefahr steigt. © © Foto: pixabay.com

Corona als Sucht-Treiber? Viele Zahlen sprechen dafür. Denn die Unsicherheit rund um die Pandemie, die mit dem Lockdown verbundenen Probleme wie Homeschooling oder Homeoffice, das Wegbrechen sozialer Kontakte, all das führt zu Ängsten und zu Vereinsamung. Und das sorgt beispielsweise unter anderem mitunter zum schnelleren Griff zur Flasche. Der Alkoholkonsum hat in den vergangenen Pandemie-Monaten deutlich zugenommen, zeigen statistische Erhebungen. Da Alkohol ein durchaus beachtliches Potenzial hat, abhängig zu machen, besteht also die Gefahr, dass sich aus einem länger andauernden höheren Konsum eine Sucht entwickelt, die auch nach dem Ende des Lockdowns, nach dem hoffentlich anstehenden Ende der Pandemie, nicht ohne Hilfe zurückgedrängt werden kann.

Flucht vor den Rechner

Das Dresdner Gesundheitsamt beispielsweise hatte jüngst auf Nachfrage im Stadtrat erklärt, vor allem Menschen mit einer niedrigeren Schulbildung und Betroffene, die durch die aktuelle Pandemiesituation auch beruflich oder familiär mehr Stress erleben als sonst, eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, stärker zu Alkohol und zur Zigarette zu greifen. Zudem verbringen viele derzeit einfach viel mehr Zeit vorm Rechner oder dem Fernseher. Eine Flucht – sie sehen darin eine Chance, vor negativen Gedanken und der belastenden Situation fliehen zu können. Alles das öffnet die Tür zur Sucht, sind Experten überzeugt.

80.000 Sachsen alkoholabhänig

Zu unterschätzen ist der Alkohol als Droge dabei keinesfalls. Trotz der Konkurrenz zahlreicher anderer Suchtmittel bleibt Alkohol in Sachsen die Droge Nummer eins. Laut Suchtbericht entfallen im Freistaat knapp 80 Prozent aller in Krankenhäusern gestellten Suchtdiagnosen auf Alkoholabhängigkeit. Auch die Hälfte aller Beratungsfälle in entsprechenden Einrichtungen beschäftigen sich mit dem Trinken. Schon vor Corona galten in Sachsen rund 80.000 Menschen als alkoholabhängig. Hinzu kommen rund 70.000 Betroffene, die als Alkoholmissbrauchs-Fälle in die Statistiken eingehen. Durch Corona werden diese Zahlen deutlich steigen, fürchten Mediziner.

Zunehmender Griff zu Crystal Meth

Wobei auch verstärkt zu chemischen Drogen gegriffen wird. Das lässt sich unter anderem durch einen Blick ins Abwasser bestätigen. In Dresden läuft eine entsprechende Studie: Seit knapp vier Jahren untersuchen hier Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden das Abwasser der Elbestadt. Sie wollen aus Rückständen von Drogen auf den Konsum schließen. Und die Wissenschaftler haben festgestellt, dass zum Beispiel der Konsum von Crystal Meth im vergangenen Jahr – mit dem ersten Lockdown im Frühjahr und den Einschränkungen im Herbst und Winter – spürbar gestiegen ist. Gleiches gelte für Kokain. Heißt, auch die Flucht in chemisch hergestellte Drogen ist in der Pandemie beflügelt worden. Mit den Folgen werden wir wohl in den kommenden Jahren massiv zu kämpfen haben.