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Miniurlaube bringen mehr

Was wir im Urlaub fern der Heimat suchen, finden wir auch vor der Haustür, sagt Christo Foerster. Im Interview rät er, im Alltag nach "Mikroabenteuern" zu suchen.

Von Andreas Rentsch
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Christo Foerster unterwegs per Stand-up-Paddleboard: „Auf einem Fluss ist man noch mal viel einsamer auf einem Wanderweg.“ Die Elbe hat es dem Abenteurer aus Hamburg besonders angetan.
Christo Foerster unterwegs per Stand-up-Paddleboard: „Auf einem Fluss ist man noch mal viel einsamer auf einem Wanderweg.“ Die Elbe hat es dem Abenteurer aus Hamburg besonders angetan. © Jozef Kubica

Von der Pauschalreise bis zum Wohnmobil, von der Ferienwohnung bis zum Mietwagen: Die Inflation macht den Sommerurlaub für viele Sachsen teurer. Und ob sich der finanzielle Aufwand für die vermeintlich schönsten Wochen des Jahres lohnt, ist nicht gesichert. Der Abenteurer und Buchautor Christo Foerster wirbt für eine Alternative, die wenig bis nichts kostet und letztlich auch den Alltag lebenswerter macht.

Herr Foerster, Sie wollen Menschen dazu bringen, sogenannte Mikroabenteuer zu erleben. Was verstehen Sie darunter?

Dafür muss ich ein wenig ausholen. Große Reisen, große Abenteuer – so etwas ist ja immer eine Flucht. Wir hauen ab, kommen irgendwann wieder und stellen fest: Nach einer gewissen Zeit ist alles wie vorher. Mikroabenteuer, die wir in unseren Alltag einbauen, können unseren Alltag tatsächlich verändern. Das ist oft wertvoller, als daraus abzuhauen. Der Alltag muss mit mehr Leben gefüllt werden.

Christo Foerster hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert und danach als Redakteur gearbeitet. Heute ist er als Abenteurer Autor und Vortragsredner aktiv. Der 44-Jährige lebt mit seiner Familie in Hamburg.
Christo Foerster hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert und danach als Redakteur gearbeitet. Heute ist er als Abenteurer Autor und Vortragsredner aktiv. Der 44-Jährige lebt mit seiner Familie in Hamburg. © Jozef Kubica

Jetzt erklären Sie bitte noch, was der Begriff beinhaltet.

Ein Abenteuer ist etwas anderes als ein Urlaub. Es beinhaltet das Beschreiten neuer Wege, das Verlassen der eigenen Komfortzone. Es sorgt für Ungewissheit. Aber: Für all das müssen wir nicht weit weg. Das Abenteuer definiert sich durch unsere Haltung und nicht darüber, wie weit weg wir von Zuhause sind. Ein Mikroabenteuer ist etwas, das sich ohne großen Aufwand in der direkten Umgebung umsetzen lässt.

Nennen Sie mal ein Beispiel.

Eine Nacht im Wald, für die ich aber nicht zelte, weil ich das nicht darf, aber wo ich vielleicht ein paar Stunden auf einer Lichtung liege und mir die Sterne ansehe. Eine andere Idee ist, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang unterwegs zu sein, ohne irgendwo einzukehren, und danach mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu fahren. Es gibt unzählige Möglichkeiten. Man darf kreativ werden und verrückte Ideen zuzulassen.

Welche Mikroabenteuer haben Sie selbst schon unternommen?

Ich bin mal von Deutschland nach Dänemark geschwommen. Das hört sich ganz groß an, doch an der Flensburger Förde sind beide Länder nur zwei Kilometer voneinander entfernt. Grundsätzlich habe ich für mich drei Spielregeln für ein Mikroabenteuer definiert. Erstens: Ich benutze weder Auto noch Flugzeug, die Regionalbahn ist dagegen erlaubt. Punkt zwei: Es dauert maximal 72 Stunden. Drittens: Geht es über Nacht, verbringe ich sie draußen.

Wie sind Sie auf das Thema Mikroabenteuer gekommen?

Ich bin immer viel gereist, aber irgendwann in eine Phase geraten, in der das aus verschiedenen Gründen – ich hatte eine Familie gegründet und bin in die Selbstständigkeit gestartet – nicht mehr so ging. Beziehungsweise wollte ich es nicht mehr. Ich habe mich aber trotzdem noch nach Abenteuern gesehnt. Dieses Dilemma war schwierig aufzulösen. Irgendwann im Jahr 2017 habe ich mit einem Freund telefoniert, den ich lange nicht mehr gesehen hatte. Dem habe ich spontan gesagt: „Lass uns doch morgen frühstücken gehen am Brandenburger Tor. Ich komme mit dem Fahrrad.“ Also habe ich mich nachmittags in Hamburg auf mein Fahrrad gesetzt und bin losgefahren. Ich musste die ganze Nacht fahren, sonst hätte ich keine Chance gehabt, pünktlich in Berlin anzukommen.

Und, hat es geklappt?

Ich hab‘s geschafft, war aber nach den rund 300 Kilometern völlig fertig. Wir haben gefrühstückt, und ich habe mich in den nächsten Zug nach Hamburg gesetzt. Doch diese 24 Stunden zwischen Aufbruch und Ankunft an meiner Haustür haben mir die Augen geöffnet: Ich muss gar nicht aufs nächste Abenteuer warten, sondern nur mein Rad nehmen und losfahren.

Gab es noch andere Abenteuer, die Sie besonders geprägt haben?

Ja, ein Ausflug in den Hamburger Containerhafen. Ich bin mit der Fähre hingefahren, habe an der Wasserkante meine Hängematte aufgespannt und dort die Nacht verbracht. Am nächsten Morgen war ich zum Frühstück wieder zu Hause und konnte meinen Kinder noch zu ihrem Weg in die Schule verabschieden.

Wildes Zelten ist in Deutschland verboten, Biwakieren, also Schlafen unter freiem Himmel, ist nicht offiziell erlaubt, aber auch nicht verboten.
Wildes Zelten ist in Deutschland verboten, Biwakieren, also Schlafen unter freiem Himmel, ist nicht offiziell erlaubt, aber auch nicht verboten. © Jozef Kubica

Was ist Ihre Basisausrüstung, wenn Sie mehr als eine Nacht unterwegs sein wollen? Hänge- oder Isomatte und Schlafsack?

Genau. Der Schlafsack sollte warm genug sein – oder den Umständen angepasst. Nachts möchte ich nicht frieren. Ein Blick auf die untere Temperaturgrenze des Komfortbereichs ist wichtig. Ansonsten kommt es darauf an, ob ich wandern gehe oder Rad fahre. Entweder habe ich etwas Essbares dabei, oder ich hole mir unterwegs was. Oft habe ich einen Gaskocher dabei und bereite mir selbst etwas zu. Das ist günstiger als einzukehren und eine andere, intensivere Art des Erlebens.