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Was hinter Schlafwandeln steckt

Vor allem Kinder stehen nachts auf und wandeln umher. Erwachsene, die schlafwandeln oder nachts sehr unruhig sind, sollten die Ursache abklären lassen.

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Vor allem Kinder schlafwandeln. Eltern sollten in dem Fall entsprechende Schutzvorkehrungen treffen.
Vor allem Kinder schlafwandeln. Eltern sollten in dem Fall entsprechende Schutzvorkehrungen treffen. © Jens Kalaene/dpa

Berlin/Altenholz. So sieht eine weit verbreitete Vorstellung aus: Schlafwandler balancieren im Nachthemd oder Pyjama mit ausgestreckten Armen auf dem Dachgiebel dem Vollmond entgegen.

Doch das ist nicht mehr als ein überzeichnetes Klischee. Erstens zieht es Schlafwandler nach allen Erfahrungen in der Regel und zum Glück nicht aufs Dach. Und zweitens hat ihr Schlafwandeln nicht unbedingt etwas damit zu tun, ob gerade Vollmond ist. Dennoch kann das Schlafwandeln für Betroffene manchmal gefährlich werden.

Häufig beginnt es damit, dass sie sich nachts im Bett plötzlich aufrichten. Sie blicken um sich, wirken verwirrt. Manchmal legen sie sich hin und schlafen weiter. Stehen sie jedoch auf, nehmen sie ihre Umgebung nur halb wahr. Sie verrücken Möbel, räumen auf oder laufen auf die Straße. Die Gefahr, dass Schlafwandelnde sich und andere verletzen, ist hoch.

Bis zu drei von zehn Kindern betroffen

Bei Kindern ist Schlafwandeln keine Seltenheit. Laut der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) erleben bis zu 30 Prozent aller Mädchen und Jungen wenigstens eine Episode von Schlafwandeln, bis zu 4 Prozent schlafwandeln häufig.

Oft sind die Eltern dann sehr besorgt, im Gegensatz um Nachwuchs: "Schlafwandler selbst sind sich ihrer nächtlichen Ausflüge nicht bewusst und können sich am nächsten Morgen nicht daran erinnern", sagt Prof. Thomas Penzel, wissenschaftlicher Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums der Berliner Charité.

Ursache des Schlafwandelns bei Kindern ist laut Penzel, der auch Vorsitzender der DGSM ist, vermutlich eine vorübergehende Störung des Gehirns. "Das ist aber in aller Regel weiter nicht gefährlich und wächst sich mit der Zeit aus", sagt der Schlafmediziner.

Nach Angaben der DGSM nimmt die Häufigkeit des Schlafwandelns bei vielen Betroffenen mit dem zehnten Lebensjahr ab. Nur bei einem Prozent von ihnen bleibe es bis ins Erwachsenenalter hinein bestehen.

Vorkehrungen zum Schutz treffen

Wichtig ist, dass man Vorkehrungen trifft, um das Kind zu schützen. "In erster Linie geht es darum, Türen und Fenster zu sichern", sagt Roland Wenzelburger. Der Neurologe mit einer Praxis in Altenholz bei Kiel ist Mitglied im Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN).

Es kann auch hilfreich sein, eine Alarmmatte vor das Bett des Kindes zu legen. Steht es nachts auf, werden die Eltern geweckt und können den schlafwandelnden Nachwuchs aufhalten.

Bei der Ansprache des Kindes sollte man "unbedingt gelassen bleiben", sagt Somnologe Penzel. Empfehlenswert sei es, Schlafwandelnde möglichst sanft zu wecken und sie beim Namen zu nennen. Man redet beruhigend auf sie ein und geleitet sie wieder ins Bett.

Schlafwandelt das Kind häufiger und ist es deshalb sehr oft tagsüber müde und unkonzentriert, sollten Eltern sich ärztlichen Rat holen. Dann gilt es, mögliche Auslöser für das Schlafwandeln auszuloten, zum Beispiel Stress in der Schule, und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. "Patienten aufklären und informieren ist wichtig", sagt Penzel.

Eher ungewöhnlich ist, wenn das Schlafwandeln erstmals erst in der Jugend oder noch später im Leben auftritt. Auslöser könnten eine nächtliche Störung der Atmung (Schlafapnoesyndrom) oder unruhige Beine (Restless Legs Syndrom) im Schlaf sein.

Andere Ursachen für nächtliche Unruhe

Möglich ist, dass es nachts als Folge der Einnahme von Schlafmitteln, Herzmedikamenten oder Psychopharmaka zu Bewusstseinsstörungen kommt. Dann könne es passieren, dass Betroffene halb schlafend und halb wach aufstehen. Doch solche Bewusstseinsstörungen sind vom klassischen Schlafwandeln ebenso zu unterscheiden wie Ausnahmezustände bei psychischen Erkrankungen und nächtliche epileptische Anfälle.

"Vom Schlafwandeln ist auch die REM-Schlaf-Verhaltensstörung abzugrenzen", sagt Penzel. Der REM-Schlaf (Rapid Eye Movement) ist eine Phase des Schlafs, die - wie der englische Begriff schon sagt - durch schnelle (rapide) Augenbewegungen gekennzeichnet ist.

Tritt nun die REM-Schlaf-Verhaltensstörung auf, bewegt sich der Betroffene aufgrund eines erlebten Traums und schlägt beispielsweise um sich. Auch hier ist ein mitunter hohes Verletzungsrisiko gegeben. Wenn sich solche Situationen häufen und sie einen selbst und die Angehörigen belasten, ist es Zeit, schlafmedizinisch abklären zu lassen, welche Störung konkret vorliegt.

Diagnostik im Schlaflabor

Um zu einer sicheren Diagnose zu kommen, erfolgt oft eine Untersuchung in einem Schlaflabor. Dort bekommen Patienten kleine Elektroden an ihren Körper, die über dünne Kabel zu Untersuchungsgeräten führen.

Diese Geräte zeichnen nachts Körperfunktionen auf. Elektroden auf den Kopf des Patienten messen die Gehirnaktivität durch ein Elektroenzephalogramm (EEG). Elektroden an Nase und Mund messen mit Atemfühlern den Atemfluss. Mit Muskelelektroden am Unterschenkel wird die Aktivität der Beine aufgezeichnet. Am Morgen darauf erfolgt die Auswertung der Ergebnisse.

Lautet die Diagnose REM-Schlaf-Verhaltensstörung, wird in aller Regel ein Medikament verordnet, das Patienten vor dem Schlafengehen einnehmen und das die Muskelaktivität im REM-Schlaf reduziert.

Medikamente in Verdacht

Steht die Einnahme von bestimmten Arzneimitteln im Verdacht, der Auslöser für das Schlafwandeln zu sein, werden die Medikamente auf den Prüfstand gestellt und gecheckt, ob sie gegebenenfalls gegen gleichwertige Präparate austauschbar sind.

Sind es Stress- oder Konfliktsituationen, die das Schlafwandeln verursachen, kann unter Umständen eine kognitive Verhaltenstherapie hilfreich sein. Dabei lernen Betroffene, wie sie belastende Situationen bewältigen können.

Auch Entspannungsverfahren wie Autogenes Training oder Meditation, die abends vor dem Schlafengehen praktiziert werden, tragen mitunter dazu bei, physische und psychische Anspannung zu reduzieren. Damit man nachts sanft zur Ruhe kommt. (dpa)