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Nutzen von Vitamin-D-Tests neu bewertet

Die Blutuntersuchung gehört zu den häufigsten zu bezahlenden Arztleistungen. Der Medizinische Dienst empfiehlt sie aber nicht – mit einer Ausnahme.

Von Stephanie Wesely
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Vitamin D nimmt der Mensch über die Haut auf und nicht durch Nahrungsergänzungsmittel.
Vitamin D nimmt der Mensch über die Haut auf und nicht durch Nahrungsergänzungsmittel. © 123rf

Essen. In der dunklen Jahreszeit schwören viele Menschen auf eine Einnahme von Vitamin D zur Stärkung der körpereigenen Abwehr und zur Vorbeugung von Krankheiten. Um eine Überdosierung zu vermeiden, lassen sie den Vitamin-D-Spiegel im Blut bestimmen. Diese Leistung muss selbst bezahlt werden, ebenso wie der Kauf entsprechender Nahrungsergänzungsmittel, wenn keine Krankheitszeichen auf einen Vitamin-D-Mangel hinweisen. Ein Gremium des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, der IGeL-Monitor (die Abkürzung steht für individuelle Gesundheitsleistungen), hat diese Blutuntersuchung jetzt wissenschaftlich überprüft.Über Nutzen oder Schaden liegen ihm zufolge keine Studien vor. Die Untersuchung wird deshalb mit „unklar“ bewertet. Direkte Schäden sieht der IGeL-Monitor zwar nicht, weil die Risiken nicht über die einer Blutentnahme hinausgingen. Dennoch könnten Früherkennungsuntersuchungen immer zu falsch-negativen oder falsch-positiven Ergebnissen sowie Überdiagnosen führen.

Bis zu 33 Euro Kosten

Das Vitamin-D-Screening gehörte 2020 zu den 20 am häufigsten genannten Selbstzahlerleistungen. Arztpraxen bieten es allein oder in Kombination mit anderen Vitaminbestimmungen als sogenannten Vitamin-Check an. Die Kosten dafür variieren dabei zwischen 15 Euro und 33 Euro.Doch wie hoch muss der Vitamin-D-Spiegel sein? Er lässt sich aus einer Blutprobe im Labor ermitteln. Festgestellt wird hierbei die Serumkonzentration von Vitamin D – genauer von 25-Hydroxyvitamin-D. Das ist eine Vorstufe des biologisch aktiven Vitamin D im Körper und wird in der Leber hergestellt. Das Robert Koch-Institut spricht von einem guten Vitamin-D-Status, wenn die 25-Hydroxyvitamin-D-Konzentration zwischen 20 und 50 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) liegt. Ein geringerer Wert kann sich negativ auf die Knochengesundheit auswirken. Ein höherer Wert wird meist durch Überdosierung von Vitamin-D-Präparaten verursacht und kann unter anderem zu Übelkeit, Bauchkrämpfen, Erbrechen und Nierenschäden führen. Weil Vitamin D ein fettlösliches Vitamin ist, kann es im Körper gespeichert werden. Deshalb kann eine Überdosierung langfristig schaden.Eine Überversorgung beginnt laut Stiftung Warentest bei 400 Nanomol oder 160 Nanogramm des Vitamin-D-Markers im Blutserum. Diesen Wert erreiche man etwa bei dauerhafter Einnahme von täglich mehr als 20 Mikrogramm, was etwa 800 Internationalen Einheiten (I.E.) entspricht.Auch den Nutzen einer regelmäßigen Einnahme von Vitamin-D-Präparaten bewertete der IGeL-Monitor mit „unklar“. Zugrundeliegende Studienergebnisse beruhten zu einem großen Teil auf Untersuchungen von Über-50-Jährigen. Danach ergab die Behandlung des Vitamin-D-Mangels bei Menschen, die keine Symptome haben und selbstständig leben, keinen Nutzen. Menschen, die in medizinischen oder pflegerischen Einrichtungen leben, scheinen jedoch von einer Vitamin-D-Ergänzung zu profitieren, sodass ein Screening auf Vitamin-D-Mangel bei dieser Personengruppe sinnvoll sein könnte, lautet die Bewertung des IGeL-Monitors.

Nur selten in der Nahrung

Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat sich mit Vitamin D beschäftigt. „Beobachtungsstudien legen zwar nahe, dass ein niedriger Vitamin-D-Status das Risiko für Demenz einschließlich Alzheimer und auch das Risiko für eine Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit begünstigt, vor allem bei älteren Menschen“, sagt DGE-Präsident Professor Jakob Linseisen. Die wenigen randomisiert kontrollierten Studien – der Goldstandard in der Medizin – kämen aber zu keinem eindeutigen Schluss. Auch hinsichtlich einer vorbeugenden Wirkung gegen Asthma, Multiple Sklerose und Diabetes Typ 1 seien die Daten nicht eindeutig beziehungsweise unzureichend. Anders allerdings sehe es bei akuten Atemwegsinfektionen aus. „Sowohl Beobachtungs- als auch randomisierte Studien weisen hier auf einen präventiven Effekt von Vitamin D hin.“ Bei ausreichendem Aufenthalt im Freien und entsprechender Sonnenbestrahlung der Haut sowie ausgewogener Ernährung könne eine gute Vitamin D-Versorgung ohne Vitamin-D-Präparate erreicht werden. Die DGE empfiehlt die Einnahme nur für Risikogruppen. Dazu gehören Menschen, die sich kaum im Freien aufhalten wie mobilitätseingeschränkte, chronisch kranke und pflegebedürftige ältere Menschen.

Der Körper braucht Vitamin D. Leber und Niere wandeln das Vitamin in ein Hormon um, das für die Knochengesundheit von großer Bedeutung ist. Ob das Risiko für andere schwere Erkrankungen, zum Beispiel Infektionen, Krebs, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mit einem Mangel an Vitamin D in Zusammenhang steht, sei laut IGeL-Monitor nicht erwiesen und werde in der Wissenschaft diskutiert.

Vitamin D wird nur in sehr geringem Maße über die Nahrung aufgenommen, beispielsweise beim Verzehr von Hering, Lachs, Pilzen oder Eigelb. Die Hauptquelle ist das Sonnenlicht: 80 bis 90 Prozent des Vitamins D werden von der Haut produziert, als Reaktion auf die UVB-Strahlung des Sonnenlichts. Durch längere und intensivere Sonnenstrahlung im Sommer sind die Voraussetzungen günstiger als in den dunkleren Wintermonaten. Menschen, die häufig im Freien sind, können mehr Vitamin D produzieren als Menschen, die sich überwiegend in Innenräumen aufhalten. Außerdem spielen Tageszeit, Wetter, Kleidung und Hauttyp eine Rolle. Auch der Gebrauch von Sonnenschutz wirkt sich auf die Vitamin-D-Produktion aus. Im Alter nimmt die Fähigkeit der Haut ab, Vitamin D zu produzieren. Laut Schätzungen haben in Deutschland rund ein Drittel aller Menschen einen Mangel an Vitamin D.

Vitamin D spielt eine bedeutsame Rolle bei dem Kalzium-, Phosphat- und Knochenstoffwechsel. Ein schwerer und länger bestehender Vitamin-D-Mangel kann bei Erwachsenen zu einer Knochenschwäche (Osteomalazie) führen, einer Störung im Knochenbildungsprozess, die mit einer verminderten Knochenmineraldichte einhergeht. Es können diffuse Knochen- und Gelenkschmerzen, Muskelschwäche und Gehschwierigkeiten auftreten. Ebenso kann ein Vitamin-D-Mangel die Entstehung einer Osteoporose begünstigen, bei der sich die Knochensubstanz verringert und die Knochen in der Folge instabiler werden.

Die Früherkennungsuntersuchung auf Vitamin-D-Mangel ist die 60. Selbstzahlerleistung, die der IGeL-Monitor überprüft hat. Er wertet dazu veröffentlichte Studien wissenschaftlich aus, um Empfehlungen für die Versicherten abzuleiten, ob sich das Geldausgeben lohnt. Die meisten überprüften Leistungen erhielten bisher das Prädikat „tendenziell negativ“, zum Beispiel die Augeninnendruckmessung zur Glaukom-Früherkennung, die Blutegeltherapie bei Kniearthrose oder der Hirnleistungs-Check zur Früherkennung von Demenz