Leben und Stil
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Weingut Hanke: „Martin Luther hat noch Schulden bei mir“

Ingo Hanke betreibt mit seinem Bruder in Jessen das nördlichste Qualitätsweingut Deutschlands – mit sächsischer Note.

Von Olaf Kittel
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Ingo Hanke hat das Familienweingut in Jessen 1994 zusammen mit seinem Bruder Frank gegründet. Auch seine Mutter und die
Schwester arbeiten hier inzwischen mit.
Ingo Hanke hat das Familienweingut in Jessen 1994 zusammen mit seinem Bruder Frank gegründet. Auch seine Mutter und die Schwester arbeiten hier inzwischen mit. © Thomas Kretschel

Herr Hanke, bitte erklären Sie uns, warum Ihr Weingut zum sächsischen Weinbaugebiet gehört, obwohl es 100 Kilometer von Meißen entfernt in Sachsen-Anhalt liegt.

In Jessen wird schon seit dem Mittelalter Wein angebaut, und zwar durchgehend bis heute. Einst waren es mal 300 Hektar...

...das ist viel. Im Elbtal haben wir gut 500 Hektar.

Genau so ist es. Die Flächen gehörten hauptsächlich dem sächsischen Kurfürsten, der im Torgauer Schloss Hartenfels residierte. Dort wurden die Trauben auch gekeltert – und der Wein getrunken. Als das Gebiet zu Preußen kam, ging der Weinanbau stark zurück. In der DDR setzte sich der Niedergang fort, der letzte Winzer hier und dann die LPG, die Wein anbaute, ließen in den 80er-Jahren ihren Wein in der Winzergenossenschaft Meißen ausbauen.

Als nach der Wende die Weingüter Anbaugebieten zugeordnet wurden, gab es für Jessen deshalb nur diese Variante. Zum Saale-Unstrut-Gebiet hatten wir keine Beziehungen, und näher ist es auch nicht. Außerdem gibt es im Jessener Heimatlied die schöne Zeile: „Man schaut vom Berge weit hinein in unser frohes Sachsen.“

Von Ihrem Weinberg?

Ja. Auch wenn der Berg mehr ein Hügel ist.

Es wird berichtet, dass Martin Luther seinen Wein aus Jessen bezog.

Das ist richtig. Es gibt mehrere Überlieferungen, dass er den „Gorrenberger“ getrunken hat. Das ist unser Weinberg. Er bezog den Wein fassweise über seinen Freund Friedrich den Weisen in Torgau. Angeblich hat er auch noch Schulden bei uns. Auf der Durchreise soll ihm mal ein Kutschenrad gebrochen sein. Er kehrte hier in eine Weinwirtschaft ein, zechte und soll dann bei einem hastigen Aufbruch das Zahlen vergessen haben.

Sie bezeichnen Ihr Gut als das nördlichste Qualitätsweingut Deutschlands. Heißt das, man kann hier gerade noch Wein anbauen?

In der letzten Zeit wird Wein auch weiter nördlich in Brandenburg, Mecklenburg und Schleswig-Holstein angebaut. Aber diese Flächen sind keinem Gebiet zugeordnet, sie produzieren deshalb offiziell nur Landwein. Da wir zum Weinanbaugebiet Sachsen gehören, sind wir das nördlichste Qualitätsweingut. Allerdings werben wir damit nicht so sehr.

Weil das nach saurem Wein klingt?

So ungefähr. Deshalb nutzen wir lieber diesen Spruch für unsere Werbung: „Wo guter Wein wächst, beginnt der Süden.“

Dabei hilft Ihnen der Klimawandel?

Ich denke schon. Das Klima hier wird weinfreundlicher. Mein Vater, der auch schon Winzer war, berichtete immer wieder über Winterfrost, Wetterunbilden und kühle Jahre, die gute Qualität verhinderten. Das gibt es so heute viel seltener.

Neben Wein bauen Sie auch Obst an?

Im Nebengeschäft Erdbeeren, Süßkirschen, Äpfel, Quitten, Sanddorn.

Gibt’s hier weitere Winzer?

Mehrere Hobbywinzer und zwei Nebenerwerbsbetriebe. Wir sind mit unseren 15 Hektar das einzige professionelle Weingut, wir keltern auch selbst.