Schon Kurt Tucholsky behauptete, „der durchschnittliche städtische Mitteleuropäer“ befinde sich „fast immer im Vorstadium der Neurose“. Stimmt das, und wenn ja, welche Neurosen sind heutzutage am weitesten verbreitet? Und was hat die Digitalisierung damit zu tun? Darüber hat Johannes Hepp, Psychologe und Psychotherapeut in München, ein Buch geschrieben. Sächsische.de hat ihn interviewt.
Herr Hepp, wovor fürchtet sich der Mensch heutzutage?
Der Homo Digitalis fürchtet sich zum Beispiel vor dem baldigen Klimakollaps. Oder dass ein Shitstorm über Nacht losbrechen könnte, er von Hackern attackiert wird oder ein missglücktes Instagram-Foto dazu führen kann, dass niemand mehr mit ihm zu tun haben will. Viele Bedrohungen haben kein Gesicht mehr – was ja per se schon beängstigend ist. Die Angst ist immer größer, wenn man den Gegner nicht kennt oder sieht.
Ist das der Unterschied zu den Ängsten, die die Menschen früher hatten?
Vor nicht allzu langer Zeit gab es nur erlebte Gefahren. Dann kam das Fernsehen, und man hat sich geängstigt, weil irgendwo ein Amoklauf war. Das hat sich potenziert. Nun haben wir auch noch das Internet, voll mit eingebildeten Fake-Ängsten und frei erfundenen Geschichten, die uns Sorgen machen sollen.