Leben und Stil
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Ecstasy gegen Depressionen?

Bestsellerautor Bas Kast setzt in seinem neuen Buch „Kompass für die Seele“ auf bekannte und ungewöhnliche Strategien, um zu innerer Balance zu finden.

Von Sylvia Miskowiec
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Eisbaden sorgt für gute Laune – behauptet zumindest Bas Kast, der es für sein neues Buch „Kompass für die Seele“ selbst ausprobiert hat.
Eisbaden sorgt für gute Laune – behauptet zumindest Bas Kast, der es für sein neues Buch „Kompass für die Seele“ selbst ausprobiert hat. © Mike Meyer

Wie schafft man es, sich nicht von den eigenen Gedanken überwältigen zu lassen? Wie beruhigt man die innere skeptische Stimme, die alltäglichen Aufreger, die abends im Kopf kreisen und das Einschlafen erschweren? Diese Fragen treiben Bas Kast in seinem neuen Buch um. Mit seiner Suche nach der inneren Balance trifft der Psychologe und Biologe in diesen unruhigen Zeiten einmal mehr den Nerv vieler Menschen.

Bereits sein „Ernährungskompass“ gehörte 2018 zu den beliebtesten Sachbüchern der Republik und wurde mittlerweile weit über eine Million Mal verkauft. Der „Kompass für die Seele“, schaffte es Anfang März dieses Jahres aus dem Stand heraus auf Rang 1 der Spiegel-Bestseller-Liste – und ist laut dem Neurowissenschaftler Christian Keysers „der ultimative Wegweiser zu einer resilienten Psyche“.

Bas Kast könnte sich also glücklich schätzen. Doch ist er es auch? Mittlerweile wieder, glaubt man seinen Aussagen im neuen Buch. Doch das hat der 50-Jährige Wahlberliner nur geschrieben, weil er sich trotz seines Erfolges in einer Sinn- und Seelenkrise befand, wie er in der Einleitung bekennt. Damit zeigt sich gleich am Anfang eine große Stärke des Buchs. Bas Kast vermittelt Seelenheilsuchenden: Ihr seid nicht allein, ich kenne euer Leid ebenfalls. Seine plakativen Zusammenfassungen komplexer medizinischer Vorgänge tun ihr Übriges, um Leser bei der Stange zu halten.

Junk Food lässt das Gehirn schrumpfen

Der „Kompass für die Seele“ ist ähnlich aufgemacht wie der Ernährungsratgeber. Allerdings ist es etwas komplexer, sein inneres Gleichgewicht zu finden, als ein paar Kilo zu verlieren. Den Anfang macht ein Bas-Kast-vertrautes Sujet, die Ernährung. Der Autor zeigt anhand wissenschaftlicher Studien, dass gutes Essen tatsächlich gute Laune macht und zieht dafür neueste Gehirnforschungen heran. Erschütternd, aber kaum überraschende Erkenntnis: Junk Food lässt das Gehirn schrumpfen, die abgedruckten Schädelscans zeigen es schwarz auf weiß. Dagegen sei mediterranes Essen ein wahrer Depressionskiller und rege die Nervenneubildung im Gehirn an, sagt Bas Kast und preist zudem die Wunderkräfte von Omega-3-Fettsäuren, zu finden in fettreichem Fisch wie Lachs, Hering, Makrele, Sardine oder Forelle.

"Stresst euren Körper!"

Das zweite große Thema ist Bewegung. „Für jede Stunde, die man Joggen geht, bekommt man – rein statistisch betrachtet – sieben Stunden Lebenszeit zurück“, konstatiert der Wissenschaftsjournalist. Theoretisch ließe sich Joggen durch jeden anderen Sport ersetzen, denn Hauptsache Bewegung, fordert der Autor und erklärt, was im Kopf besser läuft, wenn man läuft – oder zumindest nicht faul auf dem Sofa liegt. Eine simple Botschaft Kasts ist daher: Stresst öfter mal euren Körper, wenn ihr seelischen Stress besser ertragen wollt. Und das heißt nicht nur Sport treiben, sondern auch kalt Duschen, Eisbaden, Saunieren und Fasten. Nicht neu, aber ebenso wirksam gegen mentale Erschöpfung durch ständige Reizüberflutung ist seine Aufforderung, raus in die Natur zu gehen, damit das innere Aufmerksamkeitssystem eine Verschnaufpause bekommt.

Meditation als Stabilisator

Eine Pause der besonderen Art ist die Meditation. Einfach dasitzen, auf den Atem achten. „Es geht darum, zu sich zu kommen und den Scheinwerfer der Aufmerksamkeit zu stabilisieren“, sagt Bas Kast über den Sinn einer ersten im Buch beschriebenen Übung. Dass er in diesem Kapitel für Handy-Apps wirbt, die beim Meditieren helfen, mag etwas seltsam sein, aber nur kurz: Nicht jeder kann sich einen persönlichen Guru leisten, der digitale ist erschwinglicher.

Drogentrips fürs Seelenheil

Das letzte Kapitel ist eines, dass sich so wohl in noch keinem Ratgeber findet. Es geht um bewusstseinserweiternde Drogen, sogenannte Psychedelika. Vor allem MDMA, umgangssprachlich Ecstasy genannt, LSD und das in halluzinogenen Pilzen enthaltene Psilocybin lösen festgefahrene Strukturen im Kopf und sorgen laut mehrer Studien dafür, dass Areale miteinander kommunizieren, die dies sonst nicht (mehr) tun.

Kontrolliert unter therapeutischer Aufsicht abgehaltene Trips seien eine Chance für die Behandlung postraumatischer Belastungsstörungen sowie für Depressionspatienten, schreibt Kast. Er beruft sich auf neue Erkenntnisse, die daraufhin deuteten, „dass MDMA uns nicht nur unmittelbar in einen anderen, offeneren Zustand versetzt, sondern auch in den Wochen danach noch dazu führen kann, dass unser Gehirn empfänglicher für Veränderungen ist.“ Es sei „nicht zuletzt diese erhöhte Formbarkeit oder Plastizität des Gehirns, die es uns zum Beispiel auch erleichtert, die versteckten Glaubenssätze in uns zu revidieren.“ Das wiederum bereite den Boden für die nachfolgende psychotherapeutische Arbeit.

Kein Aufruf zum Drogenkonsum

Dass Bas Kast so freimütig und begeistert über seine eigenen Erfahrungen mit MDMA, LSD und Psilocybin spricht, irritiert zunächst. Drogen für die Seele? Wirklich? Doch es lohnt sich, die Sache nüchtern zu betrachten und den zahlreichen Fachliteraturhinweisen am Ende des Buches zu folgen. Tatsächlich steht MDMA in den USA kurz vor der Zulassung im therapeutischen Bereich. Zudem stufen Fachleute wie der renommierte Neurowissenschaftler David Nutt Pilze und Co. als viel weniger gefährlich ein als Alkohol und Tabak. Nichtsdestotrotz will Bas Kast sein Buch nicht als Aufruf zum eigenmächtigen Psychedelikakonsum sehen. Nur unter strenger therapeutischer Aufsicht, nur mit guter Vorbereitung, so seine Warnung. Also lieber erst mal einen Lachs essen und dann ab ins Eiswasser!

  • Bas Kast: „Kompass für die Seele“, C. Bertelsmann, 255 Seiten, 24 Euro