Zahnfleischbluten beim Biss in den Apfel ist unangenehm – und kann ein Alarmsignal sein. "Es zeigt, dass das Zahnfleisch eine erhöhte Blutungsneigung hat. Das ist oft schon ein Hinweis auf eine Entzündung", sagt Professorin Barbara Noack, Zahnärztin am Uniklinikum Dresden. In diesem Stadium – Gingivitis genannt – sei die Krankheit meist noch gut heilbar. Schreitet sie aber unbehandelt weiter fort, wird der gesamte Zahnhalteapparat angegriffen. Dann sei oft nur noch Schadensbegrenzung möglich, so die Zahnärztin.

Gesundes Zahnfleisch ist rosafarben, fest und schließt dicht an den Zähnen ab. Doch dieses Bild bekommen Zahnärzte nur noch selten zu sehen, zumindest bei Patienten über 50 Jahren. Denn in dieser Altersgruppe hat mindestens die Hälfte Parodontitis, ab 65 Jahren sind es sogar zwei Drittel, wie die jüngste Deutsche Mundgesundheitsstudie zeigt. 2023 wird laut Bundeszahnärztekammer die sechste Auflage erwartet.
Patienten nutzen Kostenvorteil
Dann hoffen Zahnärzte auf positive Veränderungen. Denn seit Juli letzten Jahres wird gesetzlich Versicherten mit Parodontitis nicht nur die Behandlung, sondern auch die Nachsorge von den Krankenkassen erstattet. "Seitdem sehen wir einen deutlichen Zuwachs an Patienten, beinahe eine Verdopplung", sagt Dr. Holger Weißig, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen.
"Vorher musste die Nachsorge selbst bezahlt werden. Etwa 100 Euro konnten dafür durchaus anfallen", sagt Barbara Noack. Für sie sei das ein Grund, warum so wenige davon Gebrauch machten. Kaum zwei Prozent nutzten die Nachsorgemöglichkeit regelmäßig, wie Reporte von Krankenkassen der letzten Jahre zeigten. "Ein weiterer Grund, Behandlung und Nachsorge hinauszuschieben, ist, dass Zahnfleischentzündungen anfangs noch nicht wehtun", so Professorin Noack. Deshalb würde die Krankheit nicht ernst genug genommen und jahrelang verschleppt.
Ursache der Parodontitis sind Bakterien im Zahnbelag. Wie der Körper darauf reagiere, sei jedoch individuell unterschiedlich. Noack zufolge neigten manche Menschen eher zu Entzündungen als andere. Daran hätten auch bestehende chronische Erkrankungen, zum Beispiel Diabetes oder Rheuma, einen Anteil. Hier bestehe eine Wechselbeziehung: "Eine Parodontitis kann ebenso zur Verschlechterung der Diabetes- oder Rheumaerkrankung führen." Nur etwa ein Prozent der Parodontitiskranken habe eine besonders progressive Form mit einer hohen genetischen Veranlagung. Sie erkrankten oft schon in jungen Jahren an schweren Zahnfleischerkrankungen – unabhängig von der Zahnpflege.
Bei Verdacht auf eine Parodontitis bestimmt der Zahnarzt zunächst den Blutungsindex und misst mit einer Sonde die Tiefe der Zahnfleischtaschen. Ab vier bis fünf Millimetern besteht Behandlungsbedarf. "Dann sind die Taschen so tief, dass Beläge und Bakterien nicht mehr mit normalem Putzen entfernt werden können. Sie vermehren sich und lösen Entzündungen mit einer Zerstörung des Zahnhalteapparates aus", sagt Noack. Die neue Leitlinie zur Parodontitistherapie empfiehlt vier Behandlungsschritte, deren Kosten nun zu einem großen Teil von den gesetzlichen Kassen übernommen werden.
Nicht alles wird bezahlt
Im ersten Schritt erfolgt eine Professionelle Zahnreinigung (PZR), allerdings ohne Kostenübernahme. Dabei erhalten Patienten auch Tipps zur Zahnpflege. "Raucher sollen motiviert werden, von ihrem Laster zu lassen, und Diabetiker, gut auf ihre Stoffwechsellage zu achten." Für die PZR und die Beratung haben die meisten Zahnärzte speziell qualifiziertes Personal eingestellt. Der Beruf der Dentalhygienikerin sei die oberste Stufe in diesem Fachbereich. Doch der Anreiz für ein solches Bachelorstudium sei eher gering, da Dentalhygieniker nicht selbstständig, sondern nur in Anstellung bei Zahnärzten arbeiten dürften.
In der zweiten Stufe der Parodontitisbehandlung erfolgt die antiinfektiöse Therapie, also die Zahnfleischtaschenreinigung. Das geschieht heute meist minimalinvasiv und unter örtlicher Betäubung. Sind alle Beläge entfernt und die Wurzeloberflächen geglättet, kann noch ein antibakteriell wirksames Gel eingebracht werden. Dieser Therapieschritt ist eher selten notwendig und ebenfalls keine Kassenleistung. Eine offene chirurgische Behandlung als dritter Schritt sei nur nötig, wenn bei schweren Befunden die minimalinvasive Therapie nicht ausreiche, so die Zahnärztin. Dabei müssten das Zahnfleisch aufgeschnitten und die Taschen unter Sicht gereinigt werden.
Die Kostenübernahme der Nachsorge in der vierten Behandlungsstufe ist neben der Beratung und Zahnpflegeunterweisung das eigentlich Neue an der Parodontitis-Richtlinie. Bis zu zwei Jahre nach der Therapie haben Patienten Anspruch auf Nachsorge. Dazu gehören regelmäßige Kontrolluntersuchungen mit Plaqueentfernung und Professioneller Zahnreinigung. Auch die Mundhygiene wird kontrolliert und die Tiefe der Zahnfleischtaschen gemessen. Die Nachsorge erfolgt übrigens nur dann auf Kassenkosten, wenn unmittelbar zuvor eine Parodontitisbehandlung erfolgt ist. "Hatten die Patienten schon vor Juli 2021 eine Parodontitisbehandlung, und besteht kein erneuter Therapiebedarf, gehe die notwendige Nachsorge auch noch auf eigene Kosten, sagt Barbara Noack.
Patientenakademie
- Am Samstag, dem 7. Mai, spricht die Zahnärztin Professorin Barbara Noack vom Uniklinikum Dresden über Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung von Parodontitis.
- Die Patientenakademie findet von 10 bis 13 Uhr im Hörsaal des Zahnärztehauses Dresden, Schützenhöhe 11, statt.
- Der Eintritt ist frei. Infos auch unter: www.zahnaerzte-in-sachsen.de