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Marktcheck: So funktioniert die Lebensmittel-Ampel

Die Verbraucherzentralen haben in Supermärkten und Discountern 1.451 Produkte überprüft - und zeigen vier Wahrheiten über den Nutri-Score.

Von Katrin Saft
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Gute Pizza, schlechte Pizza.
Gute Pizza, schlechte Pizza. © Verbraucherzentrale Hamburg

Pizza gilt als ungesunde Kost. Doch so pauschal trifft das nicht auf alle Pizzen zu, wie ein Marktcheck der Verbrauchzentralen zeigt. Von 118 Pizzen, die mit dem Nutri-Score gekennzeichnet waren, erreichten fünf Pizzen sogar den grünen Bestwert A, während fünf andere Pizzen nur mit einem dem orangen D abschnitten. Letztere enthielten nicht nur sehr viel Salz. Ihr durchschnittlicher Gehalt an gesättigten Fettsäuren war auch vier Mal so hoch wie bei den A-Pizzen. Der Rest lag mit B und C im Mittelfeld.

Bei den Pizzen hat funktioniert, was bei allen verarbeiteten Lebensmitteln wünschenswert ist: Der Kunde soll anhand des fünffarbigen Nutri-Score-Aufdrucks auf einen Blick die günstigen von den weniger günstig zusammengesetzten Produkten unterscheiden können. Da die sogenannte Lebensmittel-Ampel aber freiwillig ist, haben laut Bundesernährungsministerium bislang allerdings nur 610 Hersteller insgesamt 970 Marken damit gekennzeichnet. Die Verbraucherzentralen fordern, dass die Ampelfarben europaweit Pflicht werden. Denn ihr Marktcheck zeigt vier Wahrheiten über das Label im Alltag.

1. Zu wenige Fortschritte

Die Verbraucherzentralen haben bundesweit bei Supermärkten und Discountern 1.451 Lebensmittel aus fünf Produktgruppen überprüft. Ergebnis: Nur etwa 40 Prozent und damit nicht mal die Hälfte war mit dem Nutri-Score gekennzeichnet. „Das sind zwar sieben Prozent mehr als im Vergleich zu unserem Vorjahres-Check, aber weniger als erhofft“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Lebensmittelwirtschaft müsse mehr Tempo machen, damit das Label seine volle Wirkung entfalten könne.

Beim Marktcheck zeigten sich zudem große Unterschiede zwischen den Produktgruppen. Erfreulicher Spitzenreiter waren Pizzen, von denen bereits 70 Prozent das Label trugen, gefolgt von Pflanzendrinks (49 Prozent), Brot und Brötchen (44 Prozent) und den Schlusslichtern Milchgetränke und Cerealien (je 28 Prozent).

2. Gesundheitseffekte

„Nicht nur bei den Pizzen zeigte sich, dass der Nutri-Score die Nährwertzusammensetzung gut darstellt und bei der Auswahl hilft“, so Valet. Je schlechter der Score zum Beispiel bei Brot, desto höher war der Salz- und desto niedriger der Ballaststoffgehalt. Cerealien mit einem D wiederum enthielten deutlich mehr Zucker und im Schnitt sechsmal mehr gesättigte Fettsäuren als solche mit Score A. Von den zehn zuckerreichsten Cerealien waren acht speziell an Kinder gerichtet.

Als erfreulich werten die Verbraucherschützer, dass sich bei jedem zehnten untersuchten Produkt mit Nutri-Score die Nährstoffzusammensetzung im Vergleich zum Vorjahr verbessert hat. Damit zeige sich auch die beabsichtigte gesundheitsfördernde Wirkung. Denn viele Kunden fühlen sich angesichts der Produktvielfalt und einer cleveren Werbung bei der Auswahl im Laden überfordert.

Auch bei Müsli gibt es gesündere mit A und weniger empfehlenswerte mit D.
Auch bei Müsli gibt es gesündere mit A und weniger empfehlenswerte mit D. © Verbraucherzentrale Hamburg

3. Fehler im System

Die von Wissenschaftlern erarbeitete Bewertungsformel für die Produkte funktioniert im Detail noch nicht immer. Denn schlechte Inhaltsstoffe können mit guten verrechnet werden. „So schnitten zum Beispiel einige Cerealien mit sehr viel Zucker gut ab, weil sie gleichzeitig viele Ballaststoffe und/oder wenige gesättigte Fettsäuren enthielten“, so Valet. Weißmehlbrote und -Brötchen seien mit Nutri-Score A eingestuft worden, was aus ernährungsphysiologischer Sicht nicht sinnvoll sei. Denn bei der Berechnung werde die Höchstpunktzahl für Ballaststoffe schon mit geringen Gehalten erreicht.

Im kommenden Jahr ist eine Anpassung des Algorithmus geplant, die laut Valet in die richtige Richtung gehe. So sollen die Gehalte von Zucker und Salz strenger bewertet werden.

4. Fehlende Kontrollen

Bei jedem fünften Produkt mit Nutri-Score konnten die Verbraucherzentralen die Angaben der Hersteller nicht überprüfen. „Das lag vor allem daran, dass die Ballaststoffgehalte nicht verpflichtend aufs Etikett müssen, aber auch an fehlenden Mengenangaben bei Obst, Gemüse und Nüssen“ sagt Valet. Insofern sollten Hersteller verpflichtet werden, alle zur Berechnung des Nutri-Score nötigen Daten zur Verfügung zu stellen.

Denn nicht immer liegen sie mit ihrer Einstufung richtig, wie der Check belegt. „Auf drei Prozent der gekennzeichneten Produkte war aus unserer Sicht der Score falsch“, sagt Birgit Brendel von der Verbraucherzentrale Sachsen. Stellungnahmen der Hersteller hätten gezeigt, dass das zum Beispiel an Rundungen bei der Umrechnung von Natrium in Salz liege, aber auch an einer fehlerhaften Einordnung. Wenn zum Beispiel ein Kaffeegetränk mit zwei Prozent Mandelpaste als Pflanzendrink eingestuft wird, kommt ein hellgrünes B heraus. Laut Verbraucherzentralen handele es sich aber um ein gesüßtes Kaffeegetränk mit einem Anteil Pflanzendrink. Das bekäme dann nur noch ein D. Allerdings wird der Nutri-Score lediglich in drei von 14 angefragten Bundesländern regelmäßig kontrolliert, Sachsen gehört demnach nicht dazu. Valet: „Hier muss eine flächendeckende Kontrolle von unabhängiger Stelle her.“

So funktioniert der Nutri-Score

  • Der Nutri-Score bewertet die Nährstoff-Zusammensetzung von verarbeiteten Lebensmitteln. Er stellt keine Nährstoffe einzeln dar.
  • Vereinfacht wird dazu eine 5-stufige Farbskala genutzt. Das dunkelgrüne A zeigt die beste Bewertung, das rote E die schlechteste. So soll man beim Einkauf auf einen Blick günstige von weniger günstig zusammengesetzten Produkten unterschieden können.
  • Für die Einstufung werden günstige Inhaltsstoffe wie Ballaststoffe, Eiweiß, Obst- und Gemüseanteil sowie ungünstige Inhaltsstoffe wie Salz, Zucker, gesättigte Fettsäuren und der Energiegehalt verrechnet.
  • Der Algorithmus des Nutri-Score ist wissenschaftlich fundiert, wird von Wissenschaftlern geprüft und weiterentwickelt.Die Nutzung ist freiwillig. Entscheidet sich ein Hersteller für den Nutri-Score, so verpflichtet es sich, das für alle Produkte einer Marke zu tun.
  • Ein Produkt mit gutem Nutri-Score muss nicht bei jedem einzelnen Inhaltsstoff gut abschneiden, da eine Verrechnung möglich ist.
  • Der Vergleich mit dem Nutri-Score ist nur für Lebensmittel innerhalb einer Produktgruppe oder mit ähnlichem Verwendungszweck sinnvoll. So läss sich eine Salami-Pizza mit einer Gemüse Pizza vergleichen, aber nicht Zitronenlimonade mit Erdbeerjoghurt.
  • Die Grenzen des Nutri-Score: Er berücksichtigt keine enthaltenen Aromen und Zusatzstoffe wie Süßungsmittel oder Konservierungsstoffe.
  • Keinen Nutri-Score haben z.B. frisches Obst und Gemüse oder Fleischteilstücke, Kräuter, Gewürze, Salz und Kaffeebohnen.