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Medikamenten-Engpässe: Mediziner in Sachsen schlagen Alarm

Ärzte und Apotheker sehen wegen der Medikamentenknappheit bereits das sächsische Gesundheitswesen in Gefahr. Gesundheitsminister Lauterbach stellt derweil seinen Plan gegen den Mangel vor.

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Um die Produktion von Medikamenten für Kinder attraktiver zu machen, will der Gesundheitsminister die Preisregeln ändern.
Um die Produktion von Medikamenten für Kinder attraktiver zu machen, will der Gesundheitsminister die Preisregeln ändern. © Symbolfoto: Waltraud Grubitzsch/dpa

Berlin/Dresden. Kinderarztpraxen und Kliniken sind überfüllt, aber in Apotheken gibt es keinen Fiebersaft oder Hustenmittel. „Medikamente brechen reihenweise weg“, sagt Göran Donner, Vizepräsident der sächsischen Landesapothekerkammer. „Die Situation, die wir bislang so nicht kannten, macht mir große Sorgen.“ Und nicht nur ihm: Bundesweit klagen Mediziner und Apotheker über Knappheit oder komplettes Fehlen bestimmter Medikamente.

Das Problem ist in der Politik bekannt, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach reagiert nun auf die Lieferengpässe. Er will die Versorgung mit Kinderarzneimitteln verbessern, indem die Krankenkassen ab sofort mehr für solche Medikamente bezahlen. „Wir müssen diese Arzneimittel für Kinder aus den Festbeträgen herausnehmen, so dass die auch teurer verkauft werden“, sagte der SPD-Politiker. Er werde umgehend die Krankenkassen anweisen, 50 Prozent mehr zu zahlen als den bisherigen, relativ niedrigen Festbetrag.

Deutschland sei für Hersteller kein attraktiver Markt, stark gefragte Mittel würden daher eher in anderen Ländern wie den Niederlanden verkauft. Vor allem Kindermedikamente müssten dauerhaft wirtschaftlich attraktiver gemacht werden, um künftig Engpässe zu verhindern.

Karl Lauterbach erklärte am Dienstag sein Eckpunktepapier gegen Lieferengpässe bei Medikamenten.
Karl Lauterbach erklärte am Dienstag sein Eckpunktepapier gegen Lieferengpässe bei Medikamenten. © dpa/Bernd Von Jutrczenka

Auch bestimmte Arzneimittel für Erwachsene wie Krebsmedikamente oder Antibiotika würden hier nicht in ausreichender Menge hergestellt, so Lauterbach. „Wir werden den Krankenkassen die Vorgabe geben, einen Teil der Arzneimittel aus China, Indien und Übersee zu besorgen, aber einen Teil auch aus Europa.“ Das solle bewirken, dass die Produktion in Europa hochgefahren wird.

Bei 330 Arzneimitteln gibt es derzeit Lieferengpässe

Laut Bundesinstitut für Arzneimittel gibt es derzeit gut 330 Meldungen zu Lieferengpässen von Präparaten. Lauterbach plant ein Gesetz, um dem vorzubeugen. Generell soll bei der Medikamentenbeschaffung nicht mehr nur der billigste Anbieter zum Zug kommen. „Wir sind auch in diesem Bereich mit der Ökonomisierung zu weit gegangen“, so der Minister. Der Preis habe die alleinige Rolle gespielt.

Apotheker Göran Donner sieht die Pläne mit vorsichtigem Optimismus: ,„Das bringt etwas, aber nicht innerhalb der nächsten Woche.“ Das gesamte System müsse hinterfragt werden.

Kammern warnen Gesundheitsministerin Petra Köpping

Die Präsidenten von Landesärztekammer, Landeszahnärztekammer und Landesapothekerkammer warnten Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) vor einer großen „Gefahr für die weitere Funktionsfähigkeit des sächsischen Gesundheitswesens“ und forderten zu „schnellem Handeln“ auf. Beispielsweise könne sie Allgemeinverfügungen erlassen, um die Verfügbarkeit von dringend benötigten Arzneimitteln zu verbessern.

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) kritisierten die Lauterbach-Pläne. Sie seien lediglich „ein beeindruckendes Weihnachtsgeschenk für die Pharmaunternehmen“. Die wiederum begrüßten das Vorhaben. (dpa/SZ)

Überblick über Lauterbachs Preishebel:

Kindermedikamente: Für bestimmte Arzneimittel soll künftig das bis zu 1,5-Fache des "Festbetrags" von den gesetzlichen Kassen übernommen werden - also des maximalen Betrags, den sie bisher für ein Präparat an den Hersteller zahlen. Lauterbach sagte in der ARD, die Kassen würden unmittelbar angewiesen, diese 50 Prozent mehr zu zahlen. Nach Eckpunkten des Ministeriums sollen Experten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Liste mit Präparaten erstellen, die für die Kinderversorgung erforderlich sind. Um Kostendruck zu senken, soll es für sie auch keine Rabattverträge mehr geben dürfen.

Lieferketten: Die Versorgung soll generell besser abgesichert werden, auch gegen Probleme bei Lieferungen aus Asien und Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern. Den Kassen soll zunächst für Krebsmedikamente und Antibiotika eine "Standortberücksichtigung" bei Ausschreibungen vorgegeben werden. In einem zusätzlichen Teil ergänzend zur Vergabe nach dem Preis sollen sie einen Zuschlag nach dem Kriterium "Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU" erteilen. Das solle dafür sorgen, dass zuverlässigere europäische Hersteller bevorzugt werden, erläuterte Lauterbach. Für bestimmte Mittel soll auch vorgesehen werden, dass sie über mehrere Monate auf Lager zu halten sind.

Apotheken: Im Blick stehen auch Apotheken, die sich bei gerade nicht lieferbaren Mitteln um Alternativen für die Kundinnen und Kunden kümmern. "Ist ein Medikament nicht vorrätig, dürfen sie künftig ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben oder aus Pillen Säfte machen", erläuterte Lauterbach. "Müssen sie dafür mit dem Arzt Rücksprache halten, wird das zusätzlich honoriert." Laut den Eckpunkten ist eine Pauschale von 50 Cent vorgesehen. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände nannte den Betrag "eine Frechheit". Damit werde teils stundenlanger Arbeitsaufwand nicht ansatzweise bezuschusst.

Beobachtung: Um früher zu erkennen, bei welchen Mitteln sich Engpässe abzeichnen, soll die Versorgungslage genauer überwacht werden. Das zuständige Bundesinstitut soll dafür zusätzliche Informationen von Herstellern und dem Pharma-Großhandel bekommen - etwa zu aktuellen Produktionsmengen nach Fertigungsstandort und zur Lagerhaltung von Wirkstoffen, Zwischenprodukten und Fertigarzneimitteln. Aktuell gibt es laut Bundesinstitut gut 330 Meldungen zu Lieferengpässen. Das Ministerium weist darauf hin, dass nicht in jedem dieser Fälle auch ein Versorgungsengpass besteht. Es wären also Alternativen da.

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