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Berufsbegleitende Ausbildung dominiert den Pflegeberuf

Die Bedingungen für die Azubis sind schwieriger geworden. Und das hängt nicht nur mit der Impfpflicht zusammen.

Von Cathrin Reichelt
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In der Tagespflege des Pflegedienstes Brambor werden Helge Kretzschmar von Luci Milz (links) und Annelies Jentzsch von Mary-Jane Wähner (rechts) betreut. Chef Benjamin Brambor (hinten) freut sich über das Engagement der jungen Mitarbeiterinnen.
In der Tagespflege des Pflegedienstes Brambor werden Helge Kretzschmar von Luci Milz (links) und Annelies Jentzsch von Mary-Jane Wähner (rechts) betreut. Chef Benjamin Brambor (hinten) freut sich über das Engagement der jungen Mitarbeiterinnen. © Dietmar Thomas

Region Döbeln. Wenn man nicht mit dem Herzen dabei ist, sollte man diesen Beruf nicht erlernen, meint Luci Milz. Für die 20-Jährige ist es der Traumberuf. Sie liebt den Umgang mit Menschen und hat an die Ausbildung zur Krankenpflegehelferin noch die zur Altenpflegerin drangehängt.

Sie arbeitet im betreuten Wohnen und der Kurzzeitpflege des Pflegedienstes Brambor und ihr ist es wichtig, „die Leute so zu pflegen, wie ich selbst gepflegt werden möchte.“

Mary-Jane Wähner hat gerade das erste Lehrjahr mit der generalistischen Ausbildung beendet und dabei festgestellt, dass ihr der Stationsalltag im Krankenhaus nicht besonders liegt. „Die Altenpflege ist besser“, sagt die 17-Jährige. Auch sie spricht von Herz und Verstand, die bei der Pflege im Vordergrund stehen sollten.

Die jungen Frauen sind zwei von zwölf Azubis des Pflegedienstes Brambor. Einige haben mit dem Ende des Schuljahres ausgelernt. Alle wurden in die Firma übernommen. Junge Leute für diesen Job zu begeistern, werde immer schwieriger, sagt Prokurist Benjamin Brambor. Und das hängt nicht nur mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht zusammen, sondern mit vielen anderen Rahmenbedingungen.

Lebenshaltungskosten zu hoch

Brambors bilden seit 1995 aus. Anfangs haben sich pro Lehrjahr 20 bis 30 Jugendliche beworben. Im vergangenen Jahr waren es acht, von denen aber keiner eine Ausbildung begonnen hat. Sieben Azubis machen derzeit weiter.

Für eine Jugendliche ist es die erste Ausbildung, die anderen sechs lernen berufsbegleitend. Ihre Ausbildung dauert viereinhalb Jahre. Sie arbeiten aber in dieser Zeit als Pflegeassistenten und erhalten dafür den normalen Lohn.

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„Das ist mittlerweile der häufigste Weg“, sagt Benjamin Brambor. Die steigenden Lebenshaltungskosten ließen sich mit dem Azubi-Geld nicht mehr händeln. „Deshalb entscheiden sich viele zuerst für den Pflegeassistenten, für den keine Ausbildung notwendig ist“, erklärt Brambor. Einige Bewerber hätten bereits einen anderen Abschluss, andere bereits eine Familie mit Kindern.

Die Theorie absolvieren die Azubis der Erstausbildung bei der Heimerer-Schule Döbeln/Oschatz, die aber die berufsbegleitende Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann nicht anbietet. Die angehenden Pfleger müssen dafür zum Medi-Campus nach Chemnitz.

Viele Anfragen aus Afrika

Dabei taucht das nächste Problem auf. „Viele der Interessenten besitzen keinen Führerschein und ohne den fallen etwa 50 Prozent der Bewerber weg“, so Brambor. Denn den Führerschein brauchen die Pflegekräfte nicht nur, um zur Ausbildung nach Chemnitz zu fahren, sondern auch für den Einsatz bei der häuslichen Pflege. Nicht nur deshalb wohnen die meisten Mitarbeiter, die der Pflegedienst eingestellt hat, in der Region Döbeln.

An Bewerbungen ausgelernter Pflegekräfte mangelt es Brambors nicht. Allerdings kommen die oft aus Ländern Afrikas, wie Marokko, Tunesien oder Kamerun. „Etwa zehn sind es pro Monat“, so der Prokurist. Die Formalitäten, um diese Menschen nach Deutschland zu holen, seien aber so aufwendig, „dass wir die interne Regelung getroffen haben, sie nicht einzustellen, solange sie nicht in Deutschland wohnen.“

Ein prinzipielles Veto, Ausländer einzustellen gebe es aber nicht. Seit einiger Zeit arbeite ein Somalier beim Pflegedienst Brambor. Er lebe hier, sei verheiratet, habe vier Kinder und sei ein anerkannter Zuwanderer. „Er möchte eine Ausbildung zum Pflegeassistenten und soll in diesem Jahr damit beginnen“, sagt Benjamin Brambor. Von den Bewohnern werde der Somalier anerkannt und geschätzt.

Schnupperpraktika für Unsichere

Die neue generalistische Ausbildung belebe die Fluktuation. Generalistisch bedeutet, die Azubis durchlaufen zwei Jahre lang viele Bereiche, wie stationäre, ambulante und Kurzzeitpflege, Psychiatrie und Kinderklinik. Danach entscheiden sich die Azubis, welche Richtung sie einschlagen wollen. Für die stationäre Ausbildung plane der Pflegedienst Brambor eine Kooperation mit der Döbelner Klinik und für den Bereich Kinderklinik mit dem Krankenhaus Mittweida.

Für junge Leute, die sich noch unsicher sind, ob der Pflegeberuf der richtige für sie ist, bieten Brambors Schnupperpraktika an. „Das ist nachhaltiger und ich kann den Jugendlichen auch einen anderen Weg empfehlen, wenn die Voraussetzungen nicht stimmen“, meint Benjamin Brambor.

Die gesellschaftliche Situation und der Personalmangel träfen auf alle zu. Deshalb habe sich das Konkurrenzdenken der Unternehmen gelegt. „Zwischen den Trägern der Einrichtungen in der Region Döbeln gibt es ein faires Miteinander“, so der Prokurist.

Mitarbeiter durch Impfpflicht verloren

Das Unternehmen hat 170 Mitarbeiter, davon sind acht nicht geimpft. „Wir haben in keiner Phase Druck aufgebaut, sondern für das Impfen geworben und Impfangebote gemacht. Wir würden nie jemanden in die Ecke stellen“, erklärt Benjamin Brambor.

Fünf Pflegeassistenten hat die Firma verloren, als die einrichtungsbezogene Impfpflicht Ende vergangenen Jahres ins Gespräch kam. Laut Gesetz dürfen nach wie vor nur geimpfte Fachkräfte und Azubis eingestellt werden.

„Es ist unglaublich, dass einer Branche, die seit 15 Jahren unter Mangel leidet, ein Gesetz auferlegt wird, das nicht für alle gilt“, so der Prokurist. Schließlich gebe es noch viele andere Bereiche, in denen Vorsicht geboten sei, zum Beispiel in Schulen und Kindereinrichtungen. „Ich bin der Meinung, entweder alle oder keiner“, sagt Benjamin Brambor.