Winzerei Paradiesberg, Antje Härtel: Wie kommt man ins Paradies?
Antje Härtel führt eine Straußwirtschaft am Radebeuler Paradiesberg. Die ist so beliebt, dass ihr Wein knapp wird.
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Olaf Kittel
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Frau Härtel, Sie müssen es wissen: Wie kommt man denn ins Paradies?
Es ist nicht einfach zu finden. Aber so ist das mit dem Paradies.
Genauer wollen Sie es nicht sagen? Vielleicht exklusiv für Leser der SZ?
Na gut, etwas genauer: Das Paradies in Radebeul liegt direkt am Weinwanderweg. Mehr sage ich aber nicht.
Das Paradies soll jeder für sich entdecken?
Richtig. Aber es finden genügend Leute, glauben Sie mir.
Klar, Ihre Straußwirtschaft ist bei schönem Wetter rappelvoll. Sind Sie besorgt, dass es die Hölle wird, wenn noch mehr Leute das Paradies finden?
(lacht) Das Paradies steht jedem offen – und bis jetzt hat jeder einen Platz gefunden. Außerdem gilt: Kein Paradies ohne Schlange.
Wie sind Sie denn an einen Weinberg im Paradies gekommen?
Nach der Erziehungszeit meiner vier Töchter habe ich nach einer Tätigkeit unter freiem Himmel und in der Natur gesucht. Der Weinbau bietet dies das ganze Jahr – es beginnt im Februar mit dem Schneiden und endet im Herbst mit der Lese. Dazu ist die Kombination mit der Veredelung des Weins und der Umgang mit Menschen beim Verkauf das ideale Betätigungsfeld für mich.
Und wie kamen Sie zum Paradiesberg?
Entdeckt hat meine Familie den Platz fürs Ostereiersuchen, er ist so schön. Hier standen damals nur fünfzig Weinstöcke, sonst war das eine verwilderte Wiese mit Brombeergestrüpp und Wald. Ich habe den Eigentümer überzeugen können, mir die Fläche zu verpachten, um sie aufzureben. „An die Arbeit, Frau Härtel, Paradieswinzerin!“, war seine Antwort. Er verpachtete die Fläche übrigens zum Zehnten des Ertrages vom Wein. Das waren fünf Liter im Jahr.
Das ist aber günstig.
Klingt wenig. Aber er wusste, was er tat. Wir haben von 2006 bis 2009 drei Jahre gebraucht, um den Berg urbar zu machen. Wir haben jede Wurzel einzeln aus dem Boden geholt. Eine Menge Arbeit, obwohl es nur ein knapper halber Hektar ist.
Sie pflegen den Wein, keltern ihn und stehen von April bis Oktober donnerstags bis sonnabends hinter dem Tresen, kochen auch noch. Da haben Sie gut zu tun.
Ja, weil ich alles selbst machen will. Ich könnte jetzt keinen einzigen zusätzlichen Weinstock mehr verkraften.
Was zeichnet Ihren Wein aus?
Es gibt sieben Sorten Weißwein, sie haben eine besondere mineralische Note, sind schön fruchtig. Neben dem Wein gibt es viele Magerwiesenpflanzen – wilder Thymian, Habichtskraut, Blauglöckchenblümchen, Hundskamille. In diese Vielfalt investiere ich viel Zeit. Und im Keller sollen sich die Weine selbst entfalten. Da profitiere ich von der langen Zeit, die ich mit den Kindern zu Hause war. Da gibt’s viele Parallelen– die Grundlagen werden ja in der ersten Zeit gelegt.
Sind es Bioweine?
Kein reiner Biowein, aber ich arbeite so Öko wie möglich. Ich setze kein Glyphosat als Unkrautvernichter ein, keine Insektizide. Ich spritze vorwiegend Kupfer, Schwefel, Backpulver. Außerdem hat eine meiner Töchter Bienen hergebracht. Es muss also alles in Einklang sein mit dem, was da kreucht und fleucht.
Wo keltern Sie?
Bei mir daheim. Mein Mann hat mir einen Keller gebaut, da stehen sieben Edelstahltanks. Ohne seine Unterstützung hätte ich das nie hinbekommen. Ich stehe ja auch oft abends in der Straußwirtschaft und bin also nicht daheim. Aber sonntags ist Familientag. Da habe ich geschlossen. Das war von Anfang an klar. Ist gut so, auch weil sonst mein Wein, den es nur in der Straußwirtschaft gibt, gar nicht bis zum Jahresende reichen würde.
Der Ertrag in meinem jungen Weinberg steigt noch von Jahr zu Jahr. Aber ich werde Wein zukaufen müssen.
Wer hilft Ihnen?
Vor allem mein Mann, der oft die schweren Arbeiten übernimmt und mein Qualitätsmanager ist. Die Nachbarschaft hilft mit. Meine Töchter und ihre Männer. Das ist ja das Gute, wenn man Töchter hat, dass da noch vier kräftige Kerle dazukommen. Sehr geholfen hat mir auch Reiner Roßberg, er war Winzermeister bei Wackerbarth und hat mir sein Wissen bereitwillig weitergegeben.
Seit fünf Jahren gibt es Ihre Straußwirtschaft, eine von inzwischen vielen in Radebeul. Ihre ist besonders beliebt. Wie haben Sie das hinbekommen?
Es ist ein wunderschöner Ort, den ich selber sehr liebe und gerne mit meinen Gästen teile. Ich fühle mich mehr als Gastgeberin, vielleicht spüren das die Leute. Die Atmosphäre ist angenehm, die Gäste kommen miteinander ins Gespräch. Donnerstags hat sich ein Stammtisch etabliert, diese Fangemeinde hat sogar ein eigenes T-Shirt kreiert. Es kommen neben Touristen, die auf dem Weinwanderweg unterwegs sind, auch viele Leute aus der unmittelbaren Umgebung. Es hat sich herumgesprochen.
Und man kommt sogar zum Essen her – für eine Straußwirtschaft recht ungewöhnlich.
Ja, es sind kleine frische Gerichte, den Leuten schmeckt’s bei mir. Das kommt daher, dass ich viele Jahre jeden Tag für die Kinder gekocht habe und es mir Spaß macht.
Was nervt Sie?
Wenn ich gefragt werde: Können Sie davon leben? Diese Frage musste ich mir zum Glück so nie stellen. Ich lebe gut damit, es ist eine Entscheidung für eine bestimmte Lebensweise. Außerdem betreibe ich die Straußwirtschaft im Nebenerwerb.
Nebenerwerb? Wann gehen Sie denn noch einem Haupterwerb nach?
Vor allem im Winter. Dann verkaufe ich Holzbrennstoffe. So passt das gut zum Winzer-Dasein im Sommer.
Sie sind in der Winzerschaft kaum bekannt. Will von denen keiner ins Paradies oder lassen sie keinen rein?
(lacht) Ich habe vor allem die kleinen Winzer hier als Gäste, wir sind gut im Gespräch und tauschen uns aus. Wir sind in den drei Weinbaugemeinschaften Radebeuls organisiert. Es gibt dort Veranstaltungen, zum Beispiel Seminare über den Einsatz von Spritzmitteln, und Küferwanderungen. Manchmal werden auch Fahrten in andere Weinregionen organisiert. Aber das ist mehr was für die älteren Mitglieder. Dazu habe ich leider keine Zeit.
Dieser Text ist bereits am 14. September 2017 in der Printausgabe der Sächsischen Zeitung erschienen.