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Wie man aus schwierigen Situationen Erfolge macht

Coach Frederik Hümmeke hilft Menschen, in Konfliktsituationen souverän zu handeln und Krisen als Chance zu nutzen. Wie das geht, verrät er im Interview.

Von Sylvia Miskowiec
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Das Gefühl, etwas nicht mehr unter Kontrolle zu haben.
Das Gefühl, etwas nicht mehr unter Kontrolle zu haben. © 123rf

Der Chef ist cholerisch, die Schwiegermutter schnell beleidigt und die Freundin hält selten, was sie verspricht: Der Autor, Wirtschafts- und Neurowissenschaftler Frederik Hümmeke kennt Wege, wie solche Situationen nicht eskalieren. Am 8. Mai kommt er nach Dresden.

Herr Hümmeke, Sie versprechen, dass man aus jeder schwierigen Situation einen Erfolg machen kann – indem man den Umgang mit SHIT lernt. Meinen Sie damit wirklich die englische Bezeichnung für Scheiße?

(lacht) SHIT ist meine wissenschaftliche Abkürzung. Sie steht für die vier Begriffe: Stress, Heuchler, Idioten und Temperamente. Da sind die vier Hauptgründe, warum wir Situationen als schwierig empfinden.

Stress hat fast jeder. Wie kann man denn den Umgang damit erlernen?

Stress entsteht, wenn wir das Gefühl haben, etwas nicht ganz unter Kontrolle zu haben – eine Prüfung etwa oder ein Meeting, in dem jemand eine kritische Frage stellt und ich nicht recht weiß, wie ich damit umgehen soll. Stress erschwert es uns, souverän zu reagieren und sorgt dafür, dass etwas oder jemand als schwierig wahrgenommen wird. Auch andersrum: wir sind entspannt, ein anderer ist gestresst, pflaumt uns deswegen an. Da sind eigentlich gar nicht wir gemeint, sondern das resultiert aus dem Stress des anderen. In meinen Seminaren geht es darum, Verstehen zu lernen: Wann bin ich es, wann hat es eher nichts mit mir zu tun? Muss ich jeden Stressor ernst nehmen und wie kann ich damit umgehen, dass es gut für mich ist?

Beim Umgang miteinander ist man ja schnell beim H, dem Heuchler?

Genau. Menschen, die einem sagen: Links rum, links rum! Aber selbst rechts abbiegen. Menschen, die hohe Standards von anderen erwarten und einfordern, sich nur leider nicht selbst dran halten. Das kann schwierig werden. Genau wie die dritte Kategorie, die Idioten. Damit ist nicht nur jemanden im Straßenverkehr gemeint, den man gern mal so betitelt. Dazu gehören alle Irrtümer und Idiotien, etwa, wenn ich eine Rechnung aufmache, mich vertue, es aber nicht merke und damit eine falsche Meinung vertrete. Genauso auch die dunkle Seite – Extremisten, Fundamentalisten, Ideologen.

Was ist mit Temperamente gemeint?

Hier geht es um unterschiedliche Persönlichkeiten. Manche Menschen haben beispielsweise ein sehr hohes Ordnungsbedürfnis, manche sehen das eher sehr locker. Leben beide zusammen in einem Haushalt, kann man sich vorstellen, worauf das hinausläuft. Beide werden den jeweils Anderen als schwierige Person wahrnehmen. Was ist die Lösung? Sich immer zuerst fragen: Was hat der Stress, die „Shituation“, wie ich gern sage, gerade mit mir zu tun? Meist nicht viel, dazu ein Beispiel: Kommt jemand mit schlechter Laune in den Raum, haben plötzlich alle eher schlechte Laune. Das nennt man wissenschaftlich „Affizierung.“ Was ich spüre, sind die Gefühle des Gegenübers, nicht meine, das hat mit mir erst mal nichts zu tun. Die Frage ist: Wie will ich mit der Situation wirklich umgehen, wann möchte ich, dass jemand auf mich zukommt?

Wie bekommt man sich selber denn in den Griff, wenn man merkt, oh, oh, gleich flipp ich aus?

Das geht in zwei Schritten, die auch neurowissenschaftlich belegt sind. Im ersten Step erkenne ich meinen Stress ganz bewusst an und sehe eine Chance darin: Ich kann mir beweisen, dass ich es schaffe, ruhig zu bleiben – und finde am Ende so viel eher eine für alle zufriedenstellende Lösung. Ob man wirklich an diese Chance glaubt oder nicht, ist übrigens irrelevant. Sobald man sie im Kopf formuliert, wird im Gehirn eine Region angesprochen, das sogenannte mesolimbische System, auch Belohnungszentrum genannt. Und das kickt den Stress raus, denn Stress- und Belohnungszentrum laufen nie gleichzeitig heiß. Die Wissenschaft geht davon aus, dass allein dieser Schritt den Stress um mehr als die Hälfte reduziert. Der zweite Schritt senkt den Erregungspegel weiter und ist zudem pragmatisch: Ich frage mich, was ich tun will und kann und was das eigentliche Problem ist. Auch hier hält das Denken den Stress im Zaum. So ist man nicht mehr kopflos unterwegs und redet irgendwelchen Quatsch. So unterbricht man auch die Kaskade: Ich schreie einen an, der brüllt zurück und so weiter. Es ist immer gut, sich anzusehen, woher das Verhalten, das eigene und das der anderen, kommt und ob es eine Struktur gibt. Jeder ist dafür verantwortlich, in solchen Situationen ruhig und fokussiert zu bleiben und schwierige Dinge ehrlich anzusprechen.

Frederik Hümmeke ist Experte für Coaching, Konfliktbewältigung und Krisenmanagement. Der 38-Jährige lebt mit seiner Familie im Ruhrgebiet.
Frederik Hümmeke ist Experte für Coaching, Konfliktbewältigung und Krisenmanagement. Der 38-Jährige lebt mit seiner Familie im Ruhrgebiet. © Anne Großmann Fotografie

Warum fällt es oft so schwer, da frei miteinander zu reden?

Es gibt vier Hauptgründe: Der erste ist die Sorge vor einem äußeren Konflikt. Wenn ich was anspreche, könnte es ja sein, dass ein Streit beginnt, was ich nicht will. Der zweite Grund ist der innere Konflikt. Ich habe zum Beispiel einen Partner, merke aber, der ist es nicht mehr. Doch da melden sich innere Stimmen: Will ich wirklich derjenige sein, der jemanden verlässt? Passt das zu mir? Fände ich sowas schön? Und schon schweigt man lieber. Der dritte Grund liegt in der fixen Idee: Das macht der doch mit Absicht, das brauch ich gar nicht ansprechen. Und der vierte Grund ist der Glaube: Bringt eh alles nichts, der ändert sich nie, alles zwecklos. Alle vier Gründe sind fatal, denn je länger man etwas nicht anspricht, umso schlimmer wird es in der Regel.

Wie lange muss man an sich arbeiten, bis man gewissen Kommunikationsregeln und eine gewisse Achtsamkeit verinnerlicht hat?

Die Kunst ist es, kleine Dinge zu finden, die man recht schnell richtig machen kann. Sich klar zu werden, wie man mit seinem eigenen Stress umgeht, dass er überhaupt existiert – das negieren nämlich einige. Natürlich sollte man sich fragen, ob das Miteinander der richtige Weg ist, wenn man lange gefühlt nur auf der Stelle tritt und nichts ändern kann.

Welcher SHIT-Buchstabe ist der größte Auslöser für Schwierigkeiten?

Der Stress. Jeder von uns hat schon mal jemandem was an den Kopf geknallt, nur weil man gerade gestresst war. Beispiel: Ich gehe in die Küche, sehe dort eine Tasse, halbvoll mit kaltem Kaffee und diesen lustigen Milchschlieren obendrauf, stoße beim Rumhantieren dran. Zack, fliegt die Tasse um und die Tapete ist voll. Und ich habe nichts Besseres zu tun als zu schreien: Wer hat die Tasse hier stehengelassen? Ich könnte ja stattdessen mich fragen, wie es kommt, dass ich gerade unaufmerksam war und dann das Malheur einfach wegputzen. Stattdessen suche ich einen Schuldigen. Und der so Angebrüllte fühlt sich ungerecht behandelt, brüllt zurück – und schon sind wir in einer Kaskade aus Kontrollverlust, hervorgerufen durch Stress. Der geht, wie auch bei diesem Beispiel zu sehen, gleich mit dem T einher, den Temperamenten: Menschen, die ganz unterschiedliche Erwartungen an die Welt haben.

Was kann man denn präventiv tun, damit es gar nicht erst zu unangenehmen Situationen kommt?

Es hilft, sich die Frage zu stellen, wen man als Gegenüber hat, wie dessen Persönlichkeit ist, was er vielleicht gerade braucht. Sich von vornherein Kompromisse zu überlegen, ist ratsam. Zudem sollte man an seiner eigenen Haltung arbeiten. Ich kann in eine Gehaltsverhandlung gehen und denken, dass das jetzt meine einzige Chance ist. Oder aber ich sehe das Ganze als Prozess, als ersten Schritt von vielen möglichen. Das nimmt die Brisanz und schafft Entspannung. Eine weitere Möglichkeit ist, Achtsamkeit und Meditation zu praktizieren – um sich selbst zu fokussieren und zu entspannen. Eine Methode, die auch die Neurowissenschaft bestätigt. Denn ganz häufig sind wir gestresst, der Bauch ist schon verkrampft, der Nacken ist angespannt – und wir merken das gar nicht mehr, erst, wenn noch was obendrauf kommt und es zu spät ist. Wenn wir zwischendurch pausieren, durchatmen, uns die Frage stellen, wie es uns geht, was wir gerade brauchen, dann haben wir anschließend wieder mehr Ressourcen.

Bringt Sie selbst denn noch irgendetwas auf die Palme?

Oh, da gibt’s vieles (lacht). Ich bin auch nur ein Mensch und finde mich immer wieder in „Shituations“ wieder. Und das wird auch so bleiben, die gehen nicht weg. Was mich immer wieder nervt, sind scheinbare Experten, die wissenschaftlich nichts Fundiertes durch die Welt tragen und damit sogar Leute schädigen. Da könnte ich mich nächtelang mit wachsender Begeisterung aufregen. Und ich kann mich über Politik ärgern, von der ich mir wünschen würde, dass man wertschätzender mit Menschen umgeht.

Frederik Hümmeke spricht am Montag, den 8. Mai, in der Reihe „Erfolgsmacher“ um 19.30 Uhr im Deutschen Hygienemuseum in Dresden über kluges Verhalten in kritischen Situationen – wie man aus SHIT Dünger für sein Wachstum macht! Eine Teilnahme ist live oder online möglich. Tickets (49 Euro) unter 02561/9792888 oder per Mail [email protected].