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Studie zeigt: Vorliebe für Süßes und Fettiges ist erlernt

Das Gehirn lässt sich auf Ungesundes trainieren. Dahinter stecken oft Emotionen. Doch wie bekommt man die Lust auf Essen in den Griff?

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Zum Feierabend eine ordentliche Handvoll Chips!
Zum Feierabend eine ordentliche Handvoll Chips! © Christin Klose/dpa

Bei Schokolade, Chips und Pommes können viele Menschen nur schwer Nein sagen. Warum das so ist, hat ein Team des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung in Köln untersucht. „Unsere Neigung zu fett- und zuckerreichen Lebensmitteln könnte angeboren sein oder sich als Folge von Übergewicht entwickeln. Wir denken aber, dass das Gehirn diese Vorliebe erlernt“, erklärte Erstautorin Sharmili Edwin Thanarajah die zentrale Hypothese der Studie.

Um diese zu überprüfen, gaben die Forscherinnen und Forscher einer Gruppe normalgewichtiger Probanden acht Wochen lang zusätzlich zur normalen Ernährung zweimal täglich einen fett- und zuckerreichen Pudding.

Die andere Gruppe erhielt einen Pudding, der zwar die gleiche Kalorienanzahl, aber weniger Fett und Zucker enthielt. Vor und während der acht Wochen maß das Team die Hirnaktivität der Probanden.

Erlernte Vorlieben bleiben

Die Messungen zeigten demnach, dass der fett- und zuckerreiche Pudding das sogenannte dopaminerge System der Probanden besonders stark aktivierte. Diese Region im Gehirn ist für Motivation und Belohnung zuständig.

„Unsere Messungen bestätigen, dass sich das Gehirn durch den Konsum von Pommes & Co. neu verdrahtet. Es lernt unterbewusst, belohnendes Essen zu bevorzugen“, sagte Studienleiter Marc Tittgemeyer. Veränderungen des Gewichts und der Blutwerte seien bei den Probanden nicht festgestellt worden.

Die Forscher gehen davon aus, dass die erlernte Vorliebe auch nach der Studie anhalten wird. „Im Gehirn werden neue Verbindungen geknüpft, welche sich nicht so schnell wieder auflösen. Es ist ja der Sinn des Lernens, dass man einmal erlernte Dinge nicht so schnell wieder vergisst“, erklärte Tittgemeyer. Er gibt aber zu bedenken, dass die Analyse unter anderem wegen der recht kleinen Probandenzahl von 57 nur erste Hinweise, aber keine Gewissheiten liefere.

Essen kann trösten

Bei unter- oder übergewichtigen Menschen könne das Ergebnis zudem anders ausfallen. Gleiches gelte für andere Snackarten und eine andere Testdauer. Der Griff zu Schokolade oder Chips hat nicht immer nur mit der Lust auf Süßes oder Salziges zu tun.

„Wenn wir essen, stoßen wir unter anderem Glückshormone aus, die dabei helfen, unser Anspannungssystem im Körper zu beruhigen“, sagt die Psychologin Cornelia Fiechtl. „Essen kann bestärken und trösten, was uns dann besser fühlen lässt.“

Warum das so ist, weiß Nora-Sophie Nöh, psychologische Beraterin und Heilpraktikerin. „Bei vielen Menschen ist das Essverhalten stark an seelisches Befinden geknüpft.“ Schon früh im Leben lernen wir, dass wir über die Nahrungsaufnahme Emotionen regulieren können.

Eine mögliche Erklärung: Säuglinge, die gestillt werden, verknüpfen die Erfahrung von Nahrungsaufnahme mit Gefühlen wie Geborgenheit und Nähe. „Später im Kindesalter ist es auch ganz typisch, dass wir mit Süßigkeiten getröstet oder belohnt werden“, sagt Nora-Sophie Nöh.

Emotionales Essen kommt vor allem in Stresssituationen vor, aber auch bei Enttäuschung, Streit oder Einsamkeit. „Man muss sich selbst beobachten, um zu merken, wann ein besonderer Gusto auf etwas Süßes kommt“, sagt Cornelia Fiechtl. Dahinter stecke nämlich meist eine erhöhte Anspannung in unserem Nervensystem.

Wer dann keinen Weg findet, diese Anspannung zu verarbeiten oder auszudrücken, sucht sich laut Nora-Sophie Nöh oft Hilfsmittel. „Das kann das Essen sein, eine Zigarette oder ständiger Smartphone-Konsum.“

Zucker verändert Darmbakterien

Dazu kommt: Durch das Naschen steigt der Blutzuckerspiegel, wir bekommen einen regelrechten Energieschub. Deshalb fällt es schwer, zu widerstehen. „Vielen hilft das Essen dabei, den Körper wieder mehr zu spüren. Das ist kurzfristig etwas Positives, aber langfristig kann es zu einer Abhängigkeit kommen“, so Nöh.„Wenn wir viele Süßigkeiten essen und einen hohen Zuckerkonsum haben, verändern sich auch unsere Darmbakterien“, sagt Nöh. Dabei spielt die Darmflora eine wichtige Rolle bei der Produktion von Glückshormonen.

„Eine schlechte Ernährung kann sich dann negativ auf unsere Stimmung auswirken.“ Langfristig können uns Süßigkeiten damit sogar eher unglücklich machen. Wann das emotionale Essen bedenklich wird, ist individuell.

„In dem Moment, wo es zu einem Leidensdruck kommt, wird es zum Problem“, sagt Psychologin Fiechtl. „Wenn eine Person ständig ein schlechtes Gewissen hat oder das Gefühl bekommt: Ich habe das nicht mehr im Griff, ich verliere die Kontrolle.“ Dann sei das Essen immer mit einem negativen Beigeschmack behaftet und belaste Betroffene.

Zudem seien Schuld- und Schamgefühle wichtige Anzeichen, wenn das Essen mit einer Gewichtszunahme einhergeht oder sich die Betroffenen für fehlende Disziplin schämen.“ Schlimmstenfalls kann das emotionale Essen in eine Essstörung führen.

Dem Automatismus entkommen

Um sich von emotionalem Essverhalten zu lösen, muss man sich in Achtsamkeit üben. Ressourcen können sein: kleine Auszeiten, Bewegung oder Hobbys. Also kleine Inseln des Alltag, die uns Energie geben. Oft ist auch ein Problem, dass das Essverhalten automatisiert ist. „Wir greifen in den Schrank, nehmen die Schokolade raus und denken gar nicht drüber nach“, sagt Nöh.

„Der erste Schritt wäre eine Unterbrechung zwischen Bedürfnis und Reaktion.“ Denn dann ist Raum für Alternativen. „Durch Körperübungen oder Atemtechniken kann man wieder in den Kontakt mit sich selbst finden. Aber auch Sport, Yoga oder Musik können hilfreich sein. Nur so hat man eine Chance, diesem Automatismus zu entkommen“, so Nöh. (dpa)

Cornelia Fiechtl: „Food Feelings: Wie Emotionen bestimmen, was wir essen“. Verlag Kremayr & Scheriau, 22 Euro.