Gesundheitszentrum im alten Gefängnis

Bischofswerda. Der Zuschnitt des schmalen Raumes kann dessen Vergangenheit nicht verleugnen. Wo Teresa Franz seit einigen Wochen ihren Arbeitsplatz hat, saßen früher Strafgefangene ein. Ursprünglich war es eine „normale“ Zelle, weiß Lars Fellenberg, Hauseigentümer und Inhaber der gleichnamigen Bischofswerdaer Physiotherapie. Später wurde der Raum in mehrere kleinere Zellen unterteilt. Mancher, der sich im ehemaligen Kreisgericht nebenan zu verantworten hatte, wurde hier am Verhandlungstag vorübergehend in Gewahrsam genommen. Lars Fellenberg kaufte das ehemalige Gefängnis vor genau zehn Jahren. In den Folgejahren sanierte er das Haus und baute es für seine Praxis um. Jüngste Neuerung ist der Raum für die Ergotherapeutin Teresa Franz. Sie verstärkt seit Mitte März das Team.
Die Praxisräume versprühen natürlich längst keine Gefängnisatmosphäre mehr. Die Wände sind hell gestrichen, die Räume freundlich. Die Türen stehen offen, wenn nicht gerade ein Patient behandelt wird. Von Anfang an sei es sein Plan gewesen, auch eine Ergotherapeutin einzustellen, sagt Lars Fellenberg. Doch so etwas musste wachsen. Eine Logopädin war bei ihm schon beschäftigt, ging dann aber in die Elternzeit. Die Stelle ist ausgeschrieben.
Hilfe für alle Altersgruppen
Physio- und Ergotherapie unter einem Dach – das hat Sinn, da man sich bei der Behandlung von Patienten ergänzen und fachlich austauschen kann. Teresa Franz betreut als Ergotherapeutin alle Altersgruppen. Jede Gruppe hat ihre Spezifik, sagt sie. Kindern im Alter von drei, vier Jahren beispielsweise hilft sie bei Gleichgewichtsstörungen und bei der Entwicklung der Feinmotorik. Bei Schulkindern geht es oft um Fragen der Aufmerksamkeit, der Konzentration und der Fähigkeit stillzusitzen. Erwachsene, die einen Schlaganfall erlitten haben, an Multi Sklerose oder einer anderen neurologischen Erkrankung leiden, erlernen mit ihrer Hilfe, Dinge des Alltags wieder zu bewältigen. Zudem geht es um die Reaktivierung von Fähigkeiten, die notwendig sind, um möglichst wieder im erlernten Beruf arbeiten zu können. Bei Senioren wiederum steht der Erhalt von Fertigkeiten und damit der Selbstständigkeit bis ins Alter im Mittelpunkt. Die Ergotherapeutin kommt zu ihren Patienten auch nach Hause und betreut Bewohner im Seniorenwohnhaus Bischofswerda Süd.
15-jähriges Jubiläum
Aufs „Bastel-Image“, das der Laie oft mit Ergotherapie verbindet, möchte Teresa Franz ihren Beruf nicht reduziert wissen. Sie setzt auf moderne Methoden, darunter die mit dem Spiegel, in den ein Schlaganfall-Patient mit gelähmtem Arm während einer Behandlung schaut. Sie berührt beide Hände des Patienten, wodurch Signale ans Gehirn gesendet werden. Verlorengegangene Gehirnströme sollen so wieder aktiviert werden. Die Ergotherapeutin setzt zusammen mit ihrem Chef aber auch auf Handfestes. Der stellte ihr eine Werkbank mit Schraubstock, Stichsäge und Bohrmaschine ins Behandlungszimmer. Auch so etwas kann für eine Therapie genutzt werden. Wie auch der Sportsaal mit den großen Bällen. Geplant sind darüber hinaus Kurse, etwa zum Abbau sensorischer Integrationsstörungen bei Kindern mit Entwicklungs- und Lernstörungen. – In diesem Jahr besteht die Physiotherapie Fellenberg ihr 15-jähriges Bestehen. Lars Fellenberg startete 2004 an der Rückseite des Rewe-Centers an der Carl-Maria-von-Weber-Straße und zog nach dem Umbau des „Gefängnisses“ im Jahr 2013 an die Kirchstraße um. Die Lage inmitten der Altstadt sei „optimal“, sagt er und nennt die Gründe: zentral gelegen, kostenlose Pkw-Stellplätze vor dem Haus, kurze Wege, auch für die jüngsten Patienten. Kindertagesstätte, Hort und Grundschule befinden sich gleich nebenan. „Gut für Eltern, die die Behandlung ihres Kindes nicht auf die Zeit nach Feierabend schieben müssen“, sagt er. So nutzen Eltern die Möglichkeit, dass ihr Kind gleich nach dem Unterricht zur Behandlung kommt, ehe es in den Hort geht. „Wir holen Kinder in den Einrichtungen auch ab, wenn das Einverständnis der Eltern vorliegt“, ergänzt Teresa Franz.
Patienten auch aus Kamenz oder Zittau
Patienten kommen nicht nur aus Bischofswerda, sondern zum Beispiel auch aus Kamenz und Zittau zur Behandlung nach Schiebock. Zu den besonderen Angeboten der Praxis gehören die Bobath-Therapie – ein spezielles Behandlungskonzept für Erwachsene und Kinder mit Störungen des zentralen Nervensystems – sowie der Statik-Aufbau des Körpers, der Defizite abbauen und daraus resultierenden Folgeschäden vorbeugen soll. Die Förderung der Grobmotorik, also aller größeren Bewegungsfertigkeiten des Körpers, ist Aufgabe der Physiotherapeuten, sagt Lars Fellenberg. Um die Feinmotorik kümmert sich von nun an seine neue Mitarbeiterin.