Selbsttest: Kann ich meine Familie eine Woche lang mit 100 Euro gut ernähren?

Bis der Ukrainekrieg begann, schaute ich beim Lebensmittelkauf nicht besonders streng aufs Geld. Meine Familie und ich gönnten uns gern mal etwas Besonderes und probierten Neues aus. Unser Essen kauften wir in verschiedenen Supermärkten, das Brot beim Bäcker, Obst und Gemüse beim Vietnamesen um die Ecke oder auch mal auf dem Wochenmarkt. Fleisch und Wurst hatten Bio-Qualität.
Zusätzlich zum Wocheneinkauf noch zwei- bis dreimal in einen Supermarkt zu huschen, um irgendetwas einzukaufen, das gerade fehlte oder auf das wir spontan Appetit hatten, war normal. 130 bis 150 Euro kamen so pro Woche mühelos zusammen. Doch die reichen nun bei Weitem nicht mehr aus.
Lebensmittel sind im Vergleich zum Juni 2021 um 14,3 Prozent teurer geworden, hat das sächsische Statistikamt ermittelt. Weil aber auch alles andere teurer wird, ist Sparen angesagt, wo sich sparen lässt. Ich will wissen, ob wir unsere Lebensmittelausgaben trotz gestiegener Preise um ein Drittel reduzieren können.
Die Herausforderung lautet: Wie weit kommt eine vierköpfige Familie – Vater, Mutter, zwei jugendliche Kinder – mit 100 Euro? Reicht dieses Geld, um uns eine Woche lang von Montag bis Montag zu ernähren? Wo gibt es Einsparpotenziale? Das will ich testen.
Mein Mann ist begeistert. „Ich mache mit!“, sagt er sofort, als ich die Idee am Abendbrottisch vorbringe. Die Kinder sind weniger erfreut, vor allem unser Sohn, schließlich steht Döner jetzt auf dem Index. Wir verabreden, dass wir bei der Qualität und Frische unseres Essens möglichst wenig Abstriche machen möchten. Und selbstredend muss jeder auch immer satt werden.
- Erste Frage: Wie viel Geld steht uns pro Tag eigentlich zur Verfügung?
- Zweite Frage: Können wir uns alle ein warmes Mittagessen leisten?
- Dritte Frage: Wie koordinieren wir unseren Einkauf?
- Vierte Frage: Wo kaufe ich ein und welche Qualität ist mir wichtig?
- Fünfte Frage: Was muss, was kann auf den Einkaufszettel?
- Beim Einkauf gehen die Abwägungen weiter
- Pro Tier, pro Umwelt, pro Region - oder pro Preis?
- Die erste Rechnung: Und?
- Preisexplosion in Sachsen
Erste Frage: Wie viel Geld steht uns pro Tag eigentlich zur Verfügung?
Ein Eis auf die Hand, ein Stück Kuchen vom Bäcker, ein Biergartenbesuch abends mit den Freunden – das fällt in dieser Woche definitiv aus. Jeder von uns hat jetzt ein Ernährungsbudget von 25 Euro. Das sind 3,57 Euro pro Person und Tag. An dieser Stelle überkommen mich die ersten Zweifel. Ist das überhaupt zu schaffen, zumal wir unser Heim mit zwei pubertätsbedingten Vielessern teilen?
Zweite Frage: Können wir uns alle ein warmes Mittagessen leisten?
Allein das Mittagessen der Kinder kostet pro Mahlzeit zwischen 2,98 Euro und 4,07 Euro – im Durchschnitt also etwa 3,50 Euro. Pro Kind und Woche summiert sich das auf 17,50 Euro, für beide auf 35 Euro. In der Kantine auf Arbeit sind die Preise inzwischen auf vier bis 4,90 Euro gestiegen. Die 3,57 Euro, die unser Budget hergeben, reichen also keinesfalls für Frühstück, Zwischensnack, Abendbrot UND Kantinenversorgung.
Bei den Kindern setzen wir den Rotstift nicht an. Normalerweise bestellen beide ihr Essen am Sonntagabend. Aber jetzt bricht die letzte Schulwoche vor den Sommerferien an. In der läuft meist alles etwas anders. Unsere Tochter wird projektbedingt nicht in der Schulkantine essen, unser Sohn nur von Montag bis Mittwoch. Er bestellt sich drei Mahlzeiten für insgesamt 10,76 Euro, die vom Familienwochenbudget abgezogen werden.
Wir anderen essen mittags Schnitte. Es gibt Schlimmeres. Dafür wollen wir abends warm essen, zur Freude des Sohnes. Also überlege ich mir sieben Gerichte, die uns allen schmecken und deren Zutaten wenig kosten – die nächste Herausforderung.
Abzüglich des Kantinenessens bleiben 89,24 Euro für den Familieneinkauf. In einer normalen Woche, in der beide Kinder jeden Tag in der Schule zu Mittag essen, hätten wir 65 Euro gehabt. Ich bin froh, dass uns das jetzt erspart geblieben ist.
Dritte Frage: Wie koordinieren wir unseren Einkauf?
Wenn es ums Sparen geht, kann man super von älteren Familienmitgliedern lernen: Bar bezahlen, Buch über die Ausgaben führen, Einkaufstage festlegen, damit Zwischenkäufe gar nicht erst stattfinden. Bei denen landet bekanntlich immer mehr im Korb, als gebraucht und nötig ist. Um den Überblick über die Ausgaben zu behalten, bin ich die Einkaufsverantwortliche in dieser Woche. Damit Obst und Gemüse frisch bleiben, werde ich am Montag und am Freitag einkaufen gehen.
Vierte Frage: Wo kaufe ich ein und welche Qualität ist mir wichtig?
Den Wochenmarkt schenke ich mir. Für vier Aprikosen, vier Tomaten und zwei Hände voll Bohnen wollte die Verkäuferin dort neulich 7,20 Euro haben. Um so viel wie möglich für unser Geld zu bekommen und um wegen der Spritpreise einen kurzen Fahrtweg zu haben, wähle ich den Discounter um die Ecke. Es ist eine Aldi-Filiale. Ich weiß: Dort gibt es ein gutes Obst- und Gemüseangebot und immer mehr Bioprodukte im Sortiment. Trotz der gestiegenen Preise sind wir uns als Familie einig, dass die Tiere, die wir essen, bestmöglich gelebt haben sollen. Bio und frisch soll unser Essen möglichst bleiben. Mal sehen, wie realistisch das mit strengem Finanzregime ist.
Fünfte Frage: Was muss, was kann auf den Einkaufszettel?
Einkaufszettel schreiben wir wegen der besseren Planbarkeit und unserer Vergesslichkeit seit Jahren. Jetzt ist er besonders wichtig. Doch, was muss und was kann rauf? Unverzichtbar sind für uns Kaffee, Müsli, Milch, Brot, Toastbrot, Knäckebrot, Butter, etwas Wurst, Käse. Dazu jeden Morgen frisches Obst und abends frisches Gemüse. Die Kinder mögen Gummibärchen, mein Mann Salzstangen. Mal sehen, ob das Budget die in dieser Woche hergibt.
Markenprodukte sind uns schon seit Längerem nicht mehr wichtig. Tests von Stiftung Warentest und Ökotest zeigen immer wieder, dass No-Name-Produkte oft besser und in jedem Fall günstiger sind. Zum Kochen benötigen wir erst einmal Kartoffeln, Quark, Eier, Heringsfilets, Nudeln und Gemüse.
Wir haben noch eine Milch, einen Camembert, einen Feta-Käse, drei Scheiben Schinken, vier Eier, ein halbes Toastbrot, fast ein ganzes Vollkornbrot, zwei Birnen, zwei Bananen und eine Melone im Kühlschrank. Dazu Marmeladen, Senf und Grillsoßen. Wenn wir am Ende dieser Woche unsere Vorräte auch nicht ganz aufgebraucht haben, müsste sich das Polster wieder ausgleichen.

Beim Einkauf gehen die Abwägungen weiter
Schon wenige Schritte hinter der Ladentür gerate ich zum ersten Mal in Konflikt mit meinen Überzeugungen. Da gibt es den Bio- und Fairtradekaffee der Eigenmarke, 6,29 Euro, oder den konventionell angebauten Kaffee, ebenfalls Eigenmarke, 4,99 Euro. Tut mir echt leid, liebe Bauern der Kaffeekooperativen. Aber ich muss mein Geld zusammenhalten. Und spare mit dieser Entscheidung 1,30 Euro.
Dafür kann ich meinen Werten am Wurstregal treu bleiben. Natürlich gibt es hier nur abgepackte Ware aus der Großfleischerei und nichts Frisches vom Handwerksmeister um die Ecke. Aber ich entdecke Bioprodukte für einen akzeptablen Preis. Im Wagen landen Salami, Schinken, Lyoner für insgesamt 6,87 Euro.
Bei der Milch muss ich das nächste Mal abwägen. Fest steht, dass es frische Vollmilch sein wird, keine fettreduzierte H-Milch. Ich habe Betriebe angeschaut, in denen konventionelle Milchwirtschaft betrieben wird und kann das gut mit meinem Gewissen vereinbaren. Problematisch ist für mich eher die Frage der Verpackung. Glasflaschen gibt es hier nicht. Plastikflaschen hingegen schon, für 1,39 Euro pro Liter. Konventionelle Vollmilch im Tetrapack kostet 1,09 Euro, Biomilch 1,59 Euro. Ich stelle zwei Plastikflaschen in den Korb, denn die lassen sich recyceln und werden nicht einfach nur verbrannt wie die Tetrapacks.
Pro Tier, pro Umwelt, pro Region - oder pro Preis?
Bei den Eiern fällt mir die Wahl schon schwerer. Bodenhaltung (zehn Stück kosten 1,99 Euro), auch die habe ich gesehen, mag ich mit meinem Kauf nicht unterstützen. Freilandhaltung (2,29 Euro) muss es mindestens sein, wenn Bio (3,29 Euro) preislich schon nicht drin ist.
In der Frischeabteilung lasse ich den Bioanspruch hinter mir. Regionalität ist mir beim Blick auf die Preise wichtiger. Eigentlich. Denn besonders viel regional erzeugtes Obst und Gemüse ist hier nicht zu finden. Ich entscheide mich unter anderem für unverpackte Rispentomaten aus Holland. Die riechen am aromatischsten, das Müllproblem stellt sich nicht, und am günstigsten sind sie mit 1,29 Euro pro Kilo auch. Die anderen kosten bis zu 5,95 Euro.
Am Nudelregal kommt der Wunsch nach Regionalität zum Zug: Ich nehme Riesaer Spaghetti, auch wenn sie 40 Cent mehr kosten als die Eigenmarke.
Zwei weitere Markenprodukte landen nun doch in meinem Korb: Der Lieblingsfrischkäse meiner Tochter ist Aktionsware und 1,06 Euro billiger als sonst. Unschlagbar. Beim Müsli habe ich mir die Experimentierfreude abgewöhnt. Die Kinder sind da sehr präzise mit ihrem Geschmack. 3,79 Euro kostet ihr Lieblingsmüsli. Es hat einen Zuckeranteil von 15 Prozent. Billigere Produkte enthalten bis zu 32 Gramm. Das günstigste Produkt, Cornflakes der Eigenmarke, kostet 1,30 Euro und hat nur drei Gramm Zucker. Aber ich weiß genau, dass es daheim niemand anrühren würde.
Die erste Rechnung: Und?
Für den ersten Einkauf, der uns bis Freitagabend versorgen soll, möchte ich nicht mehr als 55 Euro ausgeben und überschlage den Preis regelmäßig. Ich lächle erleichtert, als die Kassiererin die Summe nennt: 57,83 Euro. Bleiben 31,41 Euro für den Wochenendeinkauf und eventuelle Korrekturen. Üppig ist das nicht.
Am kommenden Dienstag können Sie lesen, wie wir über die Woche gekommen sind – und ob 100 Euro gereicht haben.