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Was verdienen Pflegekräfte im Landkreis Görlitz?

In einer SZ-Umfrage sind Unterschiede je nach Arbeitgeber, Berufserfahrung und Einsatzgebiet zu erkennen - und zwei große Knackpunkte, die bald auf die Branche zurollen.

Von Anja Beutler
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Ist die Pflege unterbezahlt? Das kommt offenbar sehr darauf an, wo man arbeitet.
Ist die Pflege unterbezahlt? Das kommt offenbar sehr darauf an, wo man arbeitet. © Archiv

In der Pflegebranche glühen momentan die Taschenrechner: Ab September gibt es bei der Vergütung der Mitarbeiter neue Regeln: Alle Unternehmen müssen dann nach Tarif und mindestens brancheninternem Mindestlohn bezahlen. Allein in Sachsen gelten derzeit 16 akzeptierte Tarife, an die sich die Anbieter von Pflegedienstleistungen - egal ob privat, Diakonie oder auch Kliniken - anlehnen müssen.

Wie aber sieht die Lage derzeit aus? Verdienen Pflegekräfte wirklich so wenig, wie immer wieder auch in politischen Werbekampagnen betont wird? Oder ist das eher eine Frage des Anbieters? Die SZ hat eine Umfrage unter Kliniken, Diakonien, Privatanbietern und Hilfsorganisationen im Kreis Görlitz gestartet. Das sind die Ergebnisse, die jeweils für Vollzeitbeschäftigte gelten:

Welche Daten liegen vor?

Ein umfangreicher Fragebogen ist an zahlreiche Pflegedienstleister in den vergangenen Wochen verschickt worden. Darin abgefragt wurden die Verdienste sowohl von ungelernten und mindestens einjährig ausgebildeten Pflegekräften sowie examinierten Pflegefachkräften jeweils zum Berufseinstieg, nach drei, sieben und zehn Jahren. Außerdem wollten wir wissen, welche Zulagen und Sonderzahlungen den Mitarbeitern gewährt werden. Die Antwortbereitschaft war sehr unterschiedlich. So meldeten drei Kliniken ihre Daten zurück - drei andere wie das Fachkrankenhaus Großschweidnitz, das Klinikum Oberlausitzer Bergland sowie das Görlitzer Carolus-Krankenhaus verweigerten trotz mehrfacher Anfrage die Angaben mit Verweis auf "den sensiblen Bereich" oder lieferten keine Daten, obwohl keine datenschutzrelevanten Einwände vorliegen.

Große Arbeitgeber wie Hilfsorganisationen von DRK, ASB bis AWO beteiligten sich kreisübergreifend umfangreich. Ebenso die Diakonien, die mit Altenpflege zu tun haben und viele Mitarbeiter haben. Auch Privatanbieter von Nord bis Süd meldeten sich zurück, wenn auch in geringerer Zahl. Von Repräsentativität kann daher nicht gesprochen werden. Es handelt sich um einen Überblick.

Was verdienen ungelernte Pflegekräfte?

Wer wenig Ausbildung mitbringt, hat die geringsten Steigerungschancen beim Geld: Ungelernte starten mit Einstiegsentgelten zwischen 2.141 Euro und 2.460 Euro pro Monat. Mit zehn Jahren Erfahrung steigt dies auf Entgelte zwischen 2.392 bis 2.834 Euro an. Deutlich erkennbar: Bei den Privatanbietern, die Angaben machten, fehlen nach zwei, drei Berufsjahren weitere Steigerungen beim Monatsbrutto. Das ist bei Kliniken, kirchlichen Arbeitgebern und Hilfsorganisationen anders. Sichtbar auch: Nicht immer bedeutet ein hohes Einstiegsgehalt auch eine große Steigerung über die Jahre: So ist das Unternehmen, das mit 2.460 Euro das höchste Einstiegsgehalt für Ungelernte zahlt, bei der Entlohnung nach zehn Jahren Erfahrung rund 200 Euro unter den Spitzenwerten.

Was verdienen Pfleger mit ein- bis zweijähriger Ausbildung?

Nicht alle Unternehmen differenzieren in der Bezahlung zwischen gänzlich ungelernten Mitarbeitern und denen, die eine Ausbildung unterhalb der Pflegefachkraft absolviert haben. Daher liegt das Einstiegsgehalt im Schnitt zwar insgesamt höher - denn die meisten Arbeitgeber zahlen rund 100 Euro mehr als bei Ungelernten. Der Einstieg beginnt aber auch hier bei 2.141 Euro und reicht bis 2.608 Euro. Die Beobachtung, dass es bei großen Verbänden und Kliniken mehrere Staffelungen gibt, bei privaten Arbeitgebern aber eher nicht, ist auch hier zu sehen. Maximal geht der Monatsbruttolohn hier auf bis zu 3.202 Euro nach zehn Jahren nach oben.

Welchen Monatslohn erhalten Pflegefachkräfte?

Was Pflegefachkräfte am Monatsende als Bruttolohn auf dem Konto haben, hängt nicht nur von der Arbeitserfahrung, sondern von ihrem Einsatzbereich ab. Gerade in Kliniken gibt es da deutliche Unterschiede, weil die Anforderungen auf einer Normalstation logischerweise andere sind als beispielsweise auf der Intensivstation. Das heben einige Befragte deshalb auch hervor. Rechnet man diese "Spezialbereiche" mit hinein, können nach zehn Jahren Berufserfahrung in der Spitze durchaus bis zu 3.881 Euro zu Buche stehen. Generell liegen die Verdienste beim Einstieg zwischen 2.753 Euro und 3.217 Euro und steigern sich über die Jahre bis auf über 3.400 Euro.

Was auch hier wieder nicht zu übersehen ist: Bei privaten Pflegeanbietern, die ihre Daten abgegeben haben, liegt das Monatsbrutto niedriger und erhöht sich auch im Verlauf der Folgejahre nicht mehr weiter.

Was machen Zuschläge und Sonderzahlungen aus?

Gehörig ansteigen können die Verdienste des Pflegepersonals durch Jahressonderzahlungen, Sonn-, Feiertags- und Schicht- sowie Überstundenzuschläge. Bei zusätzlichen Jahreszahlungen bieten vor allem die großen kirchlich getragenen Häuser ein ganzes Monatsgehalt zusätzlich. Bei den großen Hilfsorganisationen gibt es sowohl Pauschalzahlungen von 500 Euro pro Jahr als auch jeweils 45 bis 60 Prozent eines Monatsgehaltes obendrauf. Die Privatanbieter, die sich auf unsere Rückfrage gemeldet haben, gaben in keinem Fall an, Sonderzahlungen zu leisten. Dafür gibt es hier - prozentual gesehen - meist höhere Sonntags- und Feiertagszuschläge: 50 Prozent Sonntags- und 100 bis 125 Prozent Feiertagszuschlag für die geleisteten Stunden außerhalb der Werktage, ist offenbar üblich.

Die großen kirchlichen und Hilfsorganisationen, die in vielen Fällen auch generell im Monatslohn etwas höher liegen, zahlen 25 bis 30 Prozent Zuschlag bei Sonntagsarbeit, in einem Fall 50 Prozent. Feiertagsarbeit belohnen sie in vielen Fällen mit 35 Prozent zusätzlich. Mitunter wird unterschieden, ob diese Arbeitszeit zusätzlich zur Zahlung abgebummelt werden kann oder nicht. Und so können ohne Freizeitausgleich schon einmal 125 Prozent Zuschlag hinzukommen. Die großen Träger zahlen zudem fast in allen Fällen Überstundenzuschläge, meist zwischen 25 und 30 Prozent.

Wer Nachtdienste übernimmt, kann mit Schichtzulagen in unterschiedlicher Höhe rechnen, die pro Monat zwischen 30 und 40 Euro oder auch bis zu über 80 Euro liegen. Einige Unternehmen zahlen auch Wechselschichtzulagen von knapp 88 bis 140 Euro im Monat. Auch hier ist zu sehen: Das ist vor allem bei den großen Trägern der Fall.

Was verdienen Pflegekräfte denn nun?

Da es so viele Sonderzahlungen und Sondereinflüsse gibt und einer breiten Streuung bei den Monatsentgelten - trotz großer Konkurrenz um Mitarbeiter - kann man keine pauschale Zahl benennen. Fest steht, dass Schicht- und Feiertagsarbeit das Entgelt zwar stark erhöhen kann, die Lebensqualität aber auch erheblich beeinflusst. Nicht jeder kann und will das leisten. Prinzipiell scheint die Vergütung vor allem bei den großen Trägern der Altenpflegehilfe und der kirchlich-diakonischen Einrichtungen als gut zu gelten - zumal die Entgelte immer wieder gestiegen sind: "Manche Mitarbeiter entschließen sich deswegen auch, gar nicht mehr Vollzeit zu arbeiten", erzählt ein Geschäftsführer eines großen Trägers im Kreis. Das heißt im Klartext: Es werden für die Arbeit mehr Mitarbeiter gebraucht. Wie die Lage bei privaten Anbietern ist, lässt sich allerdings nicht pauschal sagen. Aus den Einzelbeispielen, die hier vorliegen, zeigt sich aber doch ein erheblicher Unterschied zu den großen Häusern.

Wie geht's ab September weiter?

Für viele Pfleger wohl mit einem Aufschlag, denn dann steigen die branchenspezifischen Mindestlöhne: Gelten bis dahin bei ungelernten Pflegekräften zwölf Euro, bei qualifizierten Pflegehilfskräften 12,50 Euro und 15 Euro für Pflegefachkräfte, liegen die neuen Stundenlöhne dann bei 12,55 Euro, 13,20 Euro und 15,40 Euro. Die Frage nach der Refinanzierung dieser Kosten durch die Pflegekassen und damit auch die Entscheidung, ob und wie sich die Pflegepreise für die Pflegebedürftigen erhöhen werden, trieb vor allem private Unternehmen in den vergangenen Wochen stark um. Auch die Grundlage für die Berechnungen durch den Bund wurden in der Branche angezweifelt. "Wir sind alle gespannt - oder besser angespannt", umschreibt es eine Pflegedienst-Geschäftsführerin.