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WHO beruft Affenpocken-Notfallausschuss ein

Handelt es sich bei den Affenpocken um eine "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite"? Das entscheidet nun ein Expertenrat der WHO.

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Ein Expertenrat der WHO entscheidet aktuell, ob es sich bei den Affenpocken um eine «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite handelt.
Ein Expertenrat der WHO entscheidet aktuell, ob es sich bei den Affenpocken um eine «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite handelt. © Institute of Tropical Medicine, Antwerp/dpa

Luxemburg. Aus Sorge um die steigende Zahl an Affenpockenfällen in aller Welt hat WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus für kommende Woche den Notfallausschuss einberufen. Das Gremium soll entscheiden, ob es sich - wie bei Corona - um eine "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite" (PHEIC) handelt. Der Notfallausschuss soll am 23. Juni tagen, wie es am Dienstag von der Weltgesundheitsorganisation WHO hieß.

Die Erklärung der Notlage ist die höchste Alarmstufe, die die WHO verhängen kann. Eine solche Erklärung hat keine direkten praktischen Folgen, soll aber die Mitgliedsländer wachrütteln. Eine Notlage gilt etwa seit Ende Januar 2020 wegen des Coronavirus Sars-CoV-2.

Der WHO wurden bis Dienstag weltweit mehr als 1600 Fälle von Affenpocken und fast 1500 Verdachtsfälle aus 39 Ländern gemeldet. In 32 dieser Länder gab es vor Mai keine bekannten Fälle. In den anderen sieben Länder in Afrika grassiert das Virus seit Jahrzehnten. Bislang wurden 72 Todesfälle aus den afrikanischen Ländern gemeldet. Die WHO prüfe einen möglichen Todesfall durch Affenpocken aus Brasilien, sagte Tedros.

"Wir wollen nicht warten, bis die Situation außer Kontrolle geraten ist"

Die Sorge der WHO beziehe sich auf drei Bereiche, sagte Tedros: das Virus verhalte sich ungewöhnlich, es seien immer mehr Länder betroffen und damit sei eine koordinierte Reaktion nötig. Tedros betonte aber, dass die Experten des Notfallausschusses die Problematik betrachten und noch nicht entschieden sei, ob sie das Ausrufen einer Notlage für nötig halten.

"Wir wollen nicht warten, bis die Situation außer Kontrolle geraten ist", sagte WHO-Spezialist Ibrahima Socé Fall. In dem Ausschuss kommen Expertinnen und Experten zusammen, die sich mit der Krankheit besonders gut auskennen. Sie könnten die WHO am besten beraten, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, sagte Fall.

WHO-Spezialistin Rosamund Lewis betonte, dass die WHO die Mitgliedsländer schon jetzt mit zahlreichen technischen Ratschlägen zum Umgang mit Affenpockenfällen versorgt habe. "Das Wichtigste ist, Bewusstsein zu schaffen, damit die Menschen ihr eigenes Risiko abschätzen können", sagte Lewis.

EU kauft 110.000 Dosen Affenpocken-Impfstoff

Die Europäische Union hatte zuvor am Dienstag bereits rund 110 000 Dosen Impfstoff gegen Affenpocken gekauft. Wie die EU-Kommission mitteilte, wurde der Vertrag mit dem Unternehmen Bavarian Nordic über 109 090 Dosen Impfstoff der dritten Generation am Dienstag geschlossen. Der Impfstoff solle den 27 EU-Staaten sowie Norwegen und Island zur Verfügung stehen.

EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sagte am Rande eines EU-Ministertreffens in Luxemburg, die ersten Dosen sollten bereits Ende Juni geliefert werden. Derzeit gebe es rund 900 Affenpocken-Fälle in der EU, weltweit seien es rund 1400.

Der nun gekaufte Impfstoff ist nach Angaben der EU-Kommission auf EU-Ebene bislang nur für Erwachsene gegen Pocken zugelassen. Jedoch schütze das Vakzin auch gegen Affenpocken. Einige EU-Staaten hätten auf nationaler Ebene bereits Ausnahmegenehmigungen für den befristeten Gebrauch des Impfstoffs gegen Affenpocken erteilt.

Bund rechnet am Mittwoch mit Pockenimpfstoff

Das Bundesgesundheitsministerium rechnet für Mittwoch mit einer Lieferung von Pockenimpfstoff, der gegen Affenpocken eingesetzt werden kann. Der Bund stelle den Bundesländern das Vakzin zur Verfügung, teilte ein Ministeriumssprecher am Dienstag auf Anfrage mit. "Die Länder organisieren Verimpfung und Distribution." Es gehe um 40 000 Dosen Impfstoff. Zunächst wurden keine Angaben zum genauen Verteilschlüssel gemacht.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte kürzlich angekündigt, dass der Impfstoff am 15. Juni bereitstehe. Das Konzept der Impfung werde gerade vorbereitet. Ende Mai hatte Lauterbach erklärt, dass zusätzlich zu den ersten 40 000 Einheiten zu einem späteren Zeitpunkt noch 200 000 Dosen erwartet würden. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte vergangene Woche bereits Details zur geplanten Impfempfehlung mitgeteilt, die sich an bestimmte Gruppen richtet.

Empfehlung des Impfstoffs für Risikogruppen

In Deutschland hatte die Ständige Impfkommission vergangene Woche eine Affenpocken-Impfung für bestimmte Risikogruppen und Menschen, die engen Kontakt zu Infizierten hatten, empfohlen. Ein erhöhtes Infektionsrisiko sieht die Stiko bei Männern, die gleichgeschlechtliche sexuelle Kontakte mit wechselnden Partnern haben. Zwar können sich alle Menschen über engen Körperkontakt anstecken, doch die Fälle in Deutschland seien "bisher ausschließlich bei Männern der MSM-Community aufgetreten" schrieb die Stiko. Diese Gruppe sollte deshalb besonders geschützt werden. MSM steht für "Männer, die Sex mit Männern haben".

Auch Personal von Speziallaboratorien komme unter Umständen für eine vorsorgliche Impfung infrage. Der Beschlussentwurf der Empfehlung muss nun noch in ein sogenanntes Stellungnahmeverfahren und ist noch keine endgültige offizielle Empfehlung.