Herr Hanke, bitte erklären Sie uns, warum Ihr Weingut zum sächsischen Weinbaugebiet gehört, obwohl es 100 Kilometer von Meißen entfernt in Sachsen-Anhalt liegt.
In Jessen wird schon seit dem Mittelalter Wein angebaut, und zwar durchgehend bis heute. Einst waren es mal 300 Hektar...
...das ist viel. Im Elbtal haben wir gut 500 Hektar.
Genau so ist es. Die Flächen gehörten hauptsächlich dem sächsischen Kurfürsten, der im Torgauer Schloss Hartenfels residierte. Dort wurden die Trauben auch gekeltert – und der Wein getrunken. Als das Gebiet zu Preußen kam, ging der Weinanbau stark zurück. In der DDR setzte sich der Niedergang fort, der letzte Winzer hier und dann die LPG, die Wein anbaute, ließen in den 80er-Jahren ihren Wein in der Winzergenossenschaft Meißen ausbauen.
Als nach der Wende die Weingüter Anbaugebieten zugeordnet wurden, gab es für Jessen deshalb nur diese Variante. Zum Saale-Unstrut-Gebiet hatten wir keine Beziehungen, und näher ist es auch nicht. Außerdem gibt es im Jessener Heimatlied die schöne Zeile: „Man schaut vom Berge weit hinein in unser frohes Sachsen.“
Von Ihrem Weinberg?
Ja. Auch wenn der Berg mehr ein Hügel ist.
Es wird berichtet, dass Martin Luther seinen Wein aus Jessen bezog.
Das ist richtig. Es gibt mehrere Überlieferungen, dass er den „Gorrenberger“ getrunken hat. Das ist unser Weinberg. Er bezog den Wein fassweise über seinen Freund Friedrich den Weisen in Torgau. Angeblich hat er auch noch Schulden bei uns. Auf der Durchreise soll ihm mal ein Kutschenrad gebrochen sein. Er kehrte hier in eine Weinwirtschaft ein, zechte und soll dann bei einem hastigen Aufbruch das Zahlen vergessen haben.
Sie bezeichnen Ihr Gut als das nördlichste Qualitätsweingut Deutschlands. Heißt das, man kann hier gerade noch Wein anbauen?
In der letzten Zeit wird Wein auch weiter nördlich in Brandenburg, Mecklenburg und Schleswig-Holstein angebaut. Aber diese Flächen sind keinem Gebiet zugeordnet, sie produzieren deshalb offiziell nur Landwein. Da wir zum Weinanbaugebiet Sachsen gehören, sind wir das nördlichste Qualitätsweingut. Allerdings werben wir damit nicht so sehr.
Weil das nach saurem Wein klingt?
So ungefähr. Deshalb nutzen wir lieber diesen Spruch für unsere Werbung: „Wo guter Wein wächst, beginnt der Süden.“
Dabei hilft Ihnen der Klimawandel?
Ich denke schon. Das Klima hier wird weinfreundlicher. Mein Vater, der auch schon Winzer war, berichtete immer wieder über Winterfrost, Wetterunbilden und kühle Jahre, die gute Qualität verhinderten. Das gibt es so heute viel seltener.
Neben Wein bauen Sie auch Obst an?
Im Nebengeschäft Erdbeeren, Süßkirschen, Äpfel, Quitten, Sanddorn.
Gibt’s hier weitere Winzer?
Mehrere Hobbywinzer und zwei Nebenerwerbsbetriebe. Wir sind mit unseren 15 Hektar das einzige professionelle Weingut, wir keltern auch selbst.
Was macht Ihren Wein aus? Was unterscheidet ihn vom Elbtalwein?
Wir haben hier leichte Sandböden. Darauf entstehen fruchtbetonte Weine mit niedrigerem Säuregehalt.
Schmeckt der Fachmann Weine aus Jessen?
Bei diversen Weinproben stelle ich immer wieder fest, dass es große Unterschiede gibt zwischen den Weinen aus Sachsen und denen von Saale und Unstrut. Innerhalb des sächsischen Anbaugebiets sind die Unterschiede nicht so groß. Unsere Weine sind denen aus dem Raum Weinböhla sehr ähnlich, dort gibt es auch Sandböden.
Sie stellen mehrere Rotweine her. Die gedeihen hier im hohen Norden?
Ja. Ich habe vier Jahre in Württemberg gelernt, einem Rotweinland. Ein Winzerfreund empfahl mir, Schwarzriesling anzubauen, ein leichter, fruchtiger Rotwein. Und den gibt es jetzt in Sachsen nur bei uns in größerer Menge. Inzwischen bauen wir fünf Rotweinsorten an.
In Ihrer Vinothek fällt zudem auf, dass es einige liebliche Weine gibt.
Wir sind ja kein klassisches Weinland und nah an der Grenze zu Brandenburg. Hier wird viel Bier getrunken. Und die Biertrinker mögen, wenn schon, den Wein mit etwas mehr Restzucker. Deshalb haben wir mehrere halbtrockene und liebliche Weine im Programm. Dennoch verkaufen wir auch hier mehr trockene Weine.
Und Sie stellen auch Cremant her, einen Schaumwein, der nach der Champagnermethode hergestellt wird.
Ein Berliner Sommelier hat mich mal zu einem Champagnerlehrgang eingeladen. Dort habe ich festgestellt, dass wir die dafür notwendigen Grundweine Spätburgunder und Schwarzriesling schon anbauen und Chardonnay ohnehin anpflanzen wollten. Aus diesen drei Rebsorten machen wir neuerdings einen „Cremant de Sax“. Der erste Jahrgang war im Nu weg.
Die allermeisten Weine sind günstig, sie kosten zwischen 6,50 und acht Euro. Wie machen sie das?
Wir haben keine Steillagen und können deshalb bequem mit dem Schlepper fahren. Damit sind wir günstiger in der Produktion.
Und 15-Euro-Weine würden sich hier wahrscheinlich auch schwer verkaufen.
So ist es. Das Lohnniveau ist nicht so hoch wie im Elbtal. Wenn ich hier so hohe Preise verlangen würde, dann würden die Leute sagen: Der will sich wohl eine goldene Nase verdienen?
Ja, in der Gastronomie sind wir ganz gut vertreten. Der neu eröffnete Luisenhof in Dresden hat uns im Angebot, der Sophienkeller. Auch im Konsum gibt‘s uns.
Wie verkauft sich der Wein?
Wir müssen uns drehen, wie alle Winzer. Deshalb wollen wir neue Märkte erschließen. Im Fläming würden wir gern verkaufen und in Berlin. Aber da sind wir zu unbekannt.
Warum werben Sie dann nicht mit der Marke „Luther-Wein“?
Ach nö. Das hat der Luther nicht verdient.
Dieser Text ist bereits am 5. Juni 2018 in der
Printausgabe der Sächsischen Zeitung erschienen.