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An der Ostsee wird vor Vibrionen gewarnt

Die Hitze ist auch für die Wasserqualität im Meer ein Problem. In der Ostsee sind erstmals in diesem Jahr Vibrionen nachgewiesen worden. Doch was ist das überhaupt?

Von Franziska Anders & Katrin Saft
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An der Ostsee wird aktuell vor Vibrionen gewarnt. Denn die stäbchenförmigen Bakterien können krank machen.
An der Ostsee wird aktuell vor Vibrionen gewarnt. Denn die stäbchenförmigen Bakterien können krank machen. © dpa

Die Gesundheitsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern haben erstmals in diesem Jahr Vibrionen im Ostseewasser nachgewiesen. Angesichts hoher Temperaturen gehen sie davon aus, dass diese Bakterien an der gesamten Ostseeküste auftreten können. "Wo genau die Vibrionen nachgewiesen worden sind, ist irrelevant", sagt Anja Neutzling, Sprecherin vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGuS), am Freitag auf Nachfrage von Sächsische.de Wenn es einen Nachweis in der Ostsee gibt, würden die Vibrionen überall zu finden sein, erklärt sie.

Eine Infektion beim Menschen nach Kontakt mit Ostseewasser wurde bisher nicht gemeldet, teilt das LAGuS am Freitag mit.

Es seien auch nur sehr wenige Badegäste durch Vibrionen gefährdet - im vergangenen Jahr waren dem Landesamt zufolge zehn Infektionen gemeldet worden. Wie gefährlich eine solche Infektion aber sein kann, erklärt das Robert Koch Institut (RKI).

Was sind Vibrionen?

Vibrionen sind stäbchenförmige Bakterien, die salzbedürftig sind. Bekannteste Vertreter sind Vibrio cholerae, die Cholera auslösen können. Im Ostseewasser jedoch handelt es sich um Nicht-Cholera-Vibrionen, die als Bestandteil der normalen Bakterienflora vor allem in salzhaltigen Gewässern vorkommen. Sie sind keine Anzeichen für eine fäkale Verunreinigung des Wassers.

Wo besteht die Gefahr, sich mit Vibronen zu infizieren?

Vibrionen kommen weltweit in Gewässern vor. Sie vermehren sich besonders stark bei einem Salzgehalt von 0,5 bis 2,5 Prozent und ab einer Temperatur von über 20 Grad Celsius stark. Diese Bedingungen sind in warmen Sommern wie diesem auch an Teilen der deutschen Nord- und Ostseeküste gegeben. Dadurch besteht dort ein gewisses Risiko, an einer Infektion durch Vibrionen zu erkranken.

Die Gefahr ist besonders hoch an oder unweit von flachen und sich dadurch schnell erwärmenden Küstenbereichen, wo das an Flussmündungen einströmende Süßwasser den Salzgehalt reduziert. Aber auch in Buchten, Lagunen, im Brackwasser und zum Teil auch in Binnenseen besteht ein erhöhtes Risiko. An tieferen Strandabschnitten und in Bereichen, in denen Wellengang, Strömungen oder die Gezeiten die Wassersäule stärker durchmischen, sind Infektionen weniger wahrscheinlich. Der Atlantik und das Mittelmeer sind vielerorts mit einem Salzgehalt von über 3 Prozent zu salzhaltig für eine optimale Vermehrung von Vibrionen.

Auf der Webseite des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten wird eine interaktive Karte angeboten, die die Virbrionen-Gefährdung in europäischen Küstengewässern zeigt. Besonders hoch ist sie demnach zur Zeit am Schwarzen Meer.

Welche Arten von Infektionen rufen die Erreger hervor?

Nicht-Cholera-Vibrionen können Wundinfektionen hervorrufen, die zu Komplikationen wie Sepsis führen können – eine Infektion mit Erregern über die Blutbahn, durch die zum Teil mehrere Organe betroffen sind. Die Infektionen können durch den Kontakt offener, nicht verheilter Wunden mit erregerhaltigem Meerwasser entstehen – zum Beispiel beim Baden oder Waten im Wasser. Sie können aber auch über Wunden eindringen, die man sich erst im Wasser zugezogen hat. Durch die bakteriellen Toxine können sich invasive, meist eitrige Infektionen entwickeln, die dringend chirurgisch versorgt werden müssen.

In den USA, Israel und vereinzelt in Deutschland sind auch Infektionen durch Verletzungen bei der Verarbeitung von Meeresfrüchten und rohem Seefisch nachgewiesen worden. Sie können nach dem Verzehr von rohem Fisch oder Austern oder unzureichend gegarten Meeresfrüchten wie Shrimps auftreten. Zudem können Vibrionen auch Ohrinfektionen verursachen.

Was sind typische Anzeichen für eine Vibrionen-Infektion?

Oberflächliche Wundinfektionen können sich schnell ausbreiten. Die Inkubationszeit hängt vom Erreger ab und liegt allgemein nur zwischen 4 und 96 Stunden. Ein frühes Symptom ist ein lokaler Schmerz, der angesichts der sichtbaren Wunde überproportional stark erscheint. Zudem können Fieber, Schüttelfrost und Sepsis auftreten.

Bei gastroenteritischen Infektionen treten krampfartige Magenschmerzen, Erbrechen, Übelkeit und wässriger Durchfall auf. Bei schweren Verläufen kann es ebenfalls zu einer Sepsis kommen. Vibrionen sind meldepflichtig. Das RKI geht aber davon aus, dass sie oft nicht richtig diagnostiziert werden.

Wer hat ein besonders hohes Risiko zu erkranken?

Zu den typischen Risikogruppen zählen ältere sowie immungeschwächte Personen. Auch wer Vorerkrankungen wie Diabetes, Leber-, Krebs- sowie schwere Herzerkrankungen hat, hat ein erhöhtes Risiko, auch für einen schweren Infektionsverlauf.

Dagegen sind unter den in Europa bekannten Fällen nur selten junge gesunde Erwachsene, die in der Regel auch nicht schwer erkranken. Bei immungesunden Kindern werden allenfalls Ohrinfektionen festgestellt, die mit Ohrinfektionen durch andere Erreger vergleichbar sind.

Wie können die Infektionen behandelt werden?

Bei einer schnellen, geeigneten und ausreichend dosierten Antibiotika-Gabe sind Infektionen auch bei Risikopatienten in den Griff zu bekommen. Unbehandelt oder zu spät behandelt kann – durch das schnelle Fortschreiten der Infektion – zusätzlich eine chirurgische Behandlung bis hin zur Amputation betroffener Gliedmaßen erforderlich sein. Schwere Vibrionen-Erkrankungen können tödlich verlaufen.