SZ + Leben und Stil
Merken

Gesund abnehmen mit Basenfasten – geht das?

Das Parkhotel Rügen ist eines von bundesweit 32 Hotels, die die patentierte Methode als Wochenkur anbieten. Ein Erfahrungsbericht, wie sie funktioniert.

Von Katrin Saft
 8 Min.
Teilen
Folgen
Daniela Ranze, Köchin im Parkhotel Rügen, mit dem Hauptgericht: gefüllte Tomaten mit Rosmarin-Schaum.
Daniela Ranze, Köchin im Parkhotel Rügen, mit dem Hauptgericht: gefüllte Tomaten mit Rosmarin-Schaum. © Katrin Saft

Die Minibar ist ausgeräumt. Statt der Begrüßungstüte Gummibärchen liegt eine Wärmflasche auf dem Kopfkissen. "Wer basenfastet, friert schnell", sagt Christina Gehm, Managerin im Parkhotel Rügen. Das Hotel in Bergen ist eines von deutschlandweit 32, das Basenfasten als Kur anbietet. Sieben Tage lang nur Gemüse und Obst, dazu ein Programm, das den Stoffwechsel anregen und den Stresspegel sinken lassen soll. "Auf diese Weise kann man zwei bis vier Kilogramm Gewicht verlieren, fast nebenbei", verspricht Gehm. "Kommen Sie doch nachher zum Einführungsgespräch."

Dort erfährt der Fastengast, dass die Methode 1997 von Sabine Wacker entwickelt wurde. Wacker hat in der Apotheke gelernt, eine Heilpraktiker-Ausbildung gemacht und bis zum ersten Staatsexamen Medizin studiert. "Mein Vater war sehr krank", sagt sie. "Dank einer speziellen Diät konnte er deutlich länger leben als vorhergesagt." Das habe bei ihr frühzeitig das Interesse für Ernährung geweckt. Wacker will das Basenfasten allerdings nicht als Diät oder als Therapie verstanden wissen. Die Idee sei, dem Körper eine Auszeit von leider "normal" gewordenen Essgewohnheiten zu verschaffen: zu viel, zu fettig, zu kalorienhaltig, zu süß, zu schnell, zu vollgepackt mit Zusatzstoffen. "Beim klassischen Heilfasten hat mich gestört, dass man eine Woche fast nix und dann wieder alles essen darf", sagt Wacker. "Ich wollte einen Mittelweg, der sich leichter durchhalten lässt."

Ihr Fastenkonzept beruht auf der Basentheorie des schwedischen Ernährungsforschers Ragnar Berg (1873-1956), der Lebensmittel danach unterteilt, ob sie basisch oder säurebildend verstoffwechselt werden. Wer täglich fünfmal mehr Basen- als Säurebildner zu sich nehme, tue Gutes für sein Gewicht und für die Gesundheit, so Berg. Denn Basisches enthalte viele Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente.

"Dann erinnern Sie sich doch bitte, was sie gestern zu Hause gegessen haben", sagt Basenfasten-Managerin Gehm. "Morgens ein Honigbrötchen und Milchkaffee, mittags Nudeln mit Tomatensoße, am Nachmittag ein süßes Teilchen und abends Käsebrot? Das waren 100 Prozent Säurebildner." Ziel der Kur sei, sich eine Woche lang ausschließlich basisch zu ernähren. Das könne wie ein Reset für den Körper und der Einstieg in ein gesünderes Leben sein.

Was vielversprechend klingt, erfordert zunächst einen unangenehmen Akt: eine Darmreinigung. "Die soll helfen, bereits eingelagerte Säuren auszuscheiden", sagt Gehm. Sie verschweigt nicht, dass Sinn oder Unsinn der Prozedur immer wieder zu Diskussionen unter Gästen führt. Auch viele Mediziner halten sie für überflüssig. Wer darauf verzichte, so Gehm, müsse sich in der Fastenwoche mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Blähungen herumquälen.

Lange Verbotsliste

Auch der basische Speiseplan liest sich zunächst recht spaßbefreit: Zu 80 Prozent soll es Gemüse geben, und zwar saisonales und möglichst regionales – was jetzt im Winter vor allem Kartoffeln, Kohl, Sellerie, Lauch und Salat bedeutet. Dazu Kräuter, Keimlinge, einige Nüsse und kalt gepresste pflanzliche Öle. Bis 14 Uhr ist auch Obst gestattet.

Die Verbotsliste dagegen kommt einem Kulturschock gleich: kein Fleisch, keine Wurst, kein Fisch, kein Zucker, kein Brot, keine Milchprodukte, keine Genussmittel wie Alkohol oder Zigaretten. Nicht mal eine Tasse Kaffee ist erlaubt. Stattdessen zwei bis drei Liter Wasser, ohne Sprudel natürlich, oder verdünnte Kräutertees.

Um so überraschender ist dann, was Köchin Daniela Ranze auf den liebevoll gedeckten Tisch bringt: als Vorspeise eine sämige Süßkartoffel-Mango-Suppe mit Kresse. Zum Hauptgericht gefüllte Tomaten mit Rosmarin-Schaum – so fantasievoll angerichtet, als wolle sie sich für die Sterneküche bewerben. "Auch Gesundes kann und soll Genuss sein", sagt sie. "Die meisten Menschen essen immer nur dieselben drei Standardgemüse." Dabei sei die Gemüsewelt so vielfältig. Genau das wolle man hier beispielhaft zeigen. Die Tomaten hat Ranze ausgehöhlt und mit Zitronenöl, Rosmarin und Thymian mariniert. Für die Füllung hat sie Paprika enthäutet, Pilze und Gemüse geputzt. Das Schäumchen obendrauf wurde mit Mandelmilch und Agavendicksaft gemixt, der alternative Süße auf die Zunge bringt. "Rein basisch zu kochen, heißt viel experimentieren, wie man Verbotenes so ersetzen kann, dass es trotzdem schmeckt", sagt sie. Kalorien müssen die Kurgäste nicht zählen. Denn allein dadurch, dass die üblichen Dickmacher und die Naschereien zwischendurch wegfallen, kommen am Tag nur 1.200 bis 1.600 Kilokalorien zusammen. Managerin Gehm: "Da der Normalbedarf höher liegt, nimmt man automatisch ab."

Die Hotels, die die patentierte Wacker-Methode anbieten wollen, müssen sich zertifizieren und ihr Personal regelmäßig schulen lassen. Denn Sabine Wacker ist das Einhalten ihrer Qualitätsvorgaben wichtig. "Nicht jeder, der ein paar Kartoffeln und Bananen isst, praktiziert gleich Basenfasten", sagt sie. Eine ihrer Regeln heißt zum Beispiel, nur reifes Obst und Gemüse zu verwenden. Oder Gemüse so naturbelassen wie möglich zuzubereiten, dezent zu würzen, regelmäßig und nicht nach 19 Uhr zu essen, gründlich zu kauen. Vorgeschrieben ist zum Beispiel auch das Zwischengespräch mit dem Kurgast. "Wie ist es Ihnen bisher ergangen?", fragt Christina Gehm. Ein Tagebuch, das jeder bekommt, hilft bei der Einschätzung. Erstaunlicherweise klagt kaum jemand über Hunger, eher über Kopfschmerzen. "Ursache ist oft der Kaffeeentzug", sagt Gehm, "der den meisten am schwersten fällt. Ich rate dann, mehr zu trinken. Im Notfall hilft ein Teelöffel Espresso mit Zitrone und Salz." Nach drei Tagen könne es schon mal ein kleines Gefühlstief geben. Das lege sich aber meist schnell wieder.

Bewegung und Entspannung gehören dazu

Denn zum Basenfasten im Hotel gehört immer auch ein Bewegungs- und Entspannungsprogramm. Ein Wanderführer nimmt die Kurgäste zweimal die Woche mit auf eine Rügentour – je nach Kondition und Wünschen zu den Kreidefelsen oder den stillen Orten im Nationalpark Jasmund. Im Hotel-Spa kümmert sich Anja Kutz um Basenbäder, Leberwickel und Massage nach einer Ganzkörperpackung in Rügener Heilkreide. "Das ist quasi Fasten über die Haut", sagt sie, "und soll die Entgiftung unterstützen." Zwar halten Mediziner nicht viel vom Detoxen, wie es neumodisch heißt. Denn eine entschlackende und entgiftende Wirkung sei wissenschaftlich nicht belegt. Doch die Anwendungen sind angenehm und bieten Gelegenheit, runter- und zu sich selbst zu kommen. Am Ende des Tages ist man ungewöhnlich müde. Der Fernseher im Zimmer bleibt aus.

Zum Abschlussgespräch berichten die Gäste nicht nur von Abnehmerfolgen, sondern auch von positiven Effekten, erzählt Christina Gehm. Sie fühlten sich körperlich und geistig befreiter, die Haut strahle mehr, sogar gesundheitliche Probleme hätten sich gebessert. "Beim Wettbewerb um die beste Gästezufriedenheit hat das Landhotel Riedelbauch im Fichtelgebirge wiederholt gewonnen – mit der Note 1,02", sagt Sabine Wacker. Das zeige, dass Basenfasten nicht nur in luxuriösen Häusern möglich sei. Wobei die Hotelkategorie natürlich den Preis bestimmt. Eine Wochenkur im Parkhotel Rügen zum Beispiel liegt preislich mit 1.057 Euro fürs Einzelzimmer im guten Mittelfeld.

Auch zu Hause soll das Basenfasten funktionieren. "Doch ich bin immer wieder gefragt worden, wie man es in den hektischen Arbeitsalltag ohne viel Zeit zum Kochen integrieren kann", sagt Sabine Wacker. Denn ohne eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten verpuffe der Erfolg einer Woche schnell wieder.

Die Antwort ist ein 2017 eröffneter Online-Shop mit "Wacker"-Suppen, -Müslis oder -Gewürzen, den ihr Sohn betreibt. "Verschiedene Hersteller entwickeln sie nach unseren Vorgaben – so ursprünglich wie möglich", sagt Sabine Wacker. Mit inzwischen 65 Jahren ist sie längst keine Einzelkämpferin mehr. Ihr Unternehmen in Mannheim zählt 16 Mitarbeiter. 600.000 Bücher zum Basenfasten hat sie schon verkauft. Soeben kam ihr 34. Werk in die Läden und verspricht: "Das einfachste Basenfasten aller Zeiten". Jedes Rezept darin bestehe nur aus drei bis sechs Zutaten und sei in wenigen Minuten fertig.

Wackers Rat für langfristigen Erfolg: Zunächst zwei, drei Grundsätze aus der Kur in den Alltag einbauen: zum Beispiel morgens ein gekeimtes Müsli statt ein Marmeladenbrötchen, mittags nicht mehr Salat oder Gemüse, sondern Salat und Gemüse. Gern einmal pro Woche einen basischen Tag einlegen. Wer mehr wolle – auch mehr Gewicht verlieren – solle eine basenreiche Woche im Wechsel mit zwei reinen Basenfasten-Wochen probieren.

Während viele Alternativmediziner von der positiven Wirkung des Basenfastens überzeugt sind, bleiben Schulmediziner skeptisch. Zwar sei eine säurelastige Ernährung mit viel Fleisch, Wurst, Käse und Eiern nicht empfehlenswert. Sie könne aber nicht zu einer Übersäuerung des Körpers führen, heißt es in der Zeitschrift Ernährungs-Umschau. "Wissenschaftlich ist auch nicht belegt, dass basische Lebensmittel die Gewichtsabnahme beschleunigen könnten", sagt Professor Matthias Blüher, Leiter der Adipositas-Ambulanz am Uniklinikum Leipzig. "Die oft in diesem Zusammenhang genannte Entschlackung stimmt nur insofern, als dass der Stoffwechsel bei der Kur von zu vielen Nahrungsmengen und Kalorien zeitweise entlastet wird." Unabhängig von der Basenbildung sei eine ballaststoff-, faserreiche und gemüsebetonte Kost aber die gesündeste Form, um abzunehmen. Von längeren Basenfasten-Zeiten rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung trotzdem ab, "weil lebenswichtige Nährstoffe auf Dauer in zu geringen Mengen zugeführt werden könnten".

Sabine Wacker lebt seit Jahren selbst nach ihrer Basen-Methode. Bevor sie sich irgendwann aus dem Geschäft zurückzieht, hat sie noch einen Wunsch: "Ich möchte an Studien mitarbeiten – und wissenschaftlich beweisen, dass Basenfasten wirkt."

Was wirkt wie?

Basische Lebensmittel

Gemüse: Chicorée, Chinakohl, Kartoffeln, Karotten, Rote Bete, Rot- und Weißkohl, Schalotten, Zwiebeln, Avocados, Auberginen, Blumenkohl, Brokkoli, Fenchel, Gurken, Pfifferlinge, Salat, Buschbohnen, Lauch, Mangold, Paprika, Steckrüben, Tomaten, Knollensellerie, Spitzkohl, Topinambur, Zuckerschoten, Radieschen.

Obst: Äpfel, Ananas, Bananen, Clementinen, Mandarinen, Cranberries, Granatäpfel, Grapefruits, Kiwis, Litschis, Mangos, Orangen, Maracujas, Papayas, Aprikosen, Mirabellen, Pfirsiche, Pflaumen, ungeschwefelte Trockenfrüchte, Melonen, Pampelmusen, Quitten, Sanddorn, Preiselbeeren, Feigen, frische Datteln.

Säurebildende Lebensmittel

jede Art von Fleisch, alle Wurst- und Schinkenarten, alle Fische und Schalentiere, alle Milchprodukte (auch von Schaf und Ziege), alle Käse- und Frischkäsesorten, Ei, Eiweiß, Hülsenfrüchte in nicht gekeimter Form, Sojaprodukte, Spargel, Rosenkohl, Artischocken, Nüsse (außer Mandeln und frische Walnüsse), alle Vollkornprodukte, alle Süßigkeiten (egal, ob mit Fabrik-, Vollrohrzucker oder Honig), alle Teigwaren, Eis, polierter Reis, gehärtete, raffinierte Fette/Öle, Margarine, Fruchtgetränke, Softdrinks, kohlensäurehaltige Getränke (auch Wasser), Tee, Senf, Essig.

Genussmittel: Kaffee, Alkohol, Zigaretten, Zucker aller Arten.

1 / 2